Gemeiner Pastinak, Umbelliferae.
Name:
Pastináca satíva L. (= Peucedanum sativum S. Watson 1871, Bentham et Hooker ex Ind. Kew. 1894, = Selinum pastinaca Crantz umbell., = Anethum pastinaca Wibel, = Peucedanum pastinaca Baillon 1880, Beck 1892, = Selinum pastinaca off. Crantz Stirp. Aust.). Gemeiner Pastinak, Hammelmöhre, Hirschmöhre, Welscher Petersil. Französisch: Panais, pastenade, pastenaque, patenais, racineblanche, grand chervi; englisch: (Common, wild) Parsnip, madnep, Queen-weed, bird’s nest, hart’s eye, tank, kegge; italienisch: Pastinaca, pastricciani, elafobosco; litauisch: Pastarnokas.
Verbreitungsgebiet
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Namensursprung:
Pastinaca unsicher, vielleicht von pastinum = Hacke, Hackboden (wegen des Anbaus der Pflanze als Wurzelgemüse) oder von pastus = Futter, Weide, (wegen der eßbaren Wurzel) oder von πς (pas) = alles und χος (akos) = Heilmittel. Sativus = angebaut. Der deutsche Name ist aus dem Lateinischen entlehnt.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Der Name wird mundartlich sehr stark verändert, z. B. Balsternaken, Pilsternak (Ostfriesland), Pastenei (Basel). Auf Vergleichung der Pflanze mit anderen Doldenblütlern beruhen Bezeichnungen wie: Roßkemmich (Schwäbische Alb), rauher Giersch, Klingelmöhre (Westfalen), Krützelmöhre (Hessen).
Botanisches:
Die Pflanze ist zweijährig und wird 30-100 cm hoch. Die weißliche, spindelförmige Wurzel hat Möhrengeruch und trägt meist nur einen Stengel. Dieser ist aufrecht, kantig-gefurcht und ästig. Die oberen Äste sind gegenständig oder quirlig. Die oberseits glänzenden, unterseits mattgrünen Blätter sind meist einfach fiederschnittig. Die mäßig großen bis ziemlich kleinen Dolden tragen fünf bis fünfzehn Strahlen. Hülle und Hüllchen fehlen oder bestehen nur- aus ein bis zwei hinfälligen Blättchen. Die Blüten sind goldgelb und haben gleichgroße Kronenblätter. Die Frucht ist breitelliptisch und stark linsenförmig zusammengedrückt, etwa 5-7 mm lang und 4-5 1/2 mm breit, gelbbräunlich. Blütezeit: Juli bis August. Die Pflanze ist in fast ganz Europa verbreitet, ebenso im Kaukasus und im Uralischen und Altaischen Sibirien. Anderwärts ist sie vielfach angepflanzt. Sie kommt in trocknen bis mäßig feuchten Wiesen vor, an Wegrändern, an Landstraßen, auf unbebauten, steinigen Orten usw. über die Unterschiede der Pflanze gegenüber giftigen Doldenblütlern vgl. das Kapitel Conium S. 1075.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die dickwurzlige Form des Pastinak war schon im Altertum bekannt, freilich läßt sich vielfach nur vermuten, daß es sich bei den von den alten Schriftstellern erwähnten Pflanzen um unsere Form handelt. In dem von Karl dem Großen 795 erlassenen „Capitulare de villis“ wird sie aufgeführt. Auch der Entwurf des Klostergartens von St. Gallen aus dem Jahre 820 nennt sie, und die mittelalterlichen Kräuterbücher führen sie ebenfalls an. Als Wurzelgemüse und Futterpflanze wurde Pastinaca bis ins 18. Jahrhundert in den Gärten angepflanzt, bis sie dann durch Möhre und Kartoffel verdrängt wurde. Die Wurzeln der Wildform müssen erst mit Salzwasser gut abgekocht werden, wenn sie ihre Schärfe verlieren sollen. Die wilde Pflanze wird vom Vieh wenig gefressen.
Wirkung
Ob der von Hippokrates zum Inhalieren bei Lungenentzündung angegebene Wassermerksaft (Sion) wirklich vom Pastinak stammt, sei dahingestellt.
Paracelsus schätzt die Pastinakwurzel höchstens als Nahrungsmittel ein.
Die im Hortus Sanitatis dargestellte Pastinaca domestica kann unsere Art nicht sein. Es ist wohl Daucus carota.
Bock bezeichnet die Pflanze als Pestnachen und schätzt sie nur als Fastenspeise. Er führt aber an: „Dioskurides schreibt / wann die Hirtzen von Schlangen und anderen gifftigen Würmern gebissen und gestochen werden / thun sie mit disem gewächß dem empfangenem gift widerstandt / umb des willen würt der samen von Pestnachen zu den wunde der vergiffteten thieren / nützlich in ein gesotten getrunken.“
Matthiolus ist der Meinung, daß die wilde Form wirksamer sei als die angebaute. Die gesottenen Samen, getrunken und intravaginal angewendet, wirken als Emmenagogum. Auch harntreibend und als Geburtsmittel wirken sie, sind gut gegen Wassersucht und machen immun gegen die Bisse giftiger Tiere. Der Tee aus der Wurzel wirkt ebenfalls diuretisch und als Aphrodisiakum. Die Wurzel wirkt bei intra-uterinärem Gebrauch abortiv. Überhaupt ist die Pflanze ein gutes Frauenmittel. Sie wird auch gegen Leber- und Milzleiden gebraucht, ist appetitanregend und hilft äußerlich angewendet gegen fressende Schäden.
Nach Geiger werden die Wurzeln des zahmen Pastinak als diätetisches Mittel Schwindsüchtigen verordnet. Wurzel und Samen mit Wein aufgegossen, sind ein Mittel gegen Wechselfieber.
Osiander führt Pastinak unter den antiskorbutischen Mitteln auf.
Dragendorff gibt als Indikationen an: Phthisis, Lithiasis, Fieber u. a. Mertes kennt nur eine harntreibende Wirkung des Pastinak.
Gegen Schwindsucht, Steinleiden und Fieber sowie als Diuretikum führt auch Dinand die Pflanze an.
F. Müller schreibt, daß der Pastinak, mit Milch gekocht, heilsam gegen Schwindsucht sei, und daß die Samen harntreibend wirken.
Pater weiß von der Wirkung eines Heiltees zu berichten, der nach seinen Untersuchungen aus Pastinak bestand und der als Mittel gegen schwere Nieren- und Magenleiden angepriesen wurde. Er empfiehlt die Pflanze zu weiteren Untersuchungen.
Wie Kroeber schreibt, ist Pastinak heute als Volksheilmittel wegen seiner harntreibenden und schmerzstillenden Wirkung und gegen Steinleiden, Geschwüre der Blase, Magenleiden, Wechselfieber im Gebrauch.
In einem Aufsatz der Homöopathischen Monatsblätter wird der Pastinak als vernachlässigte Heilpflanze dargestellt und ihm auch als Nahrungsmittel ein hohes Lob gespendet. Es heißt dort weiter, daß bei Gicht, Steinleiden und fieberhafter Tuberkulose der Pastinak von guter Wirkung zu sein scheine, und daß er sich vor allem als stark harntreibend erwiesen habe.
Heye beobachtete etwa fünfzigmal unangenehme Dermatitiden, die nach dem Ausziehen von Pastinakpflanzen aufgetreten waren. Offenbar bestand die Überempfindlichkeit nur gegen den Saft der Pflanze.
Hirschberger berichtet, daß zehn Soldaten eines Tages an Ausschlägen der Unterarme erkrankten. Der Ausschlag bestand in längs, quer und schräg verlaufenden, streifenförmigen, auch rundlichen und büschelförmigen Erythemflecken, auf denen teils einzelne, nebeneinander gereihte, teils zusammenfließende Blasen mit klarem, serösem Inhalt standen. Die Blasen zeigten eine gerötete Randzone. Nach acht Tagen waren die Erscheinungen wieder abgeklungen. Es stellte sich heraus, daß die Soldaten mit Pionierarbeiten beschäftigt gewesen waren und bei strahlender Sonne mit hochgekrempelten Hemdsärmeln die Tarnung von Erdarbeiten mit Pastinakpflanzen vorgenommen hatten. Die Entstehung der Dermatitis konnte einwandfrei auf die Berührung der Haut mit den Pastinakpflanzen zurückgeführt werden. Hirschberger beschäftigte sich nun eingehend mit der Ursache und den Voraussetzungen der Entstehung einer solchen Wiesendermatitis durch Pastinak. In Selbstversuchen kam er zu dem Ergebnis, daß zum Zustandekommen einer solchen Dermatitis das Berühren der Pastinakpflanzen mit feuchter Haut (gleichgültig, ob feucht durch Schweiß, Baden, Tau usw.) und nachfolgende Sonnenbestrahlung unerläßlich seien. Die Prüfung der Frage, welche Teile des Pastinaks am meisten hautschädigend wirken, führte zu keinem einwandfreien Ergebnis, da alle Teile der Pflanze positiv reagierten. Auch wäßrige, alkoholische und ätherische Extrakte riefen unter den gleichen Bedingungen eine Dermatitis hervor, auch konnte die natürliche Sonnenbestrahlung durch künstliche Höhensonne ersetzt werden. Bei dem Erreger der Dermatitis muß es sich also um einen lichtsensibilisierenden (photodynamischen) Stoff oder als Lichtkatalysator wirkenden Stoff handeln. Hirschberger spricht die Vermutung aus, daß dieser Stoff durch Absorption bestimmter Wellenlängen oder durch Umformung der absorbierten Strahlen in solche bestimmter Wellenlängen am Ort der Absorption besonders langsam diffusible, dafür aber auch stärker toxisch wirkende H-Substanzen erzeugt. Da in allen Pflanzen, die eine Wiesendermatitis hervorrufen, wie Pastinak, Vogelknöterich, Schierling, Bärenklau und Löwenzahn, nur mit Ausnahme der Schafgarbe, Flavone nachgewiesen worden sind, und diese und ihre Oxydationsstufen unter bestimmten Voraussetzungen bzw. in bestimmten Lösungsmitteln fluoreszierende Farbstoffe sind, so ist nach Hirschberger die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß diese Flavone die gemeinsame Ursache der Wiesendermatitis sein könnten. Weiter äußert sich Hirschberger dahin, daß vielleicht auch die ätherischen Öle der genannten Pflanzen als Erreger der Dermatitis in Frage kommen.
In den Früchten wurden bis zu 3,6% ätherisches Öl gefunden. Die Wurzeln enthalten u. a. neben wenig ätherischem Öl viel fettes Öl, Saccharose und Glykose.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Litauen: Das Infus der Wurzel wird gegen Atembeschwerden und zur Blutreinigung getrunken.
Angewandter Pflanzenteil:
Von einer Reihe von Autoren wird nur die Wurzel als verwendeter Pflanzenteil gemeldet, so von Paracelsus, Osiander, Clarke und Dragendorff.
Andere erwähnen Wurzel und Samen, z. B. Mertes, Dinand, F. Müller und Kroeber.
Das HAB. gibt zur Bereitung der Essenz die frische, zweijährige Wurzel der angebauten Pflanze an (§ 3). Zur Herstellung des „Teep“ wird die frische Wurzel der wildwachsenden Form benutzt.
Dosierung:
Übliche Dosis:
Dreimal täglich 1 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Bei Nieren- und Magenleiden (nach Pater):
Rezept:
Rp.:
Hb. Pastinacae 250 (= Pastinakkraut)
D.s.: 1 Handvoll mit 1 Liter Wasser 10 Minuten lang kochen. In den ersten acht Tagen täglich dreimal 1 Weinglas von diesem Tee, in der zweiten Woche dreimal 1 Wasserglas voll. Das tägliche Teequantum kann bis zu 2 Liter gesteigert werden. Die Kur dauert 4-6 Wochen.
________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.