Diptam, Rutaceae.
Name:
Dictámnus álbus L. (= Fraxinella dictamnus Moench, = D. fraxinella Pers.). Weißer Diptam, Eschen-Diptam, Weiße Aschwurz, Aeschenwurz, Spechtwurz, Hirzwurz, Springwurz. Französisch: Dictame blanc, dictame commun, dictame des boutiques, fraxinelle; englisch: Dittany, fraxiella; italienisch: Dittamo bianco frasinella, limonella; polnisch: Dyptam, Jesionek; russisch: Jasieniec; tschechisch: Třemdava bílá; ungarisch: Körislevelü ezerjofü.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Sibirien, Nordchina. Kiautschou, Amurgebiet. Himalaja
Namensursprung:
Der von Virgil und Aristoteles gebrauchte griechische Pflanzenname δχταμνος (díctamnos) wird vom Berge δχτη (díkte) auf Kreta und θμνος (thamnos) = Strauch abgeleitet und ist von Bock auf die Aschwurz übertragen worden. Dictam ist über das mittelalterliche diptamnus aus dem lateinischgriechischen dictamnus entlehnt. Volksetymologische Anlehnungen sind: Dippdapp (Baden), Dickdarm (Lübeck), Dickenda(r)m (obersächsisch).
Botanisches:
Die 1,20 m hohe zitronen- oder zimtartig duftende, ausdauernde, Wärme und Kalkboden liebende eurasische Pflanze besitzt im unteren Teile einfache, oben aber unpaarig gefiederte, durch kugelige Sekreträume durchscheinend punktierte Blätter und rot-, seltener weißblühende, protrandrische Blüten. Ihre Fruchtstände sind so ölhaltig, daß der die Pflanze umgebende Dunst sich an schwülen und stillen Tagen leicht zur Entzündung bringen läßt. Er verbrennt an dunklen Abenden mit leuchtender Flamme. Die Pflanze selbst soll darunter nicht leiden. Diptam tritt in Massen auf Kahlschlägen nach Eichen auf, wie bei Bauslam beobachtet wurde. Die Samen gehen nur nach Lagerung bis zu zwei Monaten auf. Ältere Samen sollen nicht mehr keimen. Blütezeit: Mai bis Juni. Eine Dictamnusart ist wohl auch der „feurige Busch“ der Bibel.
Dictamnus alba steht in Deutschland vollkommen (ober- und unterirdische Teile) unter Naturschutz.
Geschichtliches und Allgemeines:
In den Schriften der alten Griechen und Römer läßt sich der Weiße Diptam nirgends mit Sicherheit nachweisen, obgleich er in Italien wild wächst. Eine bekannte, wegen der ihr zugeschriebenen wunderbaren Heilkräfte vielgerühmte Pflanze ist dagegen Origanum dictamnus bei den Alten. – Im Mittelalter trat unser Dictamnus alba an die Stelle des Origanum dictamnus. Die ersten sicheren Nachrichten über seine medizinische Verwendung stammen aus dem 12. Jahrhundert von der hl. Hildegard und Albertus Magnus. Konrad v. Megenberg (14. Jahrhundert) schreibt in seinem Buch der Natur: „Diptamnus heißt Pfefferkraut und ist eine sehr gemeine Pflanze. Ihr Kraut wirkt gegen den Schlangenbiß, den Biß giftiger Tiere und gegen innere durch irgendein Getränk hervorgerufene Vergiftung. Es wird entweder zerquetscht auf die Wundstellen gelegt oder sein Saft, mit Wein und hinlänglich Minzensaft versetzt, getrunken. Das Kraut treibt die tote Frucht ab, und man erzählt außerdem von ihm, daß die Hirsche zuerst seine Kräfte haben bekannt werden lassen, weil sie ihre Wunden an dem Kraute reiben und es auch gleichzeitig fressen, wodurch die Pfeile wieder herausgezogen werden. Man könnte danach die Pflanze auch Hirschwurz nennen.“ Nach J. Camerarius (16. Jahrhundert) wurde der Samen gegen Epilepsie gebraucht. Das destillierte Wasser wurde gegen die Pest und als Kosmetikum empfohlen, das aus den Blumen bereitete Öl gegen Gliederschmerzen gerühmt. Das Geheimmittel gegen Epilepsie von Sloet von Old-Oldbructenborg soll aus Cortex radicis Dictamni albi mit etwas Zedoaria bestanden haben.
Wirkung
Schon der Hortus Sanitatis lobt die Diptamwurzel als hydrops- und hustenwidriges Mittel, das äußerlich (als Bad) gegen Ikterus, in die Ohren getan, gegen Ohrenschmerzen und – mit Bibergeil und Rautensaft vermischt – in die Nase gezogen, gegen Epilepsie helfe. Auch die tote Geburt soll es austreiben.
Dieselben Indikationen führt Lonicerus an, der das aus der Diptamwurzel destillierte Wasser auch für dienlich gegen Steinleiden hält.
Bock dagegen schätzt das Kraut als Emmenagogum, bei schwerheilenden Wunden und bei Vergiftungen.
Aus der Wurzel lassen sich nach Matthiolus gute Wundtränke herstellen, auch lobt er sie als wurmtötend, heilsam bei Verstopfungen, Bauchschmerzen, Uterusaffektionen (Hysterie), Amenorrhöe, Steinleiden, Gesichtsflecken; mit Guajacum gekocht, soll ein Trank – 6 Wochen lang täglich genommen – gegen die „Frantzosen“ helfen.
Ähnliche Anwendungsweisen sind wohl auch Weinmann bekannt, denn er berichtet, „der wahre Diptam aus Creta oder Candia habe die Kraft, das Geblüt zu verdünnen, zu eröffnen, zu verbessern und dem Gift zu widerstehen.“
v. Haller schreibt der Diptamwurzel herz-, kopf- und uterusstärkende, giftwidrige, schweißtreibende, emmenagoge und lochialflußbefördernde Kraft zu und gibt als weitere Indikationen Würmer und Fallsucht an.
Später geriet die Heilwirkung von Dictamnus alba in Vergessenheit, und nur die Volksmedizin machte weiter Gebrauch von ihm und bedient sich seiner noch heute bei Eingeweidewürmern, Intermittens und – in Verbindung mit Paeonienwurzel und Mistelzweigen – bei Epilepsie.
Störck beobachtete nach Verabreichung von aus der Wurzel hergestellter Tinktur Verstärkung eines epileptischen Anfalls, vermehrte Diurese, starke Menorhagie und Fluor albus.
Von der Homöopathie wird dem Diptam hauptsächlich eine Wirkung auf das Urogenitalsystem zugeschrieben. Er findet Anwendung bei Menorhagie und Fluor albus, ferner bei Obstipation und Flatulenz.
Pai-hsien (der chinesische Drogenname für die Wurzelrinde von Dictamnus alba) wird in China gegen Rheumatismus, Erkältung, Kopfschmerzen und Gelbsucht empfohlen.
Die früher übliche Anwendung als Wurmmittel gründet sich wohl auf den Gehalt der Wurzel an Lacton, das in seinem Aufbau vielleicht dem Santonin zur Seite gestellt werden kann. Außer diesem Dictamnolacton enthält die Wurzel ätherisches Öl, Bitterstoff, Saponin und ein toxisches Alkaloid Dictamnin. Die Blätter enthalten 0,15% ätherisches Öl.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Dictamnus alba hat sich bei Erkrankungen des weiblichen Genitalapparates bewährt. Besonders geschätzt wird das Mittel zuweilen bei hartnäckigem Fluor albus von ätzender Beschaffenheit, der aller sonstigen Therapie trotzt, ferner gibt man es zum Ausstoßen der Plazenta, als Emmenagogum, Laktagogum und bei Hysterie.
Gelegentlich wird es auch bei Intermittens (hier im Wechsel mit Cedron). Epilepsie und Magenleiden (Obstipation, Flatulenz, Darmerschlaffung) empfohlen. Die Wurzel findet als Anthelmintikum Verwendung.
Als Frauenmittel kann Dictamnus u. a. im Teegemisch mit Melissa, Valeriana und Lavandula gegeben werden.
Angewandter Pflanzenteil:
Megenberg und Bock nennen das Kraut, der Hortus Sanitatis, Lonicerus, Matthiolus, v. Haller und Störck die Wurzel.
Nach Geiger war die Wurzel als Radix Dictamni offizinell. Er zieht den Gebrauch der frischen Wurzelrinde vor, da das ätherische Öl durch das Trocknen zersetzt würde.
Auch nach Schulz, der den Gebrauch der Wurzel in der Volksheilkunde anführt, verliert die getrocknete Wurzel an Wirksamkeit.
Thoms führt die Wurzel und die Wurzelrinde an, Clarke die ganze Pflanze.
In bezug auf die Inhaltsstoffe (vgl. Wirkung) ist für die Präparate besonders die frische Wurzel (Sammelzeit: Herbst) zu empfehlen. Aus dieser wird auch das „Teep“ hergestellt. Das HAB. nennt die frischen Blätter (§ 3).
Radix Dictamni ist in Mexiko offizinell.
Dosierung:
Übliche Dosis:
1-2 Tabletten der Frischpflanzenverreibung „Teep“ mehrmals täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Rad. Dictamni.)
In der Homöopathie:
dil. D 2.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Fluor albus:
Rp.:
Rad. Dictamni albi conc. (= Diptamwurzel) 30 D.s.: 1 Teelöffel voll zum heißen Aufguß mit 2 Glas Wasser, tagsüber trinken.Bei Hysterie (nach Meyer, mod. v. Verf.):
Rp.:
Rad. Dictamni alb. Ø Melissae offic. Ø aa 5 Valerianae Ø ad 20 M.d.s.: Dreimal täglich 20-30 Tropfen.Bei Metrorrhagie (nach Finsterwalder):
Rp.:
Fol. Melissae (= Melissenblätter) Rad. Valerianae (= Baldrianwurzel) Visci quercini (= Eichenmistel) Fol. Juglandis (= Walnußblätter) Rad. Dictamni albi (= Diptamwurzel) aa 10 D.s.: 3 Teelöffel auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von Teemischungen_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.