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Taumellolch, Gramineae.

Name:

Lólium temuléntum L. (= L. annuum Gilib., = Craepalia temulenta Schrank, = Bromus temulentus Bernh.). Taumellolch. Französisch: Jvraie; englisch: Bearded darnel; italienisch: Loglio, gioglio; dänisch: Giftig Rajgräs, Dude; schwedisch: Dårrepe; tschechisch: Jílek mámivý, matonoha; ungarisch: Széditö vadóc.

Verbreitungsgebiet

Weiteres Vorkommen: Nordafrika. qemäßigtes Asien. in Nord-und Süd= amerika. Südafrika. Australien.

Namensursprung:

Lolium ist der von den Römern für ein schädliches Getreideunkraut, wohl unsere L. temulentum, gebrauchte Name; temulentum = betäubend. Taumellolch sowie die meisten Volksnamen sind auf Grund der giftigen, Taumel und Schwindel erregenden Eigenschaften der Pflanze entstanden.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Schwindel (St. Gallen, Thurgau), Schwindelhaber (Schwäbische Alb, Österreich), Trümmel, drummel = Schwindel (Schweiz: Thurgau), Dummel (Norddithmarschen); zu „Toben“ gehören: Täbisch (Oberschlesien), Tobisch (Schlesien, Neiße), Döbel (Obersachsen), Täberich (Thüringen), Töwerich (Erzgebirge), Tob (Franken: Hohenlohe), Tobgerste (Schweiz: Entlibuch), Tollkraut, Tollgerste (Nassau), Tollkorn (Kärnten), Unsinn, Unsinni (Niederösterreich, Steiermark), Rauschgras (Salzburg), Tamisch, bayrisch „damisch“ = schwindlich (Kärten), Schlafkorn (Elsaß), Hammerl.

Botanisches:

Die einjährige, 30-80 cm hohe Graspflanze zeigt sich auf feuchten Äckern hier und da als lästiges Unkraut. Sie ist über die ganze Erde verbreitet. Der dicke steife Stengel endet in einer lockeren, bis über 20 cm langen Ähre. Die Blattscheiden sind rückwärts rauh und an den oberen Blättern schwach aufgeblasen. In nassen Jahren tritt der Taumellolch oft in den Getreidefeldern auf. Blütezeit: Juni bis Juli.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Samen des Taumellolches wurden schon in ältesten Zeiten für narkotischgiftig gehalten. Die alten griechischen und römischen Schriftsteller (Theophrast, Galenus u. a.) kannten den Taumellolch als ein lästiges Getreideunkraut und vermuteten, daß er aus dem Weizen entstünde. Aber auch die medizinische Verwendung des Lolches war frühzeitig bekannt. So wird von Plinius und Celsus die Verwendung des Lolchmehls erwähnt. Dioskurides schreibt: „Der Taumellolch, einige nennen ihn Thyaros, welcher zwischen dem Weizen wächst, hat, wenn er gemahlen ist, die Kraft, fressende, eiternde und krebsartige Geschwülste rings herum einzureißen, wenn er mit Salz und Rettich aufgelegt wird. Wilde Flechten und Aussatz heilt er mit Essig und natürlichem Schwefel. Mit Taubenmist und Leinsamen in Wein gekocht, öffnet er Mandeln und reißt schwer reifende Geschwüre auf. Mit Honigmet sowohl getrunken, als auch ungeschlagen, hilft er denen, die an Ischias leiden. Mit Mehl aber oder Myrrhe, Safran oder Weihrauch geräuchert ist er der Empfängnis behülflich.“

Vergiftungen durch den Lolch sind vielfach bekannt geworden. So erzählt Seeger (Anfang des 18. Jahrhunderts) von fünf Personen, die zusammen fünf Pfund Brot aus mit Taumellolch verunreinigtem Hafermehl gegessen hatten. Nach zwei Stunden stellten sich Kopfschmerzen, besonders in der Stirngegend, Schwindel, heftige Geräusche in den Ohren, Zittern der Zunge, Unfähigkeit zu sprechen und zu schlingen, Druck und Schmerzen in der Magengegend, Erbrechen, Atembeschwerden, häufiger Drang zum Harnlassen, Mattigkeit usw. ein. Nach einigen Stunden verfielen sie in einen schweren Schlaf. Unter den gleichen Symptomen erkrankten in dem Landarmen- und Arbeitshause zu Beninghausen 74 Leute, meistens Frauen und einige Schulknaben, nach dem Genusse einer viel Taumellolch enthaltenden Suppe. Ein Aufguß von Kamillen und Wermut beseitigte die Vergiftungserscheinungen. Von dem Landvolk wird das Sauerkraut als ein wirksames Gegenmittel angesehen. – Lolium temulentum soll besonders schädlich für Hunde, Pferde und Gänse sein, während Küken und Schweine durch kleine unter das Futter gemischte Mengen fett werden sollen. Nach Eckenfels kennen auch die Eingeborenen in Algier die giftigen Eigenschaften der Pflanze. – Früher gab man dem Taumellolch-Samen häufig dem Biere bei, um diesem eine betäubende Wirkung zu verleihen. In der Türkei und in Arabien kannte man die anästhesierende Wirkung und benützte sie bei Katarakt- und Blasenstein-operationen.

Wirkung

Der Lolch gehörte schon zum Arzneischatz des Hippokrates und des Paracelsus).

Lonicerus läßt ihn äußerlich gegen „fließende zittermäler / flechten und grind“ anwenden, auch zerteilt er nach seinen Angaben Kröpfe und „zeitiget alle harte geschwer“.

Matthiolus beschreibt bereits die Vergiftungssymptome („gleich wie Trunkenheit, tiefen Schlaf und Schwindel“) und führt im übrigen die gleichen Indikationen an wie Lonicerus.

Hahnemann verordnete das Mittel bei hartnäckigstem Schwindel, psychischen Störungen, Taubheit und Amaurosis.

Als Vertreter der neueren homöopathischen Literatur gibt Heinigke noch folgende Anwendungsweisen an: fieberlose oder mit nur geringen Fiebererscheinungen verbundene Krankheitszustände nervös reizbarer Individuen; Schwindel im Gehen mit entschiedener Besserung in der Ruhe, Kongestionen nach Kopf und Brust, Nasenbluten, Neuralgien verschiedener Art, rheumatische und gichtische Affektionen besonders der Finger und der Handgelenke mit erheblich lokalen Entzündungserscheinungen; Hautjucken, Zittern der oberen Extremitäten, zumal bei Bewegung; krampfartige Magenschmerzen, welche vorwiegend in nüchternem Zustande sich einstellen, ausbleibende oder zu schwache Menstruation.

Lolium wirkt auf das Zentralnervensystem und die Herznerven ein und verursacht Sopor, Stirnkopfschmerz, Vertigo, Taumeln, Somnolenz, Nausea, Vomitus, Druck im Epigastrium, Gefühl der Magenvölle, Gastrospasmen, verminderte Speichelsekretion, erst Anurie, dann Hyperdiurese, Diarrhöe, später erhebliche Verzögerung des Stuhlgangs, Senkung der Körpertemperatur und der Herztätigkeit.

Fröhner beobachtete leichte Gastroenteritis, Hyperämie des Gehirns und Rückenmarks,

Antze starke Abmagerung und Ekchymosen der Magenschleimhaut.

In den Samen ist regelmäßig ein steriles Pilzgeflecht vorhanden. Dieser Pilz ist heute noch wenig erforscht und daher namenlos. Nach Leemann könnte es sich um Endoconidium temulentum Prill. und Del. handeln. Er bildet auf Roggen Sporen und verleiht den befallenen Roggenpflanzen Wirkungen, die denen des Taumellolches weitgehend ähneln. Daß die Giftigkeit des Taumellolches mit der Verpilzung zusammenhängt, hat Hannig gezeigt. Er hat Rassen von Lolium temulentum aufgefunden, die sich dauernd pilzfrei kultivieren ließen und damit Vergleichsmaterial verpilzter und unverpilzter Körner erhalten. Die verpilzten enthalten ein Alkaloid (Temulin), das den unverpilzten fehlt. Wenn diese Beobachtung stimmt, dann hätten wir zum ersten Male eine Unterlage darüber, wie sich bei einer Pflanzenart physiologisch ein Alkaloid bildet. Nach älteren Angaben finden sich in den Samen ferner u. a. Calciummalat, Gerbstoff, Fett, wachsartige Körper, bitteres Glykosid.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Lolium temulentum ist ein noch nicht gut geprüftes Mittel, das in der Homöopathie bei Kongestionen nach dem Kopfe und Reizungen des Zentralnervensystems verordnet wird. Es wird recht häufig angewandt bei Vertigo, seltener bei Epistaxis, Delirium tremens, Paralysis agitans, Tremor, Neuralgien, Schlaflosigkeit, Tenesmus ani und krampfartigen Magenbeschwerden.

Auch bei verzögertem Eintritt der Menstruation, Blutvergiftung, Flechten, Ulzera, Pruritus, rheumatischen und gichtischen Affektionen, insbesondere der kleinen Gelenke findet der Taumellolch Anwendung.

Angewandter Pflanzenteil:

Vom Taumellolch werden die Früchte bzw. Samen überall in der Literatur als verwendeter Pflanzenteil genannt.

Auch das HAB. läßt die Tinktur aus den reifen Samen herstellen (§ 4). Das „Teep“ wird aus den frischen Samen bereitet.

Dosierung:

Übliche Dosis:

1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 1% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,0025 Sem. Lolii temulenti.)

In der Homöopathie:

dil. D 3-4.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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