Sonnenblume, Compositae.
Name:
Heliánthus ánnuus L. Gemeine Sonnenblume. Französisch: Soleil, tournesol, heliothrope, helianthe; englisch: Sunflower, girasol, gloden, larea-bell, turn-sol, water-wood; italienisch: Girasole; dänisch: Solsikke; litauisch: Saulažolé; polnisch: Slonecznik; russisch: Podsolnuch; schwedisch: Solvända; tschechisch: Slunečnice obecná; ungarisch: Napraforgó.
Verbreitungsgebiet
überall als Kulturpflanze verbreitet.
Namensursprung:
Der Gattungsname Helianthus wurde von Linné aus dem griechischen λιος (helios) = Sonne und νθος (ánthos) = Blume, besonders in bezug auf H. annuus gebildet, weil die großen gelben Strahlblüten der Sonne ähneln und sich ihr zudrehen, annuus bezeichnet die Pflanze als einjährig.
Botanisches:
Die einjährige, in Mexiko einheimische Kulturpflanze ist bei uns häufig in Gärten, Weinbergen und auf Schuttplätzen anzutreffen. Ihr kräftiger, markhaltiger Stengel mit herzförmigen, wechselständigen Blättern wird bei guter Kultur bis zu 5 m hoch und ist abstehend rauhhaarig. Die endständigen Blütenköpfe haben einen Durchmesser von 10 bis 30 cm. Ihre Hüllblätter sind blattartig, länglich und laufen in eine lange, feine Spitze aus. Die Randblüten sind zungenförmig, leuchtend gelb, die Scheibenblüten röhrig und bräunlich. Der Blütenboden scheidet reichlich Harz aus. Die Fruchtknoten tragen zwei borstenförmige Blättchen, während am Grunde ein mehrteiliges Spreublättchen steht. Blütezeit: Juli bis Oktober. Matthiolus weiß zu berichten, daß ein Helianthusstengel, den man mehrere Male gebrochen hat, so daß nur die äußere Rinde ganz bleibt, und den man dann wieder zusammenbindet, sehr bald wieder zusammenwächst und „gleich an einem Beinbrucht einen Callum machet“.
Geschichtliches und Allgemeines:
Helianthus annuus wurde bereits im 16. Jahrhundert in Europa eingeführt und wird in Rußland, Ungarn, Bulgarien und Italien schon lange als Ölpflanze in größeren Mengen kultiviert. Das aus den ölhaltigen Kernen gewonnene Sonnenblumenöl wird zuerst im Jahre 1716 genannt. In Rußland wurde es unter dem Namen Fastenöl, weil der russische Bauer nach den Vorschriften der griechisch uniierten Kirche fast drei Viertel des Jahres fasten mußte, als Ersatz für Tierfett benützt. Die gleiche Anwendung findet es noch heute in Ungarn. In der Volksheilkunde werden die Sonnenblumensamen als wassertreibendes und schleimlösendes Mittel verwendet. – Ferner gelten die Samen auch als gutes Mastfutter für Geflügel, sollen das Eierlegen fördern und dem Gefieder, bzw. der Haut (angeblich auch den Pferden) einen schönen Glanz verleihen. Ebenso sollen sie bei den Kühen den Milchertrag steigern. In Amerika werden die Früchte gemahlen und zu Brot verbacken. Das salpeterhaltige Stengelmark läßt sich leicht entzünden und brennt wie eine Rakete. In Rußland gewinnt man aus Helianthus Pottasche.
Wirkung
Matthiolus gebraucht die Sonnenblume als Wundmittel.
Nach Osiander wird in Frankreich das Stengelmark, das salpeterhaltig sein soll, als Moxe (Brennzylinder) verwandt.
In Rußland benutzt man die Tinktur aus Blättern und Blüten bei Erkrankungen der Atmungsorgane.
Einen ausführlichen Bericht über die Anwendung bei Intermittens in Rußland bringt v. Henrici, den ich nachstehend wörtlich zitiere:
„Die Sonnenblume liefert in ihren Blättern, Stengeln und Blüten ein interessantes Volksmittel bei Malaria, welches an der Wolga und im Kaukasus besonders längs des Terek seit längerer Zeit verwendet wird. Die Mohammedaner im Kaukasus kennen zum gleichen Zwecke auch eine äußerliche Verwendung der Sonnenblume. Sie bestreuen ein Bettuch mit einer dicken Schicht von Helianthusblättern, gießen heiße, saure Milch darüber, legen den Intermittens-Kranken darauf und wickeln ihn von allen Seiten in diese heiße Kompresse. Binnen einer Stunde bricht heftiger Schweiß aus. Wenn dieser nachläßt, wird der Patient ausgehüllt und sorgfältig abgetrocknet. Solche Einhüllungen werden solange fortgesetzt, bis die Anfälle aufhören. Gewöhnlich soll es genug sein, 5 Tage lang den Patienten je einmal einzuhüllen. Zum Zweck der innerlichen Kur bereitet man aus Blumen und Stengeln, trocken oder frisch, einen Auszug. Falls man keine Blüten hat, genügen auch nur die Stengel. Man läßt den Auszug (ob alkoholisch oder wäßrig?) 2-3 Tage lang in einer Flasche unter Schütteln an der Sonne oder an einem warmen Ort stehen und erhält aus trockener Droge eine hellbraune, aus frischer eine grüne Flüssigkeit. In frischen Fällen soll das Fieber binnen 1-3 Tagen vergehen, in hartnäckigen nach einer Woche. Ich folge bei diesen Angaben dem Bericht von Dr. Kasatschkow (Wratsch, Medizinische Zeitschrift, herausgegeben von Prof. Manasseïn, Jahrgang 1889, Nr. 32, S. 716), welcher zuerst die Augen der gebildeten Welt auf dieses eigenartige Wechselfiebermittel gerichtet hat. Er fügt hinzu, daß er mehrmals im Kaukasus Fälle gesehen hat, welche nach dieser Methode binnen 3-7 Tagen geheilt wurden, nachdem sie vorher der Behandlung mit Chinin, Arsen, Eisen und Jod getrotzt hatten. Ein Jahr später berichtet Filatow in Wojenno, medic. Journal 1890, Nr. 8, daß in der Tat selbst sehr schwere kaukasische Formen von Malaria dieser Behandlung wichen. Er verwendete getrocknete Blumen und Stengel oder noch besser die Stengel vor der Blütezeit und mazerierte mit Branntwein. Das Chinin benutzte er überhaupt nicht mehr zur Kur.“
Wie Rostafinski, Warschau, mir mitteilt, wird die in Tiflis, Südrußland, gegen Malaria gebrauchte Tinktur aus den frischen Blüten vielzweigiger Pflanzen (die einzelblütigen Pflanzen sind weniger gebräuchlich) vor dem Braunwerden bzw. Reifwerden der Samen mit Alkohol hergestellt. Von dieser Tinktur werden dreimal täglich 20 Tropfen auf Zucker genommen.
In Brasilien sollen nach einer mir zugegangenen Mitteilung die frischen Sonnenrosensamen als Mittel gegen Malaria bekannt sein.
Auch Danzel nennt als Fiebermittel bei Malaria eine goldgelbe, leicht fluoreszierende Tinktur aus den Blütenblättern (die Blütenblätter werden in 70%igem Alkohol angesetzt und mehrere Tage stehen gelassen). Er führt die Wirkung besonders auf die Fluoreszenz, die ja auch dem Chinin eigen ist, zurück.
Buschmann ist der Ansicht, daß die Wirkung dem Vorkommen beträchtlicher Mengen der Basen Cholin und Betain in der Pflanze zu-zuschreiben ist.
Beldau sah gute Erfolge damit bei Bronchiektasie und beginnender Lungengangrän.
In der Homöopathie wird Helianthus bei Milzschwellungen, Verstopfung, Nesselsucht und Halsschmerz (besonders bei Trockenheit der Schleimhäute) angewandt.
Die Blüten enthalten außer viel Cholin und Betain Quercimeritrin, Anthocyanin und Solanthsäure (vermutlich als Ca-Salz). Die letztere soll auch im Stengel vorhanden sein. Der gelbe Farbstoff der Blüten ist nach neuerer Angabe ein Xanthophyll. Das fette Öl der Sonnenblumensamen besteht in der Hauptsache aus Linolein (57,5%) und Olein (33,4%), ferner aus Palmitin, Stearin, Arachin und Lignocerin. Außerdem enthalten die Samen noch u. a. Lecithin, Cholesterin, Eiweiß, Globulin und Arginin.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Italien: Gegen Magenleiden und Erkältung.
Litauen: Der ganze unreife Blütenkopf als alkoholischer Auszug gegen Fieber.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Helianthus wird bei Malaria verordnet. Weiter findet das Mittel Anwendung bei Bronchiektasie und beginnender Lungengangrän (hier läßt man gleichzeitig täglich 20 ccm Mercur. corros. dil. D 3 mit Dampfspray inhalieren), und bei Milzschwellungen (im Wechsel mit Ceanothus).
Von Kalkowski wird das Mittel auch bei Nesselsucht mit Halsbeschwerden empfohlen, und Köhler hält es bei Epilepsie und Krämpfen für gut, die Samen (Dosis: von einem Korn täglich angefangen bis 30 Stück steigend und dann wieder fallend) zu essen.
Äußerlich wird Helianthus zu Einreibungen bei fieberhaften Zuständen gebraucht.
Angewandter Pflanzenteil:
Matthiolus erzählt von dem „rötlicht Gummi an den Stengeln“, der verwendet wurde.
Zörnig kennt nur das Öl aus den Samen, ebenso erwähnen Buchheister und Ottersbach nur die Samen.
Nach Mertes finden die Stengel und Samen Verwendung.
Merck erwähnt für Rußland eine Tinktur aus Blättern und Blüten, Rostafinski aus Blüten.
Allen gibt für die Herstellung der Tinktur die Blütenköpfchen an, Clarke führt eine Tinktur aus den reifen Blütenköpfchen und eine andere aus den reifen Samen an.
Das HAB. läßt die reifen Samen verwenden (§ 4). Das „Teep“ wird aus den Blüten vielzweigiger Pflanzen vor dem Reifwerden der Samen hergestellt.
Dosierung:
Übliche Dosis:
20-25 Tropfen der Tinktur zwei- bis dreimal täglich (Danzel).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ vier- bis fünfmal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Flor. Helianthi.)
In der Homöopathie:
Ø bis dil. D 1.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Malaria (nach Danzel):
Rp.:
Chinin. hydrochloric. 1
Ac. hydrochloric. dil. q. s.
Tinct. Eucalypt. 10
Tinct. Helianth. 20
D.s.: 20-25 Tropfen zwei- bis dreimal täglich.
________________________________Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.