Sennesblätter, von Cassia acutifolia, Leguminosae.
Name:
Cássia acutifólia Del. (= Cassia lenitiva Bischoff, = Cássia lanceoláta Nectoux). Senna, ägyptische Sennes, Sämschblätter. Französisch: Séné; englisch: Senna leaves; italienisch: Senna.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Vorderindien. Kultiv. in Ostindien.
Namensursprung:
Senna oder Sennes (mittelhochdeutsch Sen, Senetblätter) wird vom arabischen sanâ, sannâ, der Bezeichnung für die Pflanze oder die Blätter, abgeleitet. Cassia, vom Hebräischen Kezioth, wurde von den alten griechischen und römischen Schriftstellern wohl für die Zimtkassia gebraucht und ist später, weil einige Arten eine gewürzhafte Rinde haben, auf unsere Gattung übertragen worden; acutifolia = spitzblätterig.
Botanisches:
Aus der senkrecht in den Boden gehenden, ausdauernden Wurzel entspringen zahlreiche aufrechte, unten holzige, fast stielrunde oder stumpfkantige, gestreifte, bis 60 cm hohe Stengel. Die rutenartigen Äste sind anfangs kurzhaarig, später kahl. Blätter wechselständig, vier- bis fünfpaarig gefiedert. Blättchen fast sitzend, 1-2,5 cm lang und 4-9 mm breit, oval bis länglich lanzettlich, spitz oder stumpf stachelspitzig, steif papierartig, knorpelrandig, unterseits bleich oder blaugrün, beiderseits oder nur unten, besonders auf den Nerven weichhaarig, zuletzt kahl. Nebenblätter pfriemlich, abstehend oder zurückgebogen. Blüten zu zwölf in achselständiger Traube. Blüte zwittrig, Kelchblätter fünf, verkehrt-eiförmig, sehr kurz genagelt, vertieft, geadert, gelb, die zwei unteren größer. Zehn Staubgefäße, davon die drei obersten klein und unfruchtbar, die drei untersten niedergebogen, bogenförmig aufsteigend. Sie öffnen sich mit zwei Löchern an der Spitze. Stempel gestielt, mit niedergebogenem, zusammengedrücktem, einfächerigem, vieleiigem Fruchtknoten. Griffel fadenförmig, bogig aufsteigend, Narbe stumpf. Hülse papierartig, flach, oval-länglich, wenig aufwärts gekrümmt, 4-6 cm lang, 2-2,5 cm breit, am Grunde in einen schiefen Stiel verschmälert, oben breit abgerundet. An der Stelle der Samen wenig angeschwollen, vier- bis siebenfächrig, die Klappen im unreifen Zustande weichhaarig, quergeadert, kastanienbraun, am Rande gelblich-olivgrün. Die Pflanze ist einheimisch im tropischen Afrika, Nubien, Kordofan, Senaar, Timbuktu.
Geschichtliches und Allgemeines:
Bei den griechischen und römischen Schriftstellern des klassischen Altertums finden die Sennablätter nirgends Erwähnung. Die ersten Nachrichten stammen von den späteren griechischen und namentlich von den arabischen Ärzten. Im 9. Jahrhundert empfiehlt Serapion der ältere aus Baalbeck zuerst die Droge, und Isaac Judaeus (ägyptischer Arzt, gestorben um 950) bezeichnet die Senna aus Mekka, in welcher Flückiger die Cassia angustifolia zu erkennen glaubte, als die vorzüglichste. Masawach ben Hamech, bekannt unter dem Namen der jüngere Mesuë, der als Arzt am Hofe des Kalifen Alhakem in Kairo im 12. Jahrhundert lebte, berichtet schon von wilden und kultivierten Sennasträuchern, unter welchen letzteren wahrscheinlich Cassia obovata zu verstehen ist. Verwendung fanden damals hauptsächlich die Hülsen (Folliculi Sennae, Sennesbälge), von denen Mesuë behauptete, daß sie wirksamer als die Blätter seien, jedoch wurden sie nicht als Purgans, sondern gestoßen als kühlendes Mittel bei Augenleiden und Lepra verwendet. Cassia obovata Coll. wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien kultiviert, daher der Ausdruck Senna italica, der zu jener Zeit allgemein gebräuchlich war. Jedoch wurde der Anbau wegen Geringwertigkeit bald wieder aufgegeben. Die Sennesblätter von Cassia acutifolia scheinen erst später bekannt geworden zu sein. Damit das Mittel nicht für den Magen schädlich wirke, wurde empfohlen, es mit Fleischbrühe und Gewürz zu genießen. 1808-1828 war der Handel mit Senna in Ägypten unter Mohammed Ali monopolisiert und verpachtet.
Wirkung
Schon von Paracelsus wurden die Sennesblätter als Purgans angeführt.
Auch Lonicerus, Bock und Matthiolus gebrauchen sie als Laxans und rühmen sie als das nützlichste und unschädlichste aller treibenden Arzneimittel, das zugleich „den Schleim und Melancholei austreibt, das Geblüt reinigt, Milzstiche benimmt und das Herz und alle inwendigen Glieder erfreut“. Besonders der Kindbetterin soll Senna eine nützliche Arznei sein, aber auch bei Lungen- und Leberleiden, alten Fiebern und Grind helfen.
Matthiolus hat mit Senna, Agaricus, Rhabarbarum und Guajacum sogar Lues geheilt.
v. Haller ist der Ansicht, daß die vornehmste Kraft der Sennesblätter im Laxieren bestehe, daß sie aber Grimmen und Blähungen verursachten.
Als Purgans auch für empfindliche Personen empfiehlt Hecker die Folia Sennae, die zur Entleerung von „Unreinigkeiten der ersten Wege“, zur Fortschaffung von Wasseransammlungen mittels des Stuhlganges und zur Umstimmung anderer Organe durch erhöhte Darmtätigkeit und -sekretion nützlich seien. Besonders günstigen Einfluß schreibt er ihnen auf Verschleimung des Darmkanals und der Brust und auf chronische Katarrhe zu.
Im Arzneischatz Hufelands stellen sie ein beliebtes Purgans dar.
Clarus erwähnt außer der purgierenden Wirkung der Senna auch die diuretische, resorptionsfördernde, derivatorische, cholagoge und blutalterierende und verordnet sie als schnell wirkendes kräftiges Purgans überall da, wo eine träge Verdauung durch Anregung der Darmperistaltik behoben werden soll. Bei Gastroenteritis und Gravidität ist sie kontraindiziert.
Die Wirkung der Sennesblätter als Purgans wird mit den gleichen Einschränkungen auch in der heutigen offiziellen Medizin verwertet, ebenso in der Volksmedizin.
Die Sennesblätter gehören in die Reihe der Oxymethylanthrachinon enthaltenden Drogen (enthalten u. a. ein Gemisch Cathartinsäure, Rhein, Aloëemodin, Isorhamnetin, außerdem Harze, die breiige Entleerungen verursachen, in hohen Dosen aber Darmreizungen, Tenesmus, Nausea, Vomitus, Darmkoliken und u. U. Abort hervorrufen.
R. Magnus untersuchte eingehend den Einfluß des Sennainfuses auf die Verdauungsorgane und kommt zu folgendem Schluß: „Es reizt erstens den Magen nicht und wirkt zweitens auf den Dickdarm, während der Dünndarm unbeeinflußt bleibt. Die Dickdarmwirkung betrifft ausschließlich dessen Motilität, von einer gesteigerten Sekretion ist nichts wahrzunehmen. Der Eindickungsmechanismus im proximalen Kolon ist aufgehalten. Die Erregung der Dickdarmbewegung erfolgt, sobald das Abführmittel ins Kolon gelangt, und nicht allein vom Rectum aus.“
Der Eintritt der Sennawirkung wird weder durch Morphin (Magnus) noch durch Tannalbin (Hesse) verhindert.
Straub und Gebhardt kamen in Versuchen über die wirksamen Inhaltsstoffe der Folia Sennae zu dem Resultat, daß der 10%ige Infus die Wirksamkeit der Blätter vollständig erschöpft. Die wirksamen Bestandteile sind Anthranolglykoside; bei der Spaltung der Glykoside geht das Anthranol leicht in das Chinon über, dieses ist identisch mit Aloë-Emodin. Es wurde ein kristallisiertes Reinglykosid dargestellt, das sehr schwer mit Säure spaltbar ist. Daneben existiert eine Glykosidfraktion, die noch nicht rein dargestellt werden konnte. Sie ist schon von ganz schwachen Säuren, wie den im Blatt enthaltenen Pflanzensäuren, spaltbar. Das Glykosid ist zu etwa 1% in den Blättern enthalten und der hauptsächlichste Träger der Wirksamkeit. Es wird nicht auf dem Wege durch den Darm, sondern auf dem Umwege durch das Blut wirksam, so daß es auch subkutan gegeben abführt.
Vergleichende Untersuchung der toxischen Wirkung heißer und kalter 2,5%-Auszüge von Folliculi und Folia Sennae auf Daphnien. (fehlt hier)
Näheres über die Anthrachinonwirkung vgl. das Pflanzenkapitel Aloë und das Kapitel Anthrachinone der Einleitung, ferner Magnus.
Die abführende Wirkung nach therapeutischen Dosen von Senna tritt nach etwa 6-7 Stunden ein.
Um die als Ursache der Koliken angesehenen harzigen Bestandteile der Droge zu entfernen, werden die Blätter häufig mit Weingeist extrahiert; dabei gehen aber auch wirksame Substanzen mit verloren, so daß von einer Verordnung dieser Folia Sennae sine resina abzuraten ist.
Versuche über die verschiedene Einwirkung von kalt und heiß zubereiteten Auszügen von Folia und Folliculi Sennae auf Daphnien ergaben, daß die toxische Wirkung der Folia in allen untersuchten Fällen stärker war als die der Folliculi und daß die heißen Auszüge bedeutend toxischer sind als die kalten (vgl. auch die graphische Darstellung auf der Seite 2540).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Senna ist wohl von allen Heilpflanzen das gebräuchlichste und beliebteste Abführmittel. So nennt es Reuter das allerbeste Mittel bei chronischer Obstipation für jahrelangen Gebrauch. Doch auch hier gehen die Meinungen sehr auseinander, denn Kleine, Wuppertal, zieht die Verordnung von Colocynthis vor, da die längere Anwendung von Senna seiner Ansicht nach zu einer richtigen Stillegung der Darmfunktionen führe. Bei blutigen und entzündlichen Affektionen im Bereiche der Bauchhöhle wird vor einer Verordnung von Senna in starken Dosen gewarnt. Recht häufig wird Senna ferner als Emmenagogum, bei Oligomenorrhöe, Leberverstopfung, Hämorrhoiden, Krämpfen, namentlich bei solchen im Bereich des Kolon und mit Flatulenz, genannt. In geringen homöopathischen Gaben ist das Mittel bei Leibschmerzen der Kinder mit Flatulenz und Schlaflosigkeit, dünnen gelblichen Diarrhöen, Stuhldrang und Gastritis indiziert. Gegen Azidose bei Diabetes lobt es Schmitz, während Funke es bei nächtlichen Blutwallungen empfiehlt.
Senna wird häufig im Gemisch mit anderen purgierenden Kräutern verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Während Paracelsus von den Sennesblättern spricht und Bock und Lonicerus das Kraut ohne die gröberen Stengel verwenden lassen, verbreitet sich Matthiolus ausführlich darüber, ob die Blätter oder die Schoten verwendet werden sollen. Er trifft folgende Entscheidung „Wann man solche Schötlin haben könndte / wie sie der Mesue gehabt hat / nemblich die vollkommentlich / und wol zeitig / dunckel / grünlecht / voller gutes großen samens / welche ein wenig bitter und zusammenziehender Natur seyn / … so köndten wir … solche besser dann die bletter zu purgiren / wie die Alten gethan haben / noch gebrauchen. Aber dieweil solche schoten zu rechter Zeit abgebrochen und gar selten gebracht werden / und dieweil man ja nicht soviel kann haben / als der Bletter / welche auch länger gut bleiben / braucht man nicht ohn Ursach die bletter mehr und sicherer / dann die schoten.“
Nach v. Haller werden vor allem die Folia Sennae sine Stipitibus, aber auch die Folliculi Sennae (die Hülsen) verordnet.
Geiger nennt ebenfalls Blätter und Hülsen als offizinell.
Nur die Blätter erwähnen: Hecker (der nur Senna alexandrina verwendet wissen will), Hufeland, Clarus, Osiander, Marfori-Bachem.
Blätter und Früchte erwähnen: Wasicky, Hager, Thoms, Dragendorff.
Das HAB. läßt die Tinktur aus den getrockneten Blättern von Cassia angustifolia und Cassia acutifolia bereiten (§ 4). Dasselbe gibt Heinigke an und nennt auch noch Cassia obovata als Stammpflanze.
Nach Hegi ruft die Anwendung von Cassia angustifolia leicht Leibschmerzen hervor. Sie wird daher meist „nur dort gebraucht, wo die ägyptische Senna nicht erhältlich ist“. Ich empfehle daher den Gebrauch der Blätter von Cassia acutifolia Del., und zwar den der getrockneten Blätter, solange frische noch nicht in genügender Menge zur Verfügung stehen. Demgemäß wird auch das „Teep“ hergestellt.
Folia Sennae sind offizinell in allen Staaten.
Fructus Sennae sind offizinell in Österreich, in der Schweiz, in Belgien, England, Frankreich und Dänemark.
Dosierung:
Übliche Dosis:
1-2 g der Blätter (Hager);
0,5-1,5 g der Blätter ein- bis zweimal täglich als gelind eröffnendes Mittel, 2-4 g der Blätter als stärkeres Purgans (Klemperer-Rost);
5-10 Schoten im Auszug (Hager);
1 Teelöffel voll der Blätter zum kalten Auszug;
1/2-1 Teelöffel und mehr bis zu 50,0 als Tagesgabe Electuarium Sennae (Klemperer-Rost);
1-3 Teelöffel voll des Fluidextraktes (Klemperer-Rost).
1-2 Kapseln „Teep“ pur. abends zu nehmen.
(1 Kapsel enthält 0,8 g Pflanzensubstanz.)
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt, doch können 5-10 g der Blätter leicht Leibkneifen und Erbrechen verursachen. Die Wirkung der Schoten ist etwas milder als die der Blätter (Hager).
Rezepte:
Bei chronischer Obstipation
Rp.:
Fol. Sennae 20 (= Sennesblätter)
D.s.: 1 Teelöffel voll mit 1 Glas Wasser kalt ansetzen, 12 Stunden ziehen lassen und abends trinken.
Bei Obstipation (nach Wastalu):
Rp.:
Follic. Sennae (= Sennesschoten)
Rad. Graminis aa 30 (= Queckenwurzel)
Hb. Millefolii (= Schafgarbenkraut)
Hb. Melissae aa 20 (= Melissenkraut)
Fruct. Foeniculi 10 (= Fenchelsamen)
C.c.m.f. species. D.s.: Zum kalten Auszug (12 Stunden) 1 Eßlöffel auf eine Tasse Wasser. Morgens nüchtern trinken.
Oder
Rp.:
Electuar. Sennae 100
D.s.: 1/2-1 Teelöffel voll täglich zu nehmen.
Zusammensetzung nach DAB. VI.:
Fein gepulverte Sennesblätter 1 Teil
Zuckersirup 4 Teile
Gereinigtes Tamarindenmus 5 Teile
Species gynaecologicae (F. M. B.):
Rp.:
Fol. Sennae concis. (= Sennesblätter)
Cort. Frangul. concis.(= Faulbaumrinde)
Herbae Millefolii concis.
(= Queckenwurzel)
Rhizomatis Graminis concis. aa 25
M.d.s.: 1 Eßlöffel voll auf 1 Tasse Tee.
Als Purgans und gegen Würmer (nach Ulrich):
Rp.:
Follic. Sennae conc. (= Sennesschoten)
Cort. Frangulae conc. (= Faulbaumrinde)
Hb. Absinthii conc. (= Wermutkraut)
Fol. Menthae piperitae conc. (= Pfefferminzblätter)
Flor. Chamomillae aa 10 (= Kamillenblüten)
M.f. species. D.s.: 1 Eßlöffel voll mit 1 Tasse kaltem Wasser aufgießen, 12 Stunden mazerieren lassen. Morgens nüchtern trinken.
Als Purgans (Port.):
Rp.:
Folior. Senna pulv. 10
Fruct. Anisi pulv. 5
Pulpae Tamarindor. 50
Mellis depurati 35
M.d.s.: 1-2 Teelöffel voll.
Als Purgans, bei chronischer u. auch bei spastischer Obstipation (nach Modrakowski, Schw. med. Wchschr.):
Rp.:
Herb. Millefolii(= Schafgarbenkraut)
Herb. Violae tricolor. (= Stiefmütterchenkraut)
Herb. Cardui benedicti (= Kardobenediktenkraut)
Flor. Chamomillae vulg. (= Kamillenblüten)
Fol. Sennae (= Sennesblätter)
Cort. Frangulae (= Faulbaumrinde)
Fol. Menthae pip. aa 30 (= Pfefferminzblätter)
M.f. species. D.s.: Abends 1 Eßlöffel voll auf 1 Tasse kochenden Wassers, 10 Min. ziehen lassen und warm trinken.
Als Abführmittel (nach Klemperer-Rost):
Rp.:
Infus. foliorum Sennae (10,0) 100
Natrii tartarici 15
Sir. Mannae 25
M.d.s.: Halb- bis einstündlich 1 Teelöffel bis zur Wirkung.
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.