Keulen-Bärlapp, Lycopodiaceae.
Name:
Lycopódium clavátum L. Keulen-Bärlapp. Schlangenmoos. Französisch: Jalousie; englisch: Common clubmoss; italienisch: Erba strega, licopodio; dänisch: Ulvefod; norwegisch: Kråkefot; polnisch: Widlak; schwedisch: Lummer; tschechisch: Plavurt obecná jeleni růžek; ungarisch: Korpafü.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Asien, Amerika, in den Gebirgen des tropischen Afrikas, Marianen-und Harvai-Inseln.
Namensursprung:
Lycopodium setzt sich zusammen aus dem griechischen λχος (lykos) = Wolf und πος Gen. ποδς (pos) = Fuß nach der Art der dichtbeblätterten Zweige, welche einem behaarten Tierfuß ähnlich sehen. Auf diese Ähnlichkeit nimmt auch der deutsche Name Bärlapp Bezug. Clavatum ist aus dem lateinischen clava = Klaue wegen der Sporangienähren gebildet worden.
Botanisches:
Der Keulenbärlapp bevorzugt trockene Wälder und kommt vor allem in Nadelwäldern und Heiden vor. Der bis 1 m lange, spärlich verzweigte Stengel kriecht auf dem Waldboden hin (Schlangenmoos). Er ist mit dicht anliegenden, spiralig gestellten Blättern bedeokt. Diese sind lineal, ganzrandig, gelblich-grün und enden in eine lange, weiße, aufwärts gekrümmte Haarspitze. Wurzeln sind nur spärlich vorhanden. An etwa 5 cm hohen aufrechten Zweigen, von denen ein Teil nur locker beblättert ist, entstehen im August an der Spitze gewöhnlich zu zwei bis drei die Sporangienähren. In den großen, nierenförmigen Sporangien bilden sich die Sporen, die als schwefelgelbes Pulver ausgestreut werden. Dieses ist nur schwer benetzbar und verpufft, wenn man es in eine Flamme bläst, mit leuchtenden Funken (Hexenmehl, Blitzpulver). Aus den Sporen, die erst nach sechs bis sieben Jahren keimen, entwickeln sich die Vorkeime, an denen die Geschlechtsorgane entstehen. Es wechselt also stets eine geschlechtliche Generation mit einer ungeschlechtlichen ab (Generationswechsel). Die Pflanzen erreichen erst im 12.-15. Jahre ihre Geschlechtsreife. Lycopodium darf in Deutschland zum Sammeln für den Handel oder für gewerbliche Zwecke nicht freigegeben werden.
Geschichtliches und Allgemeines:
Da die Bärlapparten bis zum Beginn der Neuzeit allgemein zu den Moosen gerechnet wurden, findet man sie weder im Altertum noch im Mittelalter als eine besondere Gattung gekennzeichnet. Auch die von Plinius erwähnte Pflanze „selago“, die bei den gallischen Druiden großes Ansehen genossen haben soll, läßt sich nicht mit Sicherheit auf eine Lycopodiumart deuten.
In der botanisch-medizinischen Literatur des 16. Jahrhunderts tritt uns dagegen die Pflanze unter den Bezeichnungen Muscus terrestris, Muscus clavatus, Beerlapp, Gürtelkraut häufig entgegen. Die erste Abbildung brachte H. Bock. Auch Lonicerus und Valerius Cordus geben eine Beschreibung der Pflanze, ohne jedoch der medizinischen Verwendung der Sporen Erwähnung zu tun. Zuerst wurden diese vom Frankfurter Stadtarzt Johann Schröder im 17. Jahrhundert zum Bestreuen von Wunden verordnet.
Ein Bärlappwein soll sedativ wirken.
Im Volke ist der Bärlapp sehr bekannt und spielt besonders im Aberglauben der osteuropäischen Länder eine recht große Rolle. So berichtet Hlouby, daß die slowakischen Mädchen glauben, daß er die Konzeption unmöglich mache, er wird daher von ihnen Netata = Nichtvater genannt. Es gilt ferner als bestes Mittel für den Ausgang eines Prozesses, ein Stück Bärlapp bei sich zu tragen. In Obertoggenburg (St. Gallen) legt man, um Gliederkrämpfe zu vermeiden, einen Büschel Bärlapp in die Strümpfe oder ins Bett. In Polen wird er als Amulett gegen den Weichselzopf getragen. Besonders merkwürdig ist der Glaube, daß er dem Brüten der Hühner, Enten und Gänse schädlich sein soll, da die jungen Tiere nicht aus den Eiern kriechen sollen, wo sich die Pflanze befindet. – Technische Verwendung fanden die Sporen früher zum Hervorbringen von Theaterblitzen. Lycopodium clavatum gehört mit Secale cornutum zu den am meisten exportierten Drogen Rußlands.
Wirkung
Lonicerus und Matthiolus empfehlen den Bärlapp als steinlösend, stopfend, schmerzlindernd und hitzewidrig, gegen Podagra und zur Festigung der Zähne.
Osiander gebraucht das Mittel als wundheilend und blutstillend, Hufeland und Rademacher behandelten Strangurie, Anurie und Blasenhalskrämpfe erfolgreich mit Lycopodium.
Auch Rodewald gebrauchte es bei Erkrankungen der Harnorgane wie Harnverhaltung infolge von Grieß- und Eiteransammlung in den Harnwegen und bei Blasenatonie.
Die aluminiumreichen Bärlappsporen bilden ein feines blaßgelbes Pulver, das sog. „Hexenmehl“, das bei Excoriationen als Streupulver Verwendung findet. Als Tee genommen, bewirken sie in größeren Dosen leicht Erbrechen.
Schulz sah gute Erfolge durch die Verordnung von Bärlapp bei Blasenkatarrh, auch bei Blasenschmerzen und Brennen der Urethra arthritisch erkrankter Patienten. Versuche mit reiner Lycopodium-Tinktur ergaben nach seiner Schilderung das Auftreten schmerzhafter Empfindungen im Colon ascendens.
Bohn nennt Bärlapp bei Harnsäurediathese, bei krampfhafter Retentio urinae, auch durch Harngrieß oder -steine bedingt, bei rheumatischen, mit Strangurie verbundenen Affektionen, bei epileptischen und hysterischen Zuständen, die durch derartige Reize veranlaßt sind.
Bentley und Trimen berichten nur von dem externen Gebrauch bei Erysipel, Intertrigo, Ekzemen usw.
Muszynski konnte im Kraut von 5 verschiedenen Lycopodiumarten, darunter auch Lycopodium clavatum, einen Gehalt von stark wirkenden Alkaloiden nachweisen. Die Sporen aller Arten waren alkaloidfrei.
In der Homöopathie wird der Bärlapp angewandt bei chronischen Krankheitszuständen (nach Hahnemann ist er ein Antipsoricum 1. Ranges), insbesondere denjenigen des Verdauungskanals und der Leber, wie Dyspepsie mit quälenden Magenschmerzen und Nausea, langwieriger Obstipation mit Tenesmus ani, chronischen Enteritiden mit subikterischer Hautfarbe, Ikterus mit Leberschwellung, Leberzirrhose, ferner bei Erkrankungen der Harn- und Atmungsorgane, Dermatopathien, Skrofulose und Rachitis.
Wie Kroeber angibt, wird die Hauptmasse des Lycopodiums zu etwa 50% von einem grüngelben fetten Öl gebildet, das u. a. Linolsäure und Hexadezylensäure enthält. In der Asche von Lycopodium konnten bis zu 54% Aluminium nachgewiesen werden.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Die Sporen als Puder bei Wundsein.
Polen: Der Infus des Krautes als Diuretikum und bei gichtischen Krankheiten, die Sporen als Streupulver für Säuglinge.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Lycopodium wird bei Blasenleiden (Strangurie, Anurie, Blasenatonie, Blasenkatarrh, Harngrießund -steinen) und äußerlich bei Intertrigo der Kinder, juckenden und nässenden Ekzemen, Skabies, Varizen, Furunkulose und Psoriasis angewendet.
In der homöopathischen Heilkunde gehört es zu den Polychresten (= häufig angewendete Mittel).
Die Hauptangriffsgebiete von Lycopodium sind hier der Verdauungsapparat (Leber, Galle, Milz, Magen, Darm) und die Harnorgane. Es wirkt hier gleichzeitig funktionsregulierend, schmerzlindernd und krampflösend. Bei Verdauungsstörungen ist es besonders dann angezeigt, wenn Blähungen, Völlegefühl, Druck, Kopfschmerzen und Abmagerung damit verbunden sind. Es wird heute im wesentlichen nur in der Homöopathie verordnet.
Im einzelnen hat sich der Bärlapp nützlich und hilfreich erwiesen bei: Hepatopathien mit Blähungsbeschwerden und Druck im Abdomen (Leberanschoppung, Hepatitis, Leberzirrhose, Ikterus mit Leberschwellung), schmerzhaften Hämorrhoiden, Grieß- und Steinleiden, insbesondere Cholelithiasis (hier wurden in vielen Fällen Patienten, bei denen eine Operation unvermeidlich erschien, durch die Verordnung von Lycopodium im Wechsel mit Cholesterin Oligoplex geheilt); ferner bei Dyspepsien (bei nervöser Dyspepsie wird es von Kleine, Wuppertal, mit Nux vomica und Basilicum zu den besten Mitteln gezählt) und bei Obstipation*), meist im Zusammenhang mit Leber- und Milzleiden, chron. Meteorismus und Flatulenz, auch nach Grippe, mangelhafter Fettverdauung, chronischer Gastritis und chronischer Diarrhöe. Zur Behandlung des Römheldschen Symptomen-Komplex (kardiointestinaler Komplex) eignet sich Lycopodium „Teep“ D 3 im Wechsel mit Carbo vegetabilis D 3. Recht häufig erfolgt auch die Verordnung bei Erkrankungen der Harnorgane, insbesondere bei Affektionen mit Schmerzen und Brennen bei der Harnentleerung, Cystitis, Nephritis mit Harndrang und nach Scharlach, bei Harnsäure-Diathese (roter Satz im Harn), Arthritis urica und Rheuma. Bei chronischer Ischias wird Lycopodium von Schlegel, Lindau, und Fröhlich sehr gelobt; Rosenkranz, Insterburg, gibt es hier im Wechsel mit Gelsemium Oligoplex.
Sehr günstig werden auch Alterserscheinungen (Marasmus mit grauer Gesichtsfarbe), insbesondere Impotenz, ferner allgemeine Schwäche, Skrofulose, Rachitis und Erkrankungen der Atmungsorgane (Pneumonie, Bronchitis, Rhinitis, Lungentuberkulose) durch das Mittel beeinflußt.
Vereinzelte Indikationen sind noch: Metritis, Hodenschwellungen nach Blasenleiden, Diabetes und Ohrenleiden (Ohrenfluß, -sausen, Schwerhörigkeit). Als Wechselmittel werden u. a. Nux vomica, Sulfur, Mercurius dulcis und Momordica erwähnt.
*) Beispiel für die Anwendung:
(Nach Schier, „Allgemeine homöopathische Zeitung“ 1935, Heft 4, S. 194.)
Heinrich W., 30 Jahre, leidet seit drei Jahren an hochgradiger Stuhlverstopfung und gastrischen Beschwerden. Am 26. Juni wird Lycopodium D 3 in dreistündlichem Wechsel mit Nux vomica D 3 verordnet. Am 3. Juli hat er in der vergangenen Woche zweimal Stuhlgang ohne Abführmittel gehabt, bis zum 10. Juli viermal, was ihm lange Zeit nicht vorgekommen war. In der darauffolgenden Woche desgleichen viermal, auch die Blähungsbeschwerden haben wesentlich nachgelassen. Am 24. Juli hatte er, nach Kostveränderung, wegen Verdacht auf Ulcus duodeni und Röntgenaufnahme mit Bariumbrei Durchfall, der sich bald wieder gab. In der Woche bis 31. Juli hatte er sechsmal Stuhl und wurde bald darauf entlassen.
Angewandter Pflanzenteil:
Das Kraut wird in den alten Kräuterbüchern als angewendet angegeben. In der neueren Literatur führen nur Clarke, Hager und Bohn noch das Kraut an. Sonst werden überall die Sporen als verwendet bezeichnet.
So gibt auch das HAB. diesen Pflanzenteil als Ausgangspunkt für die Bereitung der Tinktur an (§ 4).
Das „Teep“ wird aus frischen Sporen hergestellt.
Lycopodium ist offizinell in Amerika, Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Japan, Kroatien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Rumänien, Rußland, Schweden, Schweiz, Serbien, Italien, Portugal, Spanien, Ungarn und Frankreich.
Dosierung:
Übliche Dosis:
3-5 g als Pulver täglich (Bohn);
1-4 g als Pulver täglich als Antispasmodikum (Hager).
Zweistündlich 1 Tablette der Pflanzenverreibung „Teep“.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Lycopodii.)
Das Präparat ist etwa ein Jahr lang haltbar.
In der Homöopathie:
dil. D 3, dreimal täglich 10 Tropfen.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Leber- und Blasenleiden:
Rp.:
Lycopodii 30,0 (= Bärlappsporen)
D.s.: 2 knappe Teelöffel mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber schluckweise trinken.
Gegen Diarrhöe (nach Dinand):
Rp.:
Lycopodii 4,0
Aquae Foeniculi 125,0
Sirupi simpl. 60,0
M.d.s.: Teelöffelweise zu nehmen. Vor dem Gebrauch umschütteln.
________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.