Giftsumach, Anacardiaceae.
Name:
Rhus toxicodendron L. (Toxicodendron pubescens Mill.). Echter Gift-Sumach. Französisch: Sumac vénéneux; englisch: Upright sumach, poison oak, dänisch: Gift-Sumak; polnisch: Sumak jadowity; russisch: Jadowityj sumach; schwedisch: Giftsumak; tschechisch: škumpa jedovatá; ungarisch: Mérges zömörce.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Nordostasien; vielfach als Zierstrauch angepflanzt.
Namensursprung:
Zur Erklärung von Rhus und Sumach s. Rhus aromatica; toxicodendron ist aus dem griechischen τοξιχν (toxikon) = Pfeilgift und δνδρον (dendron) = Baum entstanden und bezeichnet den Strauch als giftig.
Botanisches:
Der bis 1 m hohe, in Nordamerika und Nordasien heimische Strauch mit dreizähligen Laubblättern und eiförmig-lanzettlichen, bis 18 cm langen Blättchen besiedelt dort ausgesprochen trockene Orte. Die weißlich-grünen Blüten stehen in reich-behaarten blattachselständigen Rispen. Die gelben Früchte sind kahl glänzend. Er variiert sehr stark in Wuchs, Form, Größe, Berandung und Behaarung der Blätter und in der Größe der Früchte. Besondes auffallend ist die Verschiedenheit im Wuchs. Man kennt die Pflanze als aufrechten, Manneshöhe nur wenig überragenden Strauch, als windende Liane oder auch mit einem dem Boden aufliegenden, auf der Unterseite meist dicht wurzelndem Stamm. Nach McNair sind die drei Arten Rhus toxicodendron, Rhus radicans und Rhus diversiloba botanisch betrachtet so wenig verschieden, daß eine eigene Klassifikation nicht berechtigt ist. Dagegen fand Biberstein einen bedeutenden Unterschied zwischen der pharmakologischen Wirkungsweise von Rhus toxicodendron und Rhus radicans. Der Giftsumach führt einen weißen, an der Luft sich schwarz färbenden Milchsaft, der nur bei Verletzung aus den schizogenen Gängen austreten kann und dessen Giftigkeit nach Touton während der Blütezeit am größten ist.
Geschichtliches und Allgemeines:
Kalm soll zuerst die stark giftigen Eigenschaften des Strauches erkannt haben. Seine Einführung in die Arzneikunde erfolgte durch Dufresnoy im Jahre 1788, der ihn als Mittel gegen Flechten empfahl. Allgemein bekannt wurde die Droge durch Alderson, Horsfield u. a., die ihren Gebrauch gegen Lähmungen rühmten. Offizinell waren die Laubblätter als Folia Toxicodendri oder Folia s. Herba Rhoïs radicantis. Die Aufnahme der Droge in die deutschen Pharmakopöen erfolgte wohl erst im 19. Jahrhundert.
Die Berührung der Blätter des Giftsumachs, ja selbst die Ausdünstung des Strauches, soll eine starke Hautentzündung hervorrufen können. So erzählt Hunold, daß im nordamerikanischen Kriege sich bei einer Anzahl Soldaten, die an einem aus grünen Giftsumachzweigen unterhaltenen Feuer lagerten, Vergiftungserscheinungen zeigten. In früheren Zeiten galten Grundstücke, in deren Gärten Rhus toxicodendron wuchs, als verhext, weil die Bewohner rheumatismusleidend wurden. Solche Grundstücke fanden kaum Käufer. Auf Hasen, die den Strauch in strengen Wintern benagen, wirkt das Gift sofort tödlich. Nach mehreren amerikanischen Ärzten fressen die Pferde und das Rindvieh die Blätter ohne Schaden.
Wirkung
Hufeland schreibt dem Giftsumach nervenbelebende Wirkung zu, Clarus verordnet ihn in ähnlichem Sinne bei Paralysen, besonders rheumatischer Natur, bei alten Exanthemen und Amaurose.
Dufresnoy hatte Erfolg bei flechtenartigen Exanthemen und Lähmungen. Die letztere Indikation wurde auch von Alderson und Grisevius bestätigt gefunden.
Nach Aschenbrenner bedienten sich eine ganze Reihe von Ärzten mit gutem Erfolge der Tinktur bei Augenerkrankungen wie chronischen Augenlidentzündungen, Psorophthalmie, skrofulöser Konjunktivitis und Corneitis, insbesondere wenn diese Augenleiden mit skrofulös-herpetischen Gesichtsausschlägen verbunden waren.
In Amerika wird die Tinktur prophylaktisch gegen Dermatitis durch Berührung mit Giftefeu gebraucht.
Der Milchsaft der Pflanze enthält einen Reizstoff, das Toxicodendrol, das sogar durch die bloße Ausdünstung des Strauches und besonders zur Zeit der Blüte erysipelatöse Entzündungen hervorruft. Mit der Haut in Berührung gebracht, wirken die Blätter heftig reizend als spezifisches Gefäßgift, das starke Hyperämie und seröse Infiltration der betr. Gewebe verursacht, an der Epidermis Quaddeln und Blasen mit Austritt weißer und roter Blutkörperchen und an den Schleimhäuten heftige Entzündung und Eiterung erzeugt.
White berichtet eingehend über die klinischen Erscheinungen der Rhus-Dermatitis. Er schildert alle Stadien von den leichtesten Fällen an, die einem Erythem mit etwas papulovesikulösem Ekzem ähneln, bis zu den ganz schweren Erkrankungen, die folgendes Bild darstellen: ein schweres Erysipel mit sehr entstelltem, heiß und rot geschwollenem Gesicht, das dicht mit nässenden, krustigen, sehr heftig juckenden und brennenden Bläschen besetzt ist. Gleichzeitig treten Fieber und Prostration auf. Die Wirkung von Rhus toxicodendron ist allerdings nicht bei allen Menschen die gleiche, sondern an eine gewisse Empfänglichkeit des Organismus geknüpft. 65% der Menschen sollen reizempfindlich sein, Kinder unter 18 Monaten nicht. Nach McNair existiert beim Menschen eine relative Immunität, da unter 18 Menschen nur einer eine erhöhte Empfindlichkeit aufweist. Nach dem innerlichen Gebrauch von Rhus toxicodendron können ebenfalls Ausschläge von erysipelatöser, bläschen- oder pustelartiger Beschaffenheit auftreten. Nach Vollmer traten bei einer Frau, die einige Tage Rhus toxicodendron D 4 eingenommen hatte, an Kopf, Hals und an den Armen Rötung, Pusteln und Bläschen auf. Da das Mittel in dieser Verdünnung meistens vertragen wird, spricht diese Erkrankung für eine gewisse Überempfindlichkeit der Patientin. Nach meinen Beobachtungen ist D 3 die Grenze.
Genaue Maßnahmen als Prophylaxe für Personen, die beruflich mit Rhus toxicodendron zu tun haben, gibt Stoneback. Als sicheres Heilmittel der Rhusdermatitis hat sich eine gesättigte Lösung von Bleiacetat in 70%igem Alkohol erwiesen.
Per os gegeben, regen kleine Dosen die Sekretion von Darm, Nieren und Haut an, während große Gaben starke Gastroenteritis und Betäubung hervorrufen. An gelähmten Stellen zeigten sich Stechen, Zuckungen und Wiederkehr der Funktion. Nach McNair ist das Vorhandensein von Albumen im Urin eine häufige Begleiterscheinung der Rhus-Vergiftungen. Eine größere Literaturzusammenstellung über Rhus toxicodendron bringt Rall. Für die Haut der Kaltblüter ist Rhus toxicodendron unschädlich.
In manchen Fällen bildet sich nach der ersten Vergiftung eine Immunität aus, die gegen weitere Berührungen mit dem Safte einen gewissen Schutz verleiht, in anderen Fällen entsteht eine Überempfindlichkeit. Ford, der nach subkutaner Einspritzung von Toxicodendrol bei Meerschweinchen und Kaninchen lokale Nekrosen an der Injektionsstelle und Nephritis festgestellt hatte, konnte durch vorsichtige Steigerung der Dosen beide Tierarten gegen die genannten Giftwirkungen schützen. Die Immunität ist wohl auf ein im Blut enthaltenes Antitoxin zurückzuführen, da das Blutserum der vorbehandelten Tiere normale schützte. Immunisierungsversuche, die von uns an 41 Mäusen durchgeführt wurden, gingen negativ aus.
Die Blätter wirken nicht bakterizid bzw. fungizid.
Aus einer verwandten Art, Rhus succedanea, konnte Terauchi eine herzwirksame Substanz isolieren, die er Rhusinsäure nannte und die in kleinen Dosen die Herztätigkeit steigert, in großen Gaben schwächt.
Über die homöopathische Wirkungsweise äußert sich Hahnemann wie folgt: „Was zwingt den Rhus toxicodendron, bei Alderson und Darwin, Lähmung der unteren Gliedmaßen mit Verstandesschwäche begleitet zu heilen, wenn es nicht die deutlich zu Tage liegende eigene Kraft dieses Strauchs thut, gänzliche Abspannung der Muskelkräfte mit einer, zu sterben befürchtenden Verstandesverwirrung für sich zu erzeugen, wie Zadig?“
Die Homöopathie der neueren Zeit bedient sich sehr häufig des Giftsumachs, und zwar wird er besonders geschätzt bei Hautkrankheiten wie Bläschenekzem, Herpes zoster und Pemphigus. Auch bei Impetigo, Pruritus senilis und Pruritus vulvae wird er angewandt, ebenso bei Erythem und Erysipel. Ein zweites wichtiges Indikationsgebiet sind rheumatische Schmerzen, und zwar sprechen hier nach Stauffer mehr die akuten und subakuten Entzündungen an Gelenken, Sehnen, Muskeln usw. an, als die inveterierten Gichtprozesse und Gelenkentzündungen. Auch bei typhösen Erkrankungen wird Rhus toxicodendron häufig angewandt und bei Zellgewebsentzündungen, wenn die betreffenden Teile gerötet und geschwollen sind.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Gegen Rheumatismus.
Steiermark: Gegen Rheumatismus.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Rhus toxicodendron wird nur in der Homöopathie angewandt und zählt hier zu den beliebtesten Mitteln. In der Hauptsache wird Rhus bei rheumatisch-neuralgischen Beschwerden und juckenden Dermatopathien gebraucht. Er gilt als eines der besten Mittel bei den chronischen Formen des Muskel- und Gelenkrheumatismus. Charakteristisch für die Wahl von Rhus ist die Verschlimmerung des rheumatischen Zustandes in der Ruhe und zu Anfang der Bewegung und die Besserung bei fortgesetzter Bewegung. Eine urindiagnostische Indikation bei Rheumatismus soll sein, wenn die beim Kochen auftretende Trübung sich durch Essigsäurezusatz vollkommen ohne Schaumbildung löst. Zu Anfang der Behandlung mit Rhus treten oft Erstverschlimmerungen auf.
Als sogenannte „Pferdekur“ bei Rheumatismus mit Lahmheitsgefühl können auch Einreibungen der erkrankten Stellen mit frischen Blättern angewandt werden. Es entsteht ein schmerzhaftes Ödem mit oder ohne Exanthemerscheinungen, das nach 6-8 Tagen verschwindet. Verfasser beobachtete eine Dauerheilung eines seit drei Jahren bestehenden Rheumatismus.
Sehr gute Erfolge sind weiter bei Arthritis urica, Lumbago und Neuralgien, insbesondere Ischias, erzielt worden.
Bei Verrenkungen, Verheben und Sehnenscheidenentzündung durch Überanstrengung wird man häufig schöne Resultate mit der Verordnung des Giftsumachs sehen können. Auch Lähmungen und Lahmheitsgefühl sind eine alte und bewährte Indikation. Das zweite wichtige Angriffsgebiet für Rhus ist, wie schon erwähnt wurde, die Haut, und zwar sind es hier hauptsächlich juckendemit Blasenausschlag verbundene Erkrankungen, bei denen sich eine Besserung resp. Heilung durch die Anwendung erwarten läßt. Man gibt Rhus tox. bei: Herpes zoster (die innerliche Verabreichung von Rhus wird hier gut durch äußerliche Einpinselungen mit Echinacea Ø unterstützt), Erysipel, Pemphigus, Dermatitis bullosa, Pruritus, Herpes genitalis, Urtikaria, Ekzemen und Crusta lactea. Erwähnt wird das Mittel auch bei Panaritien.
Von Augenentzündungen ist es besonders die mit Bläschenausschlag verbundene Konjunktivitis, die gut auf Rhus anspricht.
Nicht ganz so häufig wird Rhus bei Infektionskrankheiten (Scharlach, Typhus, Malaria, Parotitis epidemica, Windpocken), bei ruhrartigen Diarrhöen mit Blut, Gastritis, Nasenbluten und als gutes „Unruhemittel“ insbesondere bei Verfolgungswahn genannt. Bei zentraler Pneumonie, wenn diese mit stinkenden Durchfällen (was jedoch nicht zu einer Fehldiagnose auf Gastroenteritis verleiten dürfte) verbunden ist, wendet Pöller, Gevelsberg, das Mittel gern an. Mit der Verabreichung von Rhus tox. D 4, zweimal 5 Tropfen, gelang es ihm, etwa 6 Fälle zu heilen. Pahnke, Berlin, lobt Rhus auch bei Zahnpocken und übermäßiger Empfindlichkeit gegen Bananen- und Erdbeergenuß, Milch- und Eierüberfütterung.
Interesse verdient schließlich die Mitteilung, daß mit Rhus toxicodendron an der Ostseeküste keine Wirkung zu erzielen war, während die Heilerfolge im Binnenlande als gut bezeichnet wurden. Als Wechselmittel werden Colocynthis und Arnica genannt. Bryonia dürfte mehr im fieberhaften Stadium des Rheumatismus verordnet werden, nach dessen Ablauf dann die Behandlung mit Rhus tox. einsetzt.
Bei Hautkrankheiten kann die Wirkung von Rhus tox. erfolgreich durch ein Teegemisch mit Sarsaparilla, Cichorium, Sassafras, Bardana, Arnica und Guajacum unterstützt werden.
Angewandter Pflanzenteil:
Es werden die Blätter verwendet, wie alle Autoren übereinstimmend erwähnen: Clarus, Zörnig, Dragendorff, Thoms, Stauffer, Hager und HAB. (§ 2).
Das „Teep“ wird ebenfalls aus den frischen Blättern gewonnen.
Folia Toxicodendri sind offizinell in Portugal, Mexiko und Venezuela.
Dosierung:
Übliche Dosis in der Homöopathie:
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 0,1% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,00025 g Fol. Rhois tox.)
dil. D 4-6.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.