Myrrhe, von verschiedenen Commiphora-(Balsamodendron-)Arten, Burseraceae.
Name:
Balsamodéndron mýrrha Nees v. Esenb. (= Balsamea myrrha Engl. = Commiphora myrrha Engl.), Myrrha, Myrrhe. Französisch: Myrrhe; englisch: Myrrh.
Verbreitungsgebiet
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Namensursprung:
Ihren Namen hat die Droge von dem arabischen mur = bitter. Der alte ägyptische Name Bola oder Bal und der Sanskritname Vola sind heute noch in den für die Droge bekannten persischen und indischen Bezeichnungen Bol, Bola und Heera-bol erhalten.
Botanisches:
Balsamodendron myrrha ist ein Strauch oder kleiner Baum von etwa 3 m Höhe, der unserem Schwarzdorn im Wuchse ähnlich ist. Der Stamm ist ziemlich dick und trägt zahlreiche knorrige und sparrige Äste mit spitzen Dornen. Die Blätter stehen zerstreut oder büschelig. Sie sind meist dreizählig, aber auch einfach, kurz gestielt, eiförmig-länglich oder verkehrt-lanzettlich, ganzrandig, nur an den Spitzen gezähnt. Das mittelste der drei Blättchen ist viermal länger als die seitlichen. Die Frucht ist etwa 7 mm lang, eiförmig, zugespitzt, glatt und braun. Der Strauch ist an der Westküste Arabiens beheimatet, ebenso im Somalilande und bevorzugt Höhenlagen von 500-1500 m.
Balsamodendron ehrenbergianum Berg (B. meccaensis Gled.), das in den Küstenländern des Roten Meeres vorkommt und ein dornenloser kleiner Baum oder Strauch ist, wurde früher für die Stammpflanze der Myrrha gehalten. Die Pflanze lieferte den im Altertum berühmten Balsam von Judaea und Mekka. Als Stammpflanze der arabischen Myrrhe wird die Commiphora abyssinica angegeben. Sie ist ein bis 10 m hohes, im südlichen Arabien und Abessinien heimisches Bäumchen mit dornenreichen Ästen, das nur an den sprossenden Trieben dreizählige Blätter besitzt, während die übrigen bis auf das Endblättchen reduziert sind. Die Somali-Myrrhe stammt von der Commiphora mukul Engl. Dieses bis 3 m hohe Bäumchen mit dreizähligen Blättern ist in Arabien und Afrika heimisch. Die Droge stellt das Gummiharz von den oben genannten Bäumen dar, das als halbflüssige Masse von selbst aus dem Stamm ausschwitzt. Das Ausschwitzen wird jedoch vielfach durch künstliche Einschnitte beschleunigt. Die milchig-trübe, gelbe Masse trocknet an der Luft rasch und bildet dann Körner oder löcherige Klumpen von aromatischem Geruch und bitterem, anhaltend kratzendem Geschmack.
Geschichtliches und Allgemeines:
Myrrhe und Weihrauch haben schon im frühesten Altertum in dem Religionskultus verschiedener Völker als vornehme Spezerei und Räucherwerk Verwendung gefunden und werden daher fast immer zusammen erwähnt. Beide Harze wurden bei Rauchopfern, Balsamierungen und Salbungen benützt und werden häufig in den Sanskritschriften, in der Bibel (z. B. Hohelied 5, 5: meine Hände träufelten von Myrrhe und meine Finger bedeckten feinste Myrrhe …), im Koran und in vielen Werken griechischer, römischer und arabischer Schriftsteller genannt. In den altägyptischen Tempelrezepten wird die Myrrhe unter dem Namen ānti šu aufgeführt. Aber auch ihre heilenden Kräfte fanden frühzeitig Verwertung. Mit Myrrhe heilten die Krieger des Xerxes die Wunden des Pythius, die er in einem Seetreffen erhielt. Dioskurides, der eine ganze Reihe von verschiedenen Myrrhensorten aufzählt, schreibt ihnen erwärmende, betäubende, austrocknende und adstringierende Kräfte zu. Cornelius Celsus berichtet von einer schwarzen Myrrhe, die gegen Augenkrankheiten benutzt wurde. Unter den verschiedenen Arten wurde die freiwillig ausfließende Myrrhe (myrrha stillaticia) von den Alten stets als die beste bezeichnet.
Auch im Mittelalter hatte die Droge auf dem Gebiete der Arzneikunde, der Kosmetik und Parfümerie erhebliche Bedeutung. Wir finden sie schon in dem berühmten englischen Rezeptbuch des 13. Jahrhunderts „Physicians of Myddfai“. Im 16. Jahrhundert war das destillierte Myrrhenöl Valerius Cordus und Conrad Gesner wohlbekannt und wurde 1589 ins Dispensatorium Noricum aufgenommen. Gold, Silber, Edelsteine, Kampfer, Myrrhe und verschiedene Spezereien wurden unter den Geschenken aufgezählt, die der Khan von Cathay dem Papste Benedikt XII. 1342 nach Avignon sandte, und in den Ausgabeverzeichnissen für die Garderobeartikel der englischen und französischen Könige des Mittelalters findet sich öfters die Myrrhe. Veröffentlichungen über die Gewinnung und Ausbeutung von Myrrhenöl haben im 18. Jahrhundert Fr. Hoffmann, C. Neumann, Thielebein u. a. gemacht.
Myrrhe wird auch heute noch von der europäischen kosmetischen und pharmazeutischen Industrie in beachtlichen Mengen verbraucht. Der von Italien bevorzugte Umschlagshafen für den Handel mit Myrrhe ist Triest.
Wirkung
Myrrha ist eins der ältesten Heilmittel, das schon bei Hippokrates sehr oft als Adstringens, Exsikkans usw. Verwendung fand.
Auch die hl. Hildegard kannte es, und Paracelsus machte häufig Gebrauch davon.
Lonicerus schätzt Myrrha namentlich gegen „gebrechen, so von bösen, faulen humoribus herkommen“, wie veraltete Fälle von Husten, Brust- und Seitenweh, Bauchflüsse und Rote Ruhr, Schnupfen, Flechten. Das Zahnfleisch und die lockeren Zähne werden durch Myrrha gestärkt und die Verdauung befördert; äußerlich wendet er sie an zu Räucherungen gegen Unfruchtbarkeit.
Matthiolus erweitert die Reihe der Indikationen noch, indem er Myrrha gegen Wassersucht, Würmer, Febris quartana, als Wundheilmittel, Emmenagogum und Antiseptikum und als wichtiges Mittel der Kosmetik, gegen Pusteln, Runzeln und Haarausfall rühmt.
Nach Friedrich leistete sie ausgezeichnete Dienste bei Verschleimungen der verschiedensten Organe wie der des Magens, Darms, der Lunge, des Uterus und der Harnblase. Besonders sei die Anwendung bei asthenischen Patienten von „phlegmatischer, gedunsener, reizloser Natur“ zu empfehlen. Größere Gaben bewirken Magen- und Darmreizungen und Uterusblutungen. Äußerlich wurde das Mittel bei brandigen, faulen Halsgeschwüren, faulen Zähnen und leicht blutendem, schwammigem Zahnfleisch angewandt.
Im Arzneischatz Hufelands spielte sie ebenfalls eine große Rolle als Antiseptikum, Adstringens und Tonikum (sein Mitarbeiter, Garnisonmedikus Michaelis, verordnete sie z. B. innerlich gegen Mundfäule). In der chinesischen Medizin wird Myrrha sinensis gegen Eiterungen von Knochen und Knochenmark angewendet.
Ihr Hauptanwendungsgebiet sind auch heute noch schlecht heilende Zahngeschwüre, Aphthen und Angina, daneben Bronchialkatarrhe mit reichlichem Sekret. Die Grundlage der letzteren Anwendung scheint eine Sekretionseinschränkung zu sein.
Nach Wasicky ist die lokale Wirkung nicht adstringierend, sondern infolge des Gehaltes an ätherischem Öl mehr desinfizierend und reizend. Nach Wehmer besteht Myrrha zu 40-60% aus Gummi, zu 27-50% aus Harz, ferner enthält sie Bitterstoffe und 2,5-10% äther. Öl. Das Harz ist nach älteren Angaben das Gemenge eines indifferenten Weichharzes, des Myrrhins und zweier Harzsäuren.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Myrrha wirkt (lokal angewandt) sehr gut bei allen entzündlichen Erkrankungen im Bereich der Mundhöhle wie Stomatitis, Stomakace, Gingivitis, Skorbut und Pharyngitis.
Auch bei Fluor albus, Adnexitis und Salpingitis werden Spülungen (nach Türk, Mannheim, Gummi Myrrhae mit Gummi Galbani und Olibani) damit gemacht. Ebenso beeinflußt sie günstig die Wundheilung; so heilte nach Pressel, Bayreuth, eine mit Myrrhentinktur behandelte Schürfung im Drittel der Zeit wie eine unbehandelte. Bei Erysipel wird das Einreiben mit der Salbe empfohlen.
Innerlich wird das Mittel bei Verschleimungen der Verdauungs- und Respirationsorgane (so z. B. Bronchitis mit übermäßiger Schleimsekretion), wie überhaupt allen Schleimhautkrankheiten, gern gegeben, weiter wird es bei Hämorrhoiden und Leberschwellung genannt.
Bei Arteriosklerose lobt F. H. W. Schmidt Myrrha im Wechsel mit Aurum und Arnica, und W. Baumann gibt Myrrha D 1-3 bei Amenorrhöe.
Angewandter Pflanzenteil:
Von jeher ist das Harz verwendet worden. Aus diesem wird auch das „Teep“ bereitet. HAB.: Harz (§ 4).
Dosierung:
Übliche Dosis:
0,3-0,9 g (Brit. Pharm. Codex);
0,3-1,5 g in Pillen oder als Pulver (Hager);
6-10 Tropfen der Tinktur mehrmals täglich (Dinand).
1 Tablette der Pflanzenverreibung „Teep“ drei- bis viermal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Myrrhae.)
In der Homöopathie:
dil. D 1-3.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt, doch sollen Gaben von 2-4 g nicht unbedenklich sein (Hager).
Rezepte:
Bei empfindlichen Schleimhautaffektionen (Nat. Form.):
Rp.:
Myrrhae Galbani aa 8,77
Asae foetidae 2,93
Sirupi q. s. F. pilul. Nr. 90
D.s.: Dreistündlich 1 Pille zu nehmen.
Rezepturpreis ad scat. etwa 1.99 RM.
Gegen Schwindsucht (nach Hoffmann):
Rp.:
Myrrhae pulv. subt. 10
Sacchari albi 50
M.d.s.: Viermal täglich 1 Teelöffel voll zu nehmen.
Rezepturpreis ad scat. etwa 1.28 RM.
Gegen Verschleimungen der Atmungsorgane (nach Hecker):
Rp.:
Myrrhae 3,75
Gummi arabici 1,8
Aquae Hyssopi 120
Sirupi Ammon. 30
M.d.s.: Dreistündlich 1 Eßlöffel voll zu nehmen.
Rezepturpreis etwa 1.62 RM.
Zur Förderung der Verdauung:
Rp.:
Myrrhae pulv. subt. 0,2-1
D.s.: Mit Honig oder Marmelade zu nehmen.
Rezepturpreis ad chart. etwa -.46 RM.
Bei entzündlichen Erkrankungen im Bereich der Mundhöhle, wie Stomatitis (nach Friedrich):
Rp.:
Tinct. Myrrhae 20
D.s.: 20-30 Tropfen mit 1 Löffel Rosenhonig auf 1 Glas Wasser. Zum Gurgeln oder Spülen mehrmals täglich.
Oder (nach Mette):
Rp.:
Tinct. Myrrhae
Tinct. Ratanhiae aa 10
D.s.: 20 Tropfen auf 1 Tasse Wasser. Mehrmals täglich gurgeln.
Rezepturpreis etwa -.82 RM.
Bei eiternden Wunden als Verbandwasser:
Rp.:
Tinct. Myrrhae
Arnicae ad us. ext. aa 15
D.s.: Ungefähr auf 1 l Wasser unter Zusatz von etwas Rosenwasser. Die Kompresse in das Wasser zu tauchen und täglich zweimal erneuern.
Bei Verschleimung des Magens und der Lunge:
Rp.:
Myrrhae 20
D.s.: 1 kleine Messerspitze voll mit 1 1/2 Glas Wasser heiß ansetzen und tagsüber trinken.
Rezepturpreis ad scat. etwa -.72 RM.
Als Mundwasser (nach Rost-Klemperer):
Rp.:
Tinct. Myrrhae
Spiritus Cochleariae aa 25
Inf. Fol. Salviae 15 : 150
M.d.s.: Mundwasser.
Gegen Wundliegen (F. M. Berolin.):
Rp.:
Tinct. Myrrhae 1
Zinci sulfurici 2,5
Plumbi acetici 5
Vaselini americani 41,5
M.f. unguentum.
D.s.: Zum Einreiben der aufliegenden Stellen.
________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.