Schlehe, Rosaceae.
Name:
Prúnus spinósa L. (= Druparia spinosa Clairv.). Schlehdorn, Schlehenstrauch, Schwarzdorn (die Frucht: Schlehe). Französisch: Prunellier, épine noire, buisson noir (die Frucht: Prunelle, belosse, beloche, senelle); englisch: Sloe, blackthorn, bullace; italienisch: Pruno, prognolo, pruno selvatico, spin; dänisch: Slaaentorn; norwegisch: Slåpetorn; polnisch: Tarnina; russisch: Tiernownik; schwedisch: Slån; tschechisch: Trnka; ungarisch: Kökény.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Astrachan, Persien, Kaukasusländer in Nordamerika verwildert.
Namensursprung:
Erklärung zu Prunus siehe Prunus padus; spinosa = dornig, stachelig. Der deutsche Name Schlehe (althochdeutsch slêha, mittelhochdeutsch slêhe) ist eine gemein-germanische Bezeichnung und ist nach H. Marzell vermutlich mit dem altbulgarischen sliva und dem lateinischen lividus = bläulich wurzelverwandt, so daß sich für Schlehe dann die Deutung die „blaue“ (Frucht) ergeben würde.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Niederdeutsche Formen sind z. B. Sliën, Slüenken, Slêne, Slênerte, mitteldeutsche Schlije, Schliche (Oberhessen), oberdeutsche Schlaîa (Schwäbische Alb), Schlechberi, Schliecheberi (Schweiz). Ebenso gehören hierher Schling(e) (z. B. Oberhessen, Rheinland, Egerland), Schlinne, Schlingenstrauch (Nordböhmen), Schlingeheck (Rheinland). Nach den bedornten Zweigen heißt der Strauch ferner Schwarzdorn, im Gegensatz zu Weißdorn = Crataegus oxyacantha (auch mundartlich), Dornschlea, Schlehdorn (bayrisch-österreichisch), Hageldorn (St. Gallen), Hekadorn (Wetterau).
Botanisches:
Schlehdorn bildet meist 1-3 m hohe Büsche von sperrigem Wuchs. In der Jugend sind die Zweige samtartig behaart. Sie tragen zahlreiche Seitenzweige, die fast rechtwinklig abstehen und in einen spitzen Dorn endigen. Die Farbe der Rinde ist schwarz-braun. Die etwa 4 cm langen Blätter sind gestielt, elliptisch oder länglich-elliptisch, gesägt und unterseits spärlich behaart, später kahl. Die weißen Blüten erscheinen kurz vor den Blättern und stehen gewöhnlich so dicht, daß kaum die dornenbewehrten Zweige zu sehen sind. Der glockige Kelch hat längliche Zipfel. Die fünf Kronenblätter sind doppelt so lang als die Kelchzipfel. Die Frucht ist eine aufrechte, etwa 10 mm dicke, dunkelblaue, stark bereifte Steinfrucht von kugelig-ellipsoidischer Form, die erst nach mehrmaligem Durchfrieren ihren herben, zusammenziehenden Geschmack verliert. In Hecken, auf Hügeln, an Waldrändern (wo sie gern zur Befestigung rutschender Lehmhänge angebaut wird), besonders auf kalkhaltigem Boden ist die Schlehe häufig und tritt meist gesellig auf. Blütezeit: April bis Mai, Fruchtreife: September bis Oktober.
Geschichtliches und Allgemeines:
Der Schlehdorn, der durch das ganze südliche Europa verbreitet ist, war ohne Zweifel den alten griechischen und römischen Ärzten bekannt, jedoch wurde er nicht von anderen Arten scharf unterschieden, wie ihm denn überhaupt keine größere Aufmerksamkeit gezollt wurde. Asclepiades und Andromachus rühmten ein Roob (eingedickter Fruchtsaft) aus den Früchten der Schlehe oder Wilden Pflaume gegen Ruhr. Die medizinische Verwendung der Schlehenblüten war auch Theophrast, Dioskurides, Plinius, Galenus u. a. bekannt, ebenso wird die Wurzel zuweilen als Heilmittel angeführt. Für den Gebrauch der Schlehenfrüchte als Nahrungsmittel in vorgeschichtlichen Zeiten spricht die Tatsache der Schlehenfunde in neolithischen Pfahlbauten.
Im Mittelalter wird der Schlehdorn wenig genannt, während die Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts viel Rühmliches unter dem Namen Prunus silvestris von ihm zu berichten wissen. Da die alten deutschen Ärzte die Schlehe für die Acacia der Griechen und Römer hielten, wurden die getrockneten Schlehenblüten irrtümlicherweise Flores Acaciae genannt, eine Bezeichnung, die heute noch üblich ist. Gebraucht wurden die Wurzel, die innere gelbe Rinde, die Blumen und die Früchte. Die adstringierende Rinde wurde auch gegen das Wechselfieber angewandt. Der Saft der unreifen Früchte wurde früher als Schlehenmus eingedickt aufbewahrt.
In der heutigen Volksmedizin ist die Schlehe noch immer ein vielgebrauchtes Mittel. Sehr häufig findet sich die Verwendung gegen Gelbsucht, so z. B. in Tirol und Bosnien; in Tirol bindet man sich zu diesem Zwecke eine Schlehe an die linke Brust. Ein Sympathiemittel, das sich mit kleinen Abänderungen in sehr verschiedenen Gegenden findet, sagt, daß drei Blütenstengel vom Schlehenstrauch, je dreimal hintereinander gegessen, vor Fieber und Gicht schützen sollen. Gedörrte Früchte werden in Österreich als Hausmittel aufbewahrt. Der als Purgans und Diuretikum gebrauchte Schlehenwein wird aus Schlehen, Branntwein, Zucker, Rosinen und Gewürznelken hergestellt. Die Laubblätter werden als Tabak und Teesurrogat für Schwarztee sowie als Blutreinigungstee verwendet.
Auch als zauberwehrendes Mittel sowie zur Vorhersage der Gestaltung der Ernte und des Wetters wird der Strauch benutzt. In der Haupttrudennacht (St. Ottilie) legte man früher Schlehdornzweige in die Räucherpfanne, ebenso wurden sie in der Walpurgisnacht zusammen mit Wacholder und Rauten zur Räucherung verwendet.
Wirkung
Schlehe wurde schon von Paracelsus gebraucht.
Die adstringierende, stopfende Eigenschaft der Schlehenfrucht wird von Bock und Matthiolus bei Ruhr und Bauchflüssen gerühmt.
Der Blüte wird eine Heilwirkung bei Seitenstechen, Herz- und Magendrücken, Steinleiden sowie milde purgative Wirkung zugesprochen. Zur lokalen Anwendung empfiehlt Matthiolus den Beerensaft bei Zahn- und Halsgeschwüren, Uterus- und Rektum-Prolaps, Augenentzündungen und Ulzerationen, wie auch zur Beseitigung überschüssigen Haarwuchses.
Osiander nennt die Schlehenblüte ein leicht abführendes und alle Exkretionen anregendes Volksmittel.
Barton und Castle kennen die laxierenden, anthelmintischen und antinephritischen Eigenschaften der Blüten, die äußerlich angewendet auch gegen Skabies nützlich sein sollen. Ferner erwähnen sie den Gebrauch der Wurzelrinde gegen Asthma.
Schulz weist auf die Anwendung als blutreinigender Tee und als Mittel gegen Leiden der Respirations-, Verdauungs- und Harnwege hin.
Kneipp schreibt: „Die Schlehdornblüten sind das schuldloseste Abführmittel und sollten in jeder Hausapotheke zu finden sein.“
In der Homöopathie wird Prunus spinosa gegen Ziliarneuralgie, Ödeme und Aszites durch Kardiopathien, Unterleibsplethora mit Hämorrhoiden und Obstipation, Menorhagie, Leukorrhöe, Harnsäure-Diathese und Rheuma angewendet.
Als Bestandteile der Blüten werden angegeben: Amygdalin (?), etwas NH3 und vielleicht ein Amin, Amygdalin- und Nitril-spaltende Enzyme. Die Früchte enthalten gärfähigen Zucker, Äpfelsäure, Pectin, eisengrün. Gerbstoff, roten Farbstoff, Harz, ferner eine fluoreszierende Substanz (Aesculin?); die Samen ca. 2,7-2,9% Amygdalin.
Die Schlehenfrüchte eignen sich nach K. Feist vortrefflich als Geschmackskorrigens für die Jodkaliummixturen. Der widerliche Geschmack läßt sich durch einen Sirup aus Schlehenfrüchten in überraschender Weise verbessern.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Polen: Als Blutreinigungsmittel.
Dänemark: Als Abführmittel.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Flores Pruni spinosae werden überall da verordnet, wo eine Steigerung der Diurese, Anregung des Stoffwechsels und Blutreinigung nötig erscheint. Sie sind ein gutes, mildes Abführmittel, das auch besonders für Kinder geeignet ist. Man gibt sie bei Verstopfung mit Magen- und Blähungsbeschwerden, Übelkeit und Brustbeklemmung.
Weiter gelten sie als Blutreinigungsmittel, das bei leichteren Stauungen und Störungen zur Anregung des Stoffwechsels gegeben wird. Die Beeren wirken leicht stopfend, wenn sie in größeren Mengen genommen werden. Von verschiedener Seite wird die Schlehdornblüte auch als Herztonikum gelobt (nach Ensinger, Haltingen, der sich auch auf die Erfahrungen von Scheidegger, Basel, – Anwendung: Ø-D 3 – beruft, konkurriert sie hier sogar mit Crataegus), ebenso bei Insuffizienz und Neurosen. Im Rheinland gibt man den Blütentee bei Prostatahypertrophie.
Angewandter Pflanzenteil:
Paracelsus spricht nur von „Schlehen“.
Bock kennt die Wirkung der Blüten und der Beeren, Matthiolus die von Rinde, Wurzel, Beeren und Blüten.
Osiander weiß von der Verwendung der Wurzelrinde und des Schlehensaftes, besonders aber von der der Blüten zu berichten.
Dragendorff bezeichnet Blüten, Wurzeln und Rinde als verwendet und Thoms Folia, Flores und Fructus.
Nach Schulz werden die Blüten allein oder im Gemisch mit Blättern gebraucht.
Zörnig und Hager führen die Blüten als Flores Acaciae oder Fl. Acaciae nostratis an.
Stauffer, Heinigke und das HAB. nennen die frischen, im Aufblühen begriffenen Blüten zur Herstellung der Essenz (§ 3). Dieses Ausgangsmaterial wird auch zur Gewinnung des „Teep“ verwendet.
Sammelzeit: März bis April.
Dosierung:
Übliche Dosis:
2 Teelöffel voll (= 2 g) der Blüten zum kalten Auszug oder heißen Infus als Tagesgabe.
2 Tabletten der Frischpflanzenverreibung „Teep“ zwei- bis dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Flor. Pruni spinosae.)
In der Homöopathie:
Ø-dil. D 2.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Als Abführmittel und Blutreinigungsmittel:
Rp.:
Flor. Pruni spinosae 30 (Man kann auch Flor. Acaciae schreiben) (= Schlehenblüten)
D.s.: 2 Teelöffel voll mit 1 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken.
Preis nach Arzneitaxe 10 g -.10 RM.
Bei Blasen- und Nierenleiden (nach M. Müller):
Rp.:
Flor. Pruni spinosae 10 (= Schlehenblüten)
Hb. Equiseti (= Schachtelhalmkraut)
Fol. Rosmarini (= Rosmarinblätter)
Fruct. Petroselini aa 20 (= Petersiliensamen)
M.f. species.
D.s.: 3 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa -.67 RM.
Zur Blutreinigung (nach P. Flämig):
Rp.:
Flor. Pruni spinosae 20 (= Schlehenblüten)
Fruct. Phellandrii aquatici (= Wasserfenchelsamen)
Rad. Gentianae (= Enzianwurzel)
Fol. Salviae (= Salbeiblätter)
Rad. Agropyri aa 10 (= Queckenwurzel)
Rad. Urticae ur. 20 (= Wurzel der Kleinen Brennessel)
M.f. species.
D.s.: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.07 RM.
Zur Steigerung der Diurese (nach Kroeber):
Rp.:
Fruct. Phaseoli sin. sem. (= Bohnenschalen)
Fol. Myrtilli (= Heidelbeerblätter)
Hb. Millefolii (= Schafgarbenkraut)
Flor. Pruni spinosae aa 15 (= Schlehenblüten)
Hb. Hyperici (= Johanniskraut)
Hb. Equiseti aa 20 (= Schachtelhalmkraut)
M.f. species.
D.s.: Zur Abkochung 1 Eßlöffel auf 1 Tasse Wasser. Abends 6 Uhr 1 Tasse warm trinken.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 3 Teelöffel voll auf 1 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.