Dach-Hauswurz, Hauslauch, Crassulaceae.
Name:
Sempervívum tectórum L. Dach-Hauswurz, Hauslauch. Französisch: Grande joubarbe, artichaut sauvage; englisch: Barren privet; italienisch: Barba di Giove, carcioffi grassi; dänisch: Huslög; norwegisch: Taklök; polnisch: Rojnik; russisch: Skoczek; schwedisch: Taklök; tschechisch: Netřesk zední; ungarisch: Körozsa.
Verbreitungsgebiet
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Namensursprung:
Sempervivum, zusammengesetzt aus dem lateinischen semper = immer und vivum vom lateinischen vivere = leben, weist darauf hin, daß die Pflanze auch auf dem trockensten Boden zu gedeihen vermag; tectorum vom lateinischen tectum = Dach in bezug auf die schon bei den Römern übliche Sitte, die Hauswurz auf den Dächern zu kultivieren, ein Gebrauch, der im Mittelalter fortgesetzt wurde, weil man glaubte, daß die Pflanze das Einschlagen des Blitzes abwenden, also als eine Art Blitzschutz dienen könnte.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Huslôk, „Lauch“ nach den fettigen Blättern, Huslôf (niederdeutsch), Hausampfer, -rampfer (Oberösterreich), Hausampfer (Niederösterreich), Dachwurzel (mundartlich im Alemannischen und in Thüringen). Chemmirosa, auf den Kamindeckel gepflanzt (St. Gallen), Donnerkrut, -look (niederdeutsch), Ton(d)erbart (Aargau), Dunerknöpf (Niederösterreich, Tirol), Dimerkraut, Dimer = Gewitter (Bidgau in der Eifel). Wie die Sedum-Arten, so wird auch unsere Art gegen den „Zitterach“ = trockene Hautabschilferung verwendet, daher in Niederösterreich Zidriwurz’n. Entstellungen aus „sempervivum“ sind Sempelfi (Lübeck), Zimpelfi (Westpreußen) In Kärnten ist die Hauswurz schließlich der (wilde, deutsche) Rhabarber.
Botanisches:
Das ausdauernde Dickblattgewächs ist in den südeuropäischen Gebirgen beheimatet. Seine aus keilförmigem Grunde verkehrt eiförmigen Blätter sind zu einer mittelgroßen, grundständigen Rosette vereinigt, aus deren Mitte der 10 bis 60 cm hohe mit eiförmigen fein zugespitzten Blättern besetzte Blütensproß hervorgeht. Der reichverzweigte endständige Blütenstand besteht aus sternförmigen, blaßrosenroten Blüten. Blütezeit: Juli bis August. – Der blühreife Zustand von Sempervivum tectorum wird durch eine erhöhte Kohlenstoffassimilation bei lebhafter Transpiration und relativer Einschränkung der Nährsalzaufnahme erreicht. Bei erhöhter Temperatur, bei Wasser- und Nährsalzzufuhr wird jedoch die Blühreife vernichtet, oder die Pflanze entwurzelt sich mit Hilfe ihrer Rosettenblätter selbst, um auf diese Weise die Nahrungszufuhr zu unterbinden (der letztere Fall ergab sich bei den Versuchen im eigenen Laboratorium). – Die dicken fleischigen Laubblätter erwärmen sich an der Sonne verhältnismäßig stark. So konnte Askenacy bei einer Außentemperatur von 28° C bei Sempervivum-Individuen 52° C feststellen. Drude maß an einem einzelnen Blatt von Sempervivum tectorum 50° C und eine Stunde später im Inneren der Rosette 42° C. Auch die in eigenen Kulturen ausgeführten Temperaturmessungen ergaben, daß Sempervivum tectorum von allen Pflanzen die höchsten Temperaturen zeigte. Gemessen wurde sowohl die Oberfläche (Epidermis) als auch die Temperatur unter der Epidermis. An blühenden und nicht blühenden Pflanzen wurde der Temperaturanstieg und -abfall eines ganzen Tages bei bedecktem und nicht bedecktem Himmel gemessen, vgl. die untenstehende Kurve.
Geschichtliches und Allgemeines:
In der griechischen und römischen Arzneikunde fanden mehrere Arten von Sempervivum, darunter wohl hauptsächlich Sempervivum arboreum L., Verwendung. Dioskurides rühmt die kühlende, adstringierende Wirkung der Pflanze bei Geschwüren, Augenentzündungen, Brandwunden und Podagra. Getrunken sei der Saft ein gutes Mittel gegen Schlangenbiß, Bauchfluß, Dysenterie und Würmer. Caelius Aurelianus benützte den Saft in Klistieren bei Durchfällen, die Pflanze als Umschlag bei Blutungen. Die alten Griechen nennen sie Aeizoon, während sich schon bei Plinius die Bezeichnung Sempervivum findet. Wie immer halten sich die Autoren der mittelalterlichen Kräuterbücher an die Angaben ihrer klassischen Vorbilder und empfehlen die Hauswurz dementsprechend.
In manchen Gegenden werden die jungen Sprossen und Blätter als Salat gegessen, im Engadin werden sie dem Trinkwasser zugesetzt, um demselben einen erfrischenden Geschmack zu verleihen. In der fränkischen Volksmedizin gilt die Pflanze als gutes Mittel bei Rachen- und Kehlkopfentzündungen, man läßt Saft von Hauswurzblättern mit etwas Geißmilch morgens nüchtern trinken. Aus der Beobachtung, daß der Blitz der Pflanze wenig anhaben kann, entwickelte sich die schon oben erwähnte Benutzung als Blitzschutz. Auch heute noch findet man die Hauswurz auf vielen Dächern angepflanzt, und recht verbreitet ist der Glaube, daß das Verdorren der Pflanze den Tod eines Hausbewohners nach sich zieht. Im Gegensatz hierzu glaubt man allerdings in Graubünden und Toggenburg, daß ihr Blühen Unglück bringt. – Hauswurzelsaft galt früher zusammen mit rotem Arsenik, Gummi und Alaun als ein Arkanum, das, auf die Hand gestrichen, es möglich machte, glühendes Eisen anzufassen.
Wirkung
Hauslauch stand schon bei der hl. Hildegard und Paracelsus in therapeutischem Gebrauch.
Bock rät, die Hauswurz nur bei schwersten Fiebern und „hitzigen bauchflüssen“, wie auch zum Austreiben von Würmern innerlich zu geben, sonst aber die äußerliche Anwendung zu bevorzugen, so z. B. bei Phrenesis, Augengeschwür, Ohrenfluß, Schmerzen bei Leber- und Nierenentzündung, Gliederschmerzen, Podagra und bei Brandwunden.
Auch Matthiolus empfiehlt den lokalen Gebrauch bei Rotlauf, Augenentzündung, Brandwunden, fressenden Geschwüren und allen hitzigen Geschwülsten und Gebrechen.
Osiander führt den Hauslauch als Volksmittel zur Hautreizung, bei Febris intermittens und skrofulösen Geschwüren an.
Med.-Rat Günther, Köln, ein Mitarbeiter Hufelands, bezeichnet ihn als rheinisches Hausmittel bei szirrhösen Drüsenverhärtungen (zum innerlichen Gebrauch), mit dessen äußerlicher Anwendung auch er selbst schon gute Erfolge bei szirrhösen Verhärtungen der Zunge und bei Aphthen gehabt habe.
Uteruskrämpfe, Amenorrhöe, Aphthen und szirrhöse Verhärtungen der Zunge sind Indikationen, die Aschenbrenner für die Pflanze nennt. Die gleichen Anwendungsweisen finden sich auch in der homöopathischen Literatur, so bei Heinigke und Clarke.
Nach Schulz werden in der Volksmedizin die Blätter zu einer Kropfsalbe, der Saft gegen Hühneraugen und Sommersprossen und innerlich gegen Uterusneuralgien bei Dys- und Amenorrhöe gebraucht, nach Dinand der Hauswurztee bei Magengeschwüren, Menstruatio nimia, Dysenterie und Hämorrhagien.
Nach älteren Angaben enthalten die Blätter Ameisensäure, Calciummalat und freie Äpfelsäure.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich gegen Blasenkrankheiten, äußerlich gegen Geschwüre.
Polen: Als Mucilaginosum auf Geschwüre.
Ungarn: Gegen Fieber, Epilepsie, äußerlich auf Warzen.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Sempervivum tectorum wird innerlich nur selten angewendet. Läßt man ein Blatt längere Zeit in einem Glas kaltem Wasser ziehen, so erhält man ein angenehmes kühlendes Getränk, daß bei Fieberkrankheiten und Verschleimungen der Atmungsorgane benutzt wird.
Bei Warzen, Sommersprossen, Kombustionen, Entzündungen der Augen, Rotlauf, Ulzera und Hühneraugen tun Auflagen der zerquetschten Blätter oder Einreibungen mit dem Safte gute Dienste. Gegen Schwerhörigkeit wird der Saft ins Ohr geträufelt.
Angewandter Pflanzenteil:
Die hl. Hildegard spricht vom Kraut. Paracelsus erwähnt den Saft, wie auch Bock und Matthiolus vor allem auf den Saft hinweisen. Die Angaben bei Osiander lauten: zerquetschte Pflanzen, zerquetschte Blätter und Saft aus den Blättern. Nach Schulz sind der Saft und die ganzen Blätter in volkstümlichem Gebrauch. Thoms führt die Blätter an. Das HAB. nennt zur Bereitung der Essenz die frischen, vor Beginn der Blüte gesammelten Blätter (§ 2).
Sammelzeit: Juni bis Juli.
Folia Sempervivi (majoris) sind offizinell in Spanien.
Dosierung:
Übliche Dosis in der Homöopathie:
Ø bis dil. D 2.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.