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Geißklee (-raute), Leguminosae.

Name:

Galéga officinális L. Geißraute, Geißklee, Ziegenraute, Fleckenkraut, Suchtkraut. Französisch: Rue de chèvre, lavanèze, sainfon d’Espagne, lila d’Espagne, faux indigo; englisch: Goats rue, french honeysuckle; italienisch: Capraggine, ruta caprania, lavanese, avanese, lavamani, castracane, erba ginestrina; dänisch: Läge-Stregbälg; polnisch: Rutwica; russisch: Kožlatnik; tschechisch: Jestřabina lékařská; ungarisch: Kecskeruta.

Verbreitungsgebiet

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Namensursprung:

Die Herkunft des von Ruellius und Dodonaeus eingeführten Namens Galega ist unsicher, die am meisten vertretene Erklärung leitet ihn vom griechischen γλα (gála) = Milch und γειν (ágein) = treiben in bezug auf die die Milchabsonderung erhöhende Wirkung der Pflanze ab. Der Name Geißklee bezog sich ursprünglich nur auf Medicago arborea und ist wohl erst später auf unsere Art übertragen worden.

Botanisches:

Die meist ganz kahle, frostempfindliche, in Europa und Kleinasien heimische, lebhaft grüne Staude mit rübenförmiger Pfahlwurzel mit kurzem, vielköpfigem Wurzelstock, mit unpaarig gefiederten Laubblättern und mit blattachselständigen bläulichen Blütentrauben verlangt einen nährstoffreichen, feuchten und dennoch warmen Boden. Unter günstigen Umständen entfaltet die Pflanze so große Wuchskräfte, daß sie im dritten Jahre bis zu sechsmal geschnitten werden kann. Blütezeit: Juni bis August.

Geschichtliches und Allgemeines:

Ob die alten griechischen und römischen Ärzte die Galega officinalis gekannt haben, ist eine ungelöste Streitfrage. Nach der überkommenen Literatur scheint sie jedenfalls in Italien bis in das frühe Mittelalter und in Deutschland bis in das 15. Jahrhundert unbekannt geblieben zu sein. Die beiden berühmten Botaniker des 16. Jahrhunderts H. Bock und L. Fuchs erwähnen sie in ihren Kräuterbüchern noch nicht, dagegen nennen sie Gesner und Camerarius. Um 1600 wurde die Pflanze bereits in vielen deutschen Gärten zu Heilzwecken kultiviert. Herba Galegae seu Rutae caprariae gelangte dann sehr schnell zu einem großen Ansehen. Außerordentliche Heilkräfte rühmte ihr der von Dodonaeus angeführte Baptista Sardus nach. Besonders wurde sie als harn- und schweißtreibendes Mittel, ferner als Wurmmittel, bei Verdauungs- und Stoffwechselstörungen, Hautkrankheiten, Epilepsie und Vergiftungen empfohlen. Als Präparate hatte man Aqua, Syrupus und Conserva Galegae. Nach Camerarius soll Galega die Hühner zu vermehrtem Eierlegen veranlassen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie in Deutschland als Futterpflanze empfohlen, doch mußten die Kulturen bald wieder aufgegeben werden, da sich der Anbau wegen Frostempfindlichkeit der Pflanze nicht lohnte. Das Extractum Galegae wird noch jetzt in der Westschweiz als ein die Milchabsonderung beförderndes Mittel gebraucht. In Holland verfüttert man im Sommer und Herbst das Kraut, im Winter die Wurzel an das Vieh in großem Umfange zur Erhöhung des Milchertrages. In Italien werden die Blätter als Salat gegessen.

Wirkung

Von Matthiolus wird der Geißklee als bewährtes Vorbeugungsmittel in Pestzeiten gerühmt, ebenso gegen den Biß giftiger Tiere („Die Theriackskrämer und Zahnbrecher in Italia / wann sie von den vergifften Brandtschlangen Viperis genannt / etwan beschädigt werden / verlassen sie sich offt mehr auff dieses Kraut / dann auf jren eigenen Theriack“) und gegen Friesel der Kinder.

Nach v. Haller schreibt man ihm eine besondere schweiß- und gifttreibende Kraft zu und verordnet es gegen alle „hitzigen Fieber, die mit einem Ausschlag verknüpft sind, wider die Masern, Kinderblattern und alle Flecken- und Pestilenz-artige Fieber“.

In Amerika wird Galega zur Anregung der Laktation verwendet.

Carrière konnte feststellen, daß ein Extrakt aus Geißklee die Menge der Milchsekretion – bei gleichzeitiger Besserung des Allgemeinbefindens – deutlich vermehrte. Auch die Kinder zeigen besseres Allgemeinbefinden und werden ruhiger.

Nach Inverni bleibt das Maximum der Sekretion auch noch 2-3 Tage nach Absetzen der Anwendung erhalten.

Mit Geißklee gefütterte Kühe geben nach Gaucheron bis zu 30% mehr Milch als mit anderem Futter genährte.

Die Steigerung der Milchsekretion konnte von mir im Tierversuch an Mäusen bestätigt werden. Vier Muttertiere erhielten zusätzlich Galega-Tinktur zum Futter. Da der Alkoholgehalt sehr gering war, wurde léider keine Alkoholkontrolle gemacht. Gleichgroße junge Mäuse von anderen Tieren wurden zur Kontrolle mitgewogen. Es zeigte sich doch eine beachtliche Gewichtszunahme (im Durchschnitt 18%) der Jungen, deren Mütter Galega als Zusatz bekommen hatten.

Als Diuretikum und Diaphoretikum findet die Pflanze gleichfalls Anwendung.

Das von Tanret in Galega entdeckte Alkaloid Galegin erwies sich nach späteren Untersuchungen als substituiertes Guanidin (Guanidino-i-amylamin). Das Guanidin (Synthalin) wird bekanntlich infolge seiner hypoglykämischen Wirkung in der Diabetestherapie gebraucht.

Simonnet und Tanret gelang es, experimentell nachzuweisen, daß Galegin, wie erwartet, die blutzuckersenkende Guanidinwirkung besitzt, wenn auch im schwächeren Maße als das Synthalin.

Eingehende pharmakologische Studien und klinische Beobachtungen über Galegin veröffentlichte auch H. Reinwein. Nach ihm besitzt das Galegin tatsächlich die Eigenschaften der Glukokinine. Je nach der Dosierung konnte er die Hyper- oder Hypoglykämie stärker hervortreten lassen.

Einzeldosen von 0,025 g Galegin wurden ohne Beschwerden vertragen und erzeugten eine deutliche Besserung, die Zuckerausscheidung durch den Harn hörte auf, und die Patienten fingen an, regelmäßig an Gewicht zuzunehmen. Auch die einzelnen Dosen von 0,15 g Galegin wurden ohne irgendwelche kumulative Wirkung vertragen.

Eliassow sah eine günstige, wenn auch nur schwache Wirkung von Galegin bei Diabetes insipidus.

Janson empfiehlt bei leichtkranken Diabetikern einen Tee aus Geißraute, Bohnenschoten und Walddolde (Chimaphila umbellata?).

In seinen Untersuchungen über die Vernarbung der neoplastischen Hautgeschwüre und die Verstärkung der Wirkung der Röntgenstrahlen durch lokale Anwendung hypoglykämisierender Substanzen prüfte S. F. Gomes da Costa auch Galega officinalis (die ganze Droge und nicht nur das Galegin). Er fand, daß Galega in kleinen Dosen (eine Salbe aus 0,5 g Extractum Galegae und 30 g Grundsalbe) die neoplastischen Hautgeschwüre zum Vernarben bringt, während sie in größeren Dosen nur die Entwicklung des ulzerierenden Hautkrebses beschleunigt, da sie unter diesen Umständen blutzuckersteigernd wirkt.

Von G. Parturier wird die Geißraute als „Pflanzeninsulin“ bezeichnet.

Stirnadel verordnet den Tee aus den Samen seit Jahren als Hilfsmittel bei der Behandlung Diabeteskranker. Nach ihm sind auch das in der Pflanze enthaltene Saponin und der Gerbstoff nicht ohne Einfluß auf den Wirkungsmechanismus.

Durch die Anwendung des Fluidextraktes konnten Parturier und Hugonot bei leichtem Alterdiabetes die strenge Diät mildern. Bei schweren Fällen fanden sie den vorteilhaften Einfluß auf die Azidose bemerkenswert, der stärker in Erscheinung tritt als die gleichzeitige Senkung des Blut- und Harnzuckers. Auch beobachteten sie einen günstigen Einfluß auf die Funktion der Leberzellen. Sie empfehlen die Geißraute bei insulinrefraktären Fällen und zur Kombination mit Insulin. Kontraindikationen gibt es nach ihnen nicht, auch konnten keine Nebenwirkungen festgestellt werden.

Die Feststellung, daß sich zur Blütezeit besonders viel Galegin in den Blättern sowie in den Blüten und deren Stielen findet, erklärt die Tatsache, daß Vergiftungserscheinungen an Weidetieren durch Galega während der Blütezeit von verschiedenen Autoren mitgeteilt werden.

Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Galega officinalis wurde festgestellt, daß Peroxydase und Katalase im „Teep“-Präparat gut erhalten waren, während in der homöopathischen Tinktur Katalase nicht mit Sicherheit und Peroxydase nur schwächer nachweisbar waren.

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Ungarn: Bei Epilepsie der Kinder.

Anwendung:

Galega ist ein gutes Unterstützungsmittel in der Behandlung von Diabetes mellitus. Bei Diabetes insipidus wirkt es schwächer.

Vielfach wird es bei exanthematösen Fiebern (Morbilli, Scarlatina u. a.) und als Galaktagogum angewandt. Ferner wird die Pflanze noch als Diuretikum und Diaphoretikum genannt. Funke hält sie für sehr nützlich bei nässenden Flechten, während M. Lewinski sie besonders bei Epilepsie (1 Eßlöffel voll des Saftes täglich) lobt.

Angewandter Pflanzenteil:

Matthiolus weiß von Kraut und Samen viel Rühmliches zu berichten. v. Haller nennt den Gebrauch des destillierten Wassers aus dem blühenden Kraute.

Schulz erwähnt das Kraut als Volksmittel.

Nach Geiger war das Kraut als Herba Galegae seu Rutae caprariae offizinell. Zörnig und Thoms führen das zur Blütezeit gesammelte Kraut an.

Zur Herstellung des „Teep“ wird das frische, blühende Kraut (Sammelzeit: Juli bis August) benutzt.

Dosierung:

Übliche Dosis:

0,5-1,5-5 g des wäßrigen Extraktes (Carrière);

0,3-0,6 g des Fluidextraktes (Peyer);

4-5 Teelöffel voll des Krautes (= 4,4-5,5 g) zum heißen Infus oder kalten Auszug täglich.

1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz standardisiert.)

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Diabetes mellitus:

Rp.:

Hb. Galegae 30 (= Geißrautenkraut)
D.s.: 2 Teelöffel voll auf 1 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber schluckweise trinken.

Oder (nach Stirnadel):

Rp.:

Hb. Galegae (= Geißrautenkraut)
Sem. Galegae  aa  25 (= Geißrautensamen)
D.s.: 1 gehäufter Teelöffel voll auf 1 Tasse Wasser, kalt ansetzen, kurz aufkochen und 10 Minuten ziehen lassen.
Drei Tassen täglich vor den Mahlzeiten.

Bei Diabetes (nach Meyer):

Rp.:

Fol. Vaccinii myrtilli (= Heidelbeerblätter)
Hb. Taraxaci (= Löwenzahnkraut)
Fol. Vaccinii vitis  aa  20 (= Preiselbeerblätter)
Hb. Galegae officinalis 40 (= Geißrautenkraut)
C.m.f. species.
D.s.: 1-2 Eßlöffel auf 1 Tasse Wasser abkochen und zweimal täglich vor dem Essen warm trinken.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 3 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen

Als Galaktagogum (nach Hager):

Rp.:

Extract. Galegae aquos.
Calc. chlorhydrophosphoric.
Tinct. Foeniculi  aa  10
Ol. Cumini gtts. XV Sirup. simpl. 400
M.d.s.: Täglich viermal 1 Eßlöffel voll.

Oder (nach Schleihauf):

Rp.:

Hb. Galegae (= Geißrautenkraut)
Fol. Urticae dioicae (= Blätter der Großen Brennessel)
Fruct. Foeniculi (= Fenchelsamen)
Fruct. Anisi (= Anissamen)
Fruct. Carvi (= Kümmelsamen)
Hb. Thymi serpylli (= Kraut vom Wilden Thymian)
Hb. Majoranae (= Majorankraut)
Rad. Pimpinellae saxifragae  aa  10 (= Bibernellwurzel)
C.m.f. species.
D.s.: 4 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen
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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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