Porst, Ericaceae.
Name:
Lédum palústre L. Sumpf-Porst, Wilder Rosmarin, Motten- oder Wanzenkraut, Gräntze, Brauerkraut, Tannenporst, Moor-Rosmarin, Kienporst. Französisch: Lédon des marais; englisch: Dutch myrthe; dänisch: Porst; litauisch: Gailis; norwegisch: Finnmarkspors; polnisch: Bagno; russisch: Bahun; schwedisch: Skvattram; tschechisch: Rojovnik bahenni; ungarisch: Molyüzö.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Nord- und Mittelasien, Nordkorea, Nordjapan, Amerika bis Alaska, amerikanisch-arktischer Archipel (71 1/30 nördl. Breite)
Namensursprung:
Griechisch λίδον (lédon) bezeichnete bei Dioskurides eine Cistusart und wurde dann später auf den Porst, den Clusius als Ledum silesiacum benannte, übertragen; palustre vom lateinischen palus = Sumpf bezeichnet den Standort der Pflanze als Bewohner der nordischen Moore.
Botanisches:
Der Porst ist ein Strauch von 60-120 cm Höhe. Er ist sehr ästig und von betäubend-gewürzhaftem Geruch. Die ledrigen Blätter sind lineal-lanzettlich, am Rande umgerollt und auf der Unterseite ebenso wie die jungen Zweige rostrotfilzig. Die weißen Blüten mit fünf freien Kronenblättern bilden endständige Dolden. Die Früchte sind hängende Kapseln. Der Strauch bewohnt die Hoch- und Übergangsmoore im nördlichen Eurasien und Amerika. Seltener ist er an feuchten Hängen und Felsgesimsen anzutreffen. Der Porst bevorzugt Halbschatten und ist an den mitteleuropäischen Fundorten als Eiszeitrelikt aufzufassen. Er gehört zu den Kalkflüchtern. Die dem Porst vom Volke vielfach zugeschriebene betäubende Wirkung der Ausdünstungen konnte mit Sicherheit nicht festgestellt werden; Tatsache ist jedenfalls, daß verschiedene Fliegenarten die Blüten dieser Pflanze nicht ungestraft besuchen können, denn Warming fand in diesen verschiedene tote oder sterbende Fliegen vor, ohne daß er eine äußere Todesursache hätte feststellen können. Ledum palustre enthält spezifische Kräfte zur Mobilisierung des Säurestoffwechsels. (Verf.) Blütezeit: Mai bis Anfang Juli.
Ledum palustre darf in Deutschland zum Sammeln für den Handel oder für gewerbliche Zwecke nicht freigegeben werden. Nur im Ausnahmefall kann das Sammeln in Gegenden, in denen Ledum palustre häufig vorkommt, von der höheren Naturschutzbehörde zeitweilig freigegeben werden.
Geschichtliches und Allgemeines:
Als nordische Pflanze ist der Porst im Altertum unbekannt geblieben. Die ersten Hinweise auf die Pflanze finden wir in dem dänischen Laegebuch aus dem 12. Jahrhundert unter der Bezeichnung Pors und in dem mittel-niederdeutschen Gothaer Arzneibuch aus dem 15. Jahrhundert unter dem Namen morose. Als Ledum silesiacum, Ledum rorismarini folio, Rosmarinus silvestris (auch heute in Schweden der übliche Name) tritt er uns dann in den meisten Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts entgegen. Zur Aufnahme der in der Heilkunde recht vernachlässigten Pflanze in die Offizinen hat wohl hauptsächlich die Erfahrung schwedischer Ärzte beigetragen. 1775 schrieb auch Linné eine Abhandlung über die medizinischen Eigenschaften des Sumpfporstes. Die Blüten und Jungtriebe wurden gegen Fieber, Gicht, Keuchhusten, Bronchialkatarrh, Ruhr und Hautkrankheiten, als Emmenagogum, Expektorans, Diuretikum benutzt und fanden auch als Insektenpulver Verwendung. In der tschechischen Volksmedizin wurde der Sumpfporst früher gegen Husten, Wechselfieber, Cholera und Kolik angewandt. – Da das in der Pflanze enthaltene ätherische Öl einen bitteren Geschmack hat, wurde die frische Pflanze auch zur Bierverfälschung als Hopfensurrogat verwendet. Das Bier wirkte dann sehr berauschend, erzeugte aber Schwindel, Kopfschmerzen, Koliken, Delirien usw.
Wenn der Porst auf den Weiden in größeren Mengen vorkommt, ruft er bei dem Vieh narkotische Erscheinungen hervor. Für Ziegen ist er unschädlich.
Wirkung
Matthiolus erwähnt von dem Porst nur, daß er „die Kleider wider die Schaben und Motten bewahre“.
Osiander zählt ihn unter den volkstümlichen Mitteln für Keuchhusten und Krätze auf. Die erstere Anwendung stellt auch Aschenbrenner in den Vordergrund.
Hufeland verordnete ihn gegen Keuchhusten, und Plange sah gute Erfolge mit der Verordnung des Mittels bei Hüftschmerzen, die das Gehen erschwerten und ohne Schwellung und Rötung auftraten.
Bohn empfiehlt ihn bei Hautkrankheiten infolge venerischer Dyskrasie, bei Pollutionen mit Blutbeimengung infolge Erkrankung der Samenbläschen; die Wirkung bei Keuchhusten ist nach ihm nicht ursächlich, sondern beruht auf der narkotischen Eigenschaft des Porstes.
Für besonders erfolgreich bei Keuchhusten hält Kamenetzki eine Verbindung von Ledum und Thymian.
In der deutschen Volksmedizin findet er außer bei Keuchhusten auch bei Gicht und Hautleiden Anwendung.
Über die Benutzung beim russischen Volke schreibt W. Demitsch:
„Seit alter Zeit wird ein Tee aus Porst oder Porsch bei verschiedenen Brustkrankheiten getrunken (W. M. Richter, Geschichte der Medicin in Rußland. Moskau 1813-1817, I, S. 110). – Krebel (Volksmedicin und Volksmittel verschiedener Völkerstämme Rußlands. Skizzen. Leipzig und Heidelberg 1858) führt den Porsch als ein Volksmittel auf, welches äußerlich bei Hautausschlägen, innerlich bei Fieber gebraucht wird. – Im Gouvernement Twer bereitet man aus den Blüten der Pflanze mit Butter eine schmerzlindernde Salbe (K. Puparew, Volkstümliche Pflanzennamen im Gouvernement Twer, gesammelt im Jahre 1868, mit Hinweisung auf die Krankheiten, gegen die sie vom Volke gebraucht werden. Kiewsche Gouvernements-Zeitung 1867). – Im Gouvernement Perm wird eine schwache Abkochung der Pflanze bei Erkältung eingenommen (P. Krilow, Als Volksheilmittel gebräuchliche Pflanzen im Gouvernement Perm. Arbeiten der Naturforscher-Gesellschaft an der Universität Kasan, Bd. V, Heft II, S. 25, Kasan 1880). – Nach Annenkow (Botanisches Lexicon, St. Petersburg 1878, S. 189) ist das Kraut von Ledum palustre ein sehr gebräuchliches Volksmittel bei Keuchhusten, Skrofulose und anderen Krankheiten. Den Blättern der Pflanze schreibt man narkotische, schweiß- und harntreibende Kräfte zu. – In Kleinrußland wird Ledum außer bei Keuchhusten noch zur Regulierung der Menses und „vielleicht“ als Abortivum benutzt (K. S. Gornitzki, Bemerkungen über einige wildwachsende und angebaute Pflanzen der Ukraine-Flora, die als Volksheilmittel im Gebrauche sind. Charkow 1887, S. 95-96).“
Die Pflanze enthält ein irritierendes ätherisches Öl (1%) mit Ledumkampfer, ferner Arbutin und Ericolin. Da sie die Abdominalorgane reizt, wird sie vom Volke als Abortivum benutzt.
Suzuki stellte mit dem ätherischen Öle Tierversuche an, die eine zentrale Wirkung des Öles ergaben. Daher kam es nach größeren Dosen zu Atembeschwerden, Unruhe und motorischer Lähmung, Atemstillstand und Herzlähmung. Auch Darm und Uterus wurden gelähmt. Mittlere Dosen erzeugten vorübergehende Erregung. Andere Tierversuche ergaben Herabsetzung der Hyperämie der Lunge und Dilatation der Koronargefäße des Herzens.
Die Schweißsekretion wird durch Porst stark angeregt, auch als Diuretikum wird er verwandt.
Von der homöopathischen Wirkungsweise schreibt Hahnemann folgendes: „Der Sumpfporst (Ledum palustre) macht, nach meinen Erfahrungen, unter anderen ein beschwerliches schmerzhaftes Atemholen, dies belegt die Hülfe, die er im Keuchhusten leistet, vermutlich auch in der krampfhaften Engbrüstigkeit . . . Ebenso spezifisch ist, wie ich sah, seine Eigenschaft, beschwerliches Jucken in der Haut zu erregen, und eben daher seine große Kraft in den langwierigsten Hautübeln.“ Auch fand er „baldige dauerhafte Hülfe“ durch Ledum-Medikation bei den Folgen von Influenza.
Außer bei den schon von Hahnemann genannten Beschwerden wie Keuchhusten und Engbrüstigkeit gilt Ledum palustre in der heutigen Homöopathie für ein bevorzugtes Mittel bei Rheumatismus und Gicht, besonders wenn diese Erkrankungen durch von oben nach unten ziehende Schmerzen, die sich in der Kälte bessern, gekennzeichnet sind. Weitere homöopathische Indikationen sind u. a. Koliken, Darmblutungen, Blasenkrämpfe, Urinbeschwerden und zu starke und zu häufige Menstruation.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Gegen Keuchhusten und Fieber.
Litauen: In kleinen, vorsichtigen Gaben gegen Knochenschmerzen und Husten. (Bei verschiedenen Hautkrankheiten wird Ledum dem Hausbier zugesetzt.)
Polen: Als Zusatz zu Bädern bei Gicht und als Räuchermittel bei Lungenleiden.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Ledum palustre wird als wirksames Heilmittel bei der rheumatischgichtischen Konstitution bezeichnet. Es wird verordnet bei Rheumatismus der Muskeln und Gelenke, insbesondere der kleinen Gelenke (bei akutem Gelenkrheumatismus am besten im Wechsel mit Bryonia „Teep“ D 2), Arthritis urica et nodosa (akute Form mit heißen Anschwellungen der Gelenke, chronische Form mit Tophi, Taubheit und Schwäche der befallenen Teile, bei Arthritis deformans gibt man im Wechsel noch Colchicum, Kalmia, Kalium carb., Hedera helix), Lumbago, Torticollis, Fersen- und Fußsohlenschmerz.
E. Meyer, Berlin, bevorzugt für die Verordnung von Ledum die gegen Arthritis mit Colchicum vorbehandelten Fälle. Weiter schreibt mir Pfleiderer, Ulm: „Ich verwende bei akutem und subakutem Muskelrheumatismus sehr gern eine stark massierende Einreibung von 5 g Ledumtinktur auf 100-200 g destilliertes Wasser.“
Recht günstig wirkt Ledum auch bei manchen Erkrankungen der Respirationsorgane (auch Tbc. pulmon. und Hämoptoe werden genannt), speziell aber bei Asthma und vor allem Pertussis.
Desgleichen hat es sich als Blutreinigungsmittel bei lymphatisch-skrofulöser Diathese, nässendem Ekzemmit Jucken und Blasenausschlag, Acne rosacea in Verbindung mit Acne vulgaris und äußerlich bei Insektenstichen, Stich – und Rißwunden, Kontusionen, Panaritien und Perniones bewährt.
Weniger bekannte Indikationen sind: Metrorrhagien, Nymphomanie, Epistaxis, blutige Pollutionen und übelriechende Nachtschweiße. Auch gegen Beschwerden der Alkoholiker wird der Sumpfporst empfohlen.
Als Wechselmittel werden Colchicum, Bryonia, Rhus toxicodendron und Urtica genannt.
Angewandter Pflanzenteil:
Die Angaben in der Literatur über den verwendeten Pflanzenteil bezeichnen entweder die Blätter oder das Kraut als gebräuchlich. Das HAB. läßt getrocknete junge Sprosse nehmen (§ 4). Ich bevorzuge für die Herstellung der Präparate die frischen, blühenden Triebe, aus diesen wird auch das „Teep“ hergestellt.
Erntezeit: Mai bis Juni.
Dosierung:
Übliche Dosis:
0,5-1,5 g des Krautes pro dosi (Hager);
5 Tropfen der Tinktur drei- bis viermal täglich (Friedrich);
1 Teelöffel voll (= 2,3 g) des Krautes zum kalten Auszug oder heißen Infus täglich.
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ zwei- bis dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Stip. Ledi pal.)
In der Homöopathie:
Ø bis dil. D 1.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Gicht und Rheuma:
Rp.:
Hb. Ledi palustris conc. 50 (= Sumpfporstkraut)
D.s.: 1 Teelöffel voll mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken. R
ezepturpreis ad chart. etwa -.52 RM.
Bei Pertussis (nach Hager, mod. v. Verf.):
Rp.:
Ledi pal. Ø 15
Sirupi Sacchari 85
M.d.s.: Teelöffelweise zu nehmen.
Rezepturpreis c. vitr. etwa 2.13 RM.
Bei chronischen Arthritiden (nach Meyer):
Rp.:
Rhizom. Caricis aren. (= Sandseggenwurzel)
Rhiz. Tritici rep. (= Queckenwurzel)
Hb. Ledi palustr. aa 30 (= Sumpfporstkraut)
Stipit. Dulcamarae 10 (= Bittersüßstengel)
M.f. species.
D.s.: 1 Eßlöffel auf 1 Tasse Wasser abkochen. Morgens und abends 1 Tasse warm zu nehmen.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 2 Teelöffel auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen
________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.