Herbstzeitlose, Liliaceae.
Name:
Cólchicum autumnále L. (= C. multiflorum Brot., = C. crociflorum Anders). Herbstzeitlose. Französisch: Colchique, Tue-chien, Dame nue, Veilleuse, Mort-au-chien; englisch: Meadow Saffron; italienisch: Colchico, Zafferano selvatico; Efemero; dänisch: Tidlös; polnisch: Zimowit; russisch: Biezwriemiennik; schwedisch: Tidlösa; tschechisch: Ocún jesenní, ocún podzimní; ungarisch: Kikerics.
Verbreitungsgebiet
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Namensursprung:
Colchicum ist als Giftpflanze nach der Landschaft Colchis, der Heimat der Giftmischerin Medea, benannt. Der deutsche Name Herbstzeitlose nimmt Bezug auf die auffallend späte Blütezeit im Herbst, ebenso autumnale.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Die Volksnamen der Herbstzeitlose teilen sich in solche, die auf die Blüte, und solche, die auf die Früchte (und Blätter) Bezug haben. Als wirklicher Volksname ist die Bezeichnung Zeitlose für Colchicum autumnale verhältnismäßig selten. Sie findet sich z. B. als Zittlose (Hannover: Celle), Zeitlos‘, Zeitlos’n (Niederösterreich), Herbstzitlose, Herbstziglosa (Schweiz: Thurgau, St. Gallen). Herbstblueme, Herbstbloma (Schweiz), Winterblueme (Schweiz), Winterhaube, Winterhauch (Nassau).
In den Anfang des Herbstes fallen die Feste des hl. Michael (29. September) und des hl. Gallus (16. Oktober), daher Michelswurz (Riesengebirge, Nordböhmen), Michelszwippeln = -zwiebeln (Nordböhmen); Galläbluemä (Schweiz: Waldstätten). Die Schule beginnt wieder: Schulblume (Thüringen, Schweiz: Aargau). Zur Blütezeit der Herbstzeitlose machen sich die langen Abende bereits stark bemerkbar, daher: Abendmaie(n), maie = Blume (Elsaß); Kelterle, Kweltbluem, Kweltmaie(n), vom alemannischen Kilt = Abend (Elsaß); Liachtbluma (Schweiz: St. Gallen, Tößtal).
Eine andere Kategorie Namen bezieht sich auf die giftigen Eigenschaften der Pflanze, denen sie auch ihren Ruf als Mittel gegen Läuse verdankt; teilweise werden jedoch auch die Samen ohne weiteres mit Läusen verglichen: Läuseblum, Läusekraut (Nordböhmen), Lausbleaml, Lauskraud (österreich); Hundsblume (Nordböhmen), Hundsknofel = -knoblauch (Steiermark), Säu-Chrut (Schweiz: Aargau), Teufelswurz (Steiermark), Giftblume (Bayrisches Schwaben), Hennegift (St. Gallen), Leichenblum (Nordböhmen).
Ferner wird die Blüte der Herbstzeitlose mit anderen Blumen, besonders dem ähnlichen Safran (Crocus) verglichen: Wiesensafran (Riesengebirge, Niederösterreich), Wülda Safran (Niederösterreich), Wildsafran (Steiermark); Wiesenlilien (Niederösterreich). Da der unterirdische Stamm der Herbstzeitlose als Zwiebel ausgebildet ist, heißt sie in Nordböhmen „Wilde Zwiebel“. Sehr geläufig ist auch der Vergleich der Früchte mit einem Kuheuter: Kuheuter (Erzgebirge, Niederösterreich, Schwäbische Alb), Kühlesroada (Rauhe Alb), Küe-Uter (Schweiz: Aargau, Bern, Zug). Die langgestreckten Früchte werden auch mit einem „Wecken“, der bekannten Brotform, verglichen: Ditzeweck, der erste Bestandteil zu tutte = Zitze, Kuckucksweck (Gotha), Butterwecken (Bayrisches Schwaben); Teufelsbrot (Steiermark). Gleichfalls auf die Gestalt der Früchte beziehen sich Benennungen wie Môheitl = Mohnhäuptl (Nordböhmen), Mönchskappen (Steiermark); Pumperhöslain (Krain: Gottschee); Chlaffe(n) = Klapper, wegen der Samen (Schweiz: St. Gallen, Zürich). Nicht selten wird die Frucht auch mit einer Kuh (oder einem Kalb, Ochsen) selbst verglichen, wozu deren euterähnliche Form Anlaß geben mag: Kuhlemuh (Niederösterreich), Wisseküh = Wiesenkühe (Nahegebiet), Kühla, Kü(e)l(e) (Schwäbische Alb), Kühe (Bayrisches Schwaben), Mockla = Kuh (Rauhe Alb) Kaibln = Kälber, Kaiblbuschn (Oberösterreich) Ochse(n)-kälble (Elsaß); Ochsen (Kärnten); von schweizerisch Chutsch = Kalb; daher die schweizerischen Bezeichnungen: Chüetsche, Chüentsche, Chiengsche, Chüentschli, Chüetschüseckel.
Botanisches:
Die ausdauernde, bis 25 cm hohe Knollenpflanze mit grundständigen, breitlanzettlichen, saftigen Blättern und hell lila-rosa Blüten lebt meist gesellig auf gedüngten oder bewässerten, aber gemähten Wiesen Mittel- und Südeuropas. Die Pflanze blüht im Herbst, während die Blätter und die dreifächrigen, vielsamigen Kapsel-früchte erst im darauffolgenden Frühling erscheinen. Die schwarzen Samen besitzen klebrige Anhängsel, die sich leicht an die Klauen des Weideviehs heften und dadurch rasch verbreitet werden. – Das giftige Unkraut, das auch durch Beschattung des Grases schädlich wird, sucht der Landwirt durch Entwässern, Düngen mit Thomasmehl, Umbruch usw. zu entfernen. Blütezeit: September bis Oktober.
Geschichtliches und Allgemeines:
Unsere Herbstzeitlose kommt in Griechenland nicht vor, dagegen mehrere andere Colchicumarten. Dioskurides schildert das Colchicum (Synonym: ephemeron), welches meistens für C. latifolium gehalten wird, nur als Giftpflanze und empfiehlt als Gegenmittel Kuhmilch. Im Mittelalter war die Pflanze unter dem Namen Hermodactylos bekannt. Die h l. Hildegard führt sie unter dem Namen „Heylheubt“, offenbar mit Hinweis auf die Verwendung gegen Kopfausschläge und Kopfläuse, auf. Albertus Magnus erwähnt sie als Mittel gegen Podagra und Ausschläge, und H. Bock rät zu einem vorsichtigen Gebrauch. Erst Störck hat auf Grund klinischer Beobachtungen die Herbstzeitlose wirklich in die Medizin eingeführt.-In der Volksmedizin wird der Absud der Zwiebeln und der Blüten bei Kindern, aber auch beim Vieh, gegen Ungeziefer angewandt. In Graubünden gilt die Zwiebel morgens nüchtern gegessen als Mittel gegen die Gelbsucht. Aber auch bei Gicht, Asthma, Rheuma und Wassersucht wird sie dort verwandt. In der Tasche getragen sollen die Herbstzeitlosenzwiebeln gegen Schwindelanfälle und alle möglichen ansteckenden Krankheiten, besonders die Pest, schützen.
Eine große Anzahl von Geheimmitteln gegen Gicht enthielt als Hauptbestandteil Colchicum, so daß im 16. Jahrhundert sehr gebräuchliche Eau médicinale de Husson, der Liqueur de Laville, Lyquor Mylius, Albertus Remedy, Pilules de Becquerel, Pilules de Débout usw. Näheres über die Zusammensetzung verschiedener solcher Geheimmittel vgl. bei Loewe und Lange. Nach Loewe erklären sich die Widersprüche in den Beobachtungen der tierexperimentellen Untersucher durch die leichte Zersetzlichkeit und Veränderlichkeit des Colchicins. Dieses wurde im Jahre 1820 von Pelletier und Caventou zuerst dargestellt und für Veratrin gehalten. Geiger wies 1833 die Eigentümlichkeiten des Colchicins nach.
Als Wiesenunkraut ist die Herbstzeitlose sehr schädlich. Zwar lassen die Pferde und das Rindvieh sie gewöhnlich stehen, doch gehen junge Tiere, die sie versehentlich aufnehmen, leicht daran zugrunde. Schafe und Ziegen scheinen weniger empfindlich zu sein, sie können im Gegenteil ohne Schaden größere Mengen von der Pflanze vertragen. Jedoch enthält die Milch dieser Tiere dann das Gift; so erkrankten in Rom eine Menge Menschen nach dem Genuß von Ziegenmilch an den Symptomen einer Colchicinvergiftung.
Wirkung
Von Paracelsus wird Colchicum als äußerliches Beruhigungsmittel des Gehirns,
von Bock gleichfalls zu äußerlicher Anwendung als schmerzlinderndes, erweichendes und hautreinigendes Mittel empfohlen.
Auch Matthiolus und Weinmann warnen vor ihrem innerlichen Gebrauch, der schädlich, ja sogar tödlich sei.
Erst bei v. Haller findet sich die innerliche Verabreichung der Herbstzeitlose als „trefflich auflösend und zerteilend in Brustzuständen“.
Auch von Osiander wird Colchicum erwähnt.
Hufeland schildert es als ein bei chronischer Gicht zu gebrauchendes Mittel, das auch
von Williams gegen Gicht und Rheumatismus gerühmt werde.
Störck empfahl die Zeitlosenzwiebel gleich der Meerzwiebel (Bulb. scillae) als ein sehr wirksames Mittel bei Wassersuchten und asthmatischen Beschwerden, das zuweilen noch da Dienste leistet, wo die Meerzwiebel versagt habe.
Smith gebraucht es als Purgans, Jones als Cholagogum, da er eine Vermehrung der gelben Substanz in den Leberzellen fand. Ricart rühmt die diuret!X!sche Wirkung.
Stephenson und Churchill bestreiten die sichere diuretische Wirkung, empfehlen es aber als sehr gutes Mittel bei Arthritis, akutem und chronischem Rheumatismus, allen Entzündungen, auch Peritonitis, und mit Digitalis zusammen bei Hämoptoe.
Bentley und Trimen nennen als bewährte Indikationen Gicht, akuten Rheumatismus, Hydrops und hartnäckige Hautkrankheiten. Ferner bezeichnen sie es als Herzsedativum und Cholagogum.
Bei heftigen Schienbeinschmerzen, die auf Salizyl nicht reagierten, sah Gordon gute Erfolge mit Colchicumtinktur.
Die günstige Wirkung des Mittels bei Gicht erklärt Maclagan durch die Vermehrung der Diurese, Diaphorese, Ausscheidung der Harnsäure, Verminderung des Pulses und Linderung des Schmerzes. Wegen der Vermehrung der Harnsäureausscheidung verordnet er Colchicum auch bei Choleratyphoid (Urämie), Brightscher Krankheit, Hydrops und nach Scharlach mit komatösen Erscheinungen, die er als Folge einer Urämie ansieht. Ferner läßt er es bei Urtikaria und Prurigo anwenden.
Gairdner ist der Meinung, daß Colchicum bei Gicht als Sedativum aufs Herz wirkt.
Minkowski empfiehlt Colchicum als einziges Anfallsmittel bei Gicht, „namentlich in Fällen, bei welchen sich die Anfälle durch abnorme Heftigkeit, Dauer und Häufigkeit auszeichnen“. Ebenso sehen Kraus und Brugsch in Colchicum das einzige Therapeutikum des akuten Gichtanfalls. Auch nach Leclerc wirkt es, beim Beginn der Gichtanfälle gegeben, schmerzdämpfend und kürzt die Dauer der Krise ab. Er warnt vor der Verordnung bei bestehenden Nierenschädigungen.
Nach Loewe ist es bis in die neueste Zeit nicht möglich gewesen, durch positive pharmakologische Befunde eine Erklärung der Gichtwirkung des Colchicins, des wirksamen Bestandteils der Herbstzeitlose, zu bringen. Da auch er an mit Colchicinderivaten vergifteten Katzen und Fröschen eine hochgradige kapillare Hyperämie in der Schleimhaut des Magens und Darms feststellte [vgl. hierzu auch die Arbeiten von Gairdner, Fühner und Lipps], ist er der Ansicht, daß, um der Erklärung der Gichtwirkung des Colchicins auf experimentellem Wege näherzukommen, es nötig ist, einerseits zu untersuchen, inwieweit überhaupt bei den Kapillargiften Lähmung und Stase im Kapillarbereich anderer Organe, im besonderen der Gelenke und der am Gichtstoffwechsel beteiligten Organe, aufzufinden ist, andererseits die Wirkungen des nunmehr als Kapillargift erkannten Colchicins auf normale und gichtische Gelenke zu fassen zu suchen. Was die therapeutische Dosierung des Colchicins anbetrifft, so ist Loewe der Ansicht, daß die öfter gegebene Anweisung mit der Colchicindosis bis an die Grenze der Durchfälle zu gehen, nicht so ganz aus der Luft gegriffen ist. Wenn wirklich die Gichtwirkung auf die Gelenke – oder vielleicht auch, was unwahrscheinlicher ist, auf die Stoffwechselstätten der Gicht – von der gleichen Natur ist, wie die „Nebenwirkung“ am Darm, so darf man diese „Nebenwirkung“ beim Colchicin ebensowenig scheuen wie bei vielen anderen Arzneimitteln, bei denen so manche unwillkommene Begleitwirkung gleichfalls nicht ein Indikator für die Überdosierung, sondern gerade für die richtige Bemessung der Droge ist.
Beck stellte eine antiphlogistische Wirkung des Colchicins bei experimentell gesetzter Entzündung fest, und Schroeder und Baginsky fanden, daß es die Harnsäureausscheidung durch das Ileum um etwa 100% steigert, und zwar in Dosen, die keine Enteritis verursachen. Ob die festgestellte Steigerung der Harnsäureausscheidung nach Colchicin allerdings ein wesentlicher Faktor für seine Wirkung bei Gicht ist, muß nach Schroeder noch dahingestellt werden.
Das Colchicin, der einzige bekannte giftige Stoff der Herbstzeitlose, wurde zuerst in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in reiner Form isoliert. Es findet sich am reichlichsten in den Samen (0,2-0,6%, nach Loewe auch bis 0,9%), in geringerer Menge in den Knollen (0,08 bis 0,2%). Nach Niemann enthalten auch die Blüten ca. 0,816% Colchicin, welches in seinen Eigenschaften dem Samencolchicin völlig gleichen soll.
Außer dem Colchicin enthalten die Samen u. a. noch Gerbstoff, fettes Öl, Phytosterin, die Knollen Inulin, Asparagin und fettes Öl.
Experimentell wurde an 12 weißen Mäusen die Wirkung von subkutanen Colchicininjektionen gegen Tumoren geprüft. Bei 2/3 der Tiere waren nach Ablauf der zweiten Behandlungswoche die Tumore ganz geschwunden, bei dem letzten Drittel waren nur noch kleine Knotenbildungen vorhanden, die dann aber auch in den nächsten Wochen verschwanden. Auch beim Hund zeigte sich die Behandlung mit Colchicin wirksam gegen Tumoren.
A. P. Dustin berichtet, daß Untersuchungen über die Einwirkung des Colchicins auf maligne Tumoren beim Menschen im Gange wären, jedoch seien sie noch nicht so weit fortgeschritten, daß endgültige Schlußfolgerungen möglich seien. Das einzige positive Resultat sei bis jetzt die Beobachtung, daß Colchicin den mitotischen Rhythmus der malignen Tumoren beim Menschen beschleunigt.
Auch schon in früheren Zeiten glaubte man an eine gewisse spezifische Heilkraft des Colchicums gegen Krebs, allerdings nicht in Form einer inneren Arznei, sondern als äußerlich gut einwirkendes Mittel bei jauchenden Krebsgeschwüren. So berichtet z. B. Velpeau, daß noch im Jahre 1852 der Akademie der Medizin zu Paris von einem Arzte eine angeblich spezifisch wirkende Salbe gegen den Krebs zur Prüfung übersandt wurde, deren Hauptbestandteil Colchicum war.
An Gallenfistelhunden konnte Kionka eine choleretische Wirkung des Colchicins nachweisen.
Die Giftwirkung des im Colchicum enthaltenen Colchicins beruht wahrscheinlich auf einer Lähmung der Kapillaren. Sein Hauptangriffspunkt ist der Magendarmtraktus, wo es hochgradige Hyperämie, Blutungen, Schleimhautschwellung, Entzündung und Geschwüre verursacht, die sich durch heftige Gastroenteritis mit Brennen, Würgen, Durst, Magenschmerzen, Koliken, Erbrechen, schleimig-wäßrigem, oft blutigem Durchfall, äußern. Weiterhin bewirkt es Hämaturie, Albuminurie oder Anurie in den Gelenken, blutige Infiltration und Blutaustritt in die Gelenkhöhle und Gelenkschmerzen.
Die nach Colchicin stark gesteigerte Darmperistaltik führt Jacobj auf eine Erregbarkeitssteigerung des Darmes unter der Gifteinwirkung zurück, so daß jeder die Darmwand berührende Inhalt (Speisereste, Schleim, Luft) abnorm heftige peristaltische Bewegungen auslöst.
Es besitzt wie Cocain die Fähigkeit, nicht nur die fördernden, sondern auch die hemmenden Adrenalinfunktionen zu verstärken. Auf die Zellen verschiedener Organe wirkt es in verschiedener Stärke und Geschwindigkeit. Auf der äußeren Haut ruft Colchicum stark juckende Ausschläge hervor. Eine ausführliche Darstellung der Pharmakologie bringt Fühner.
Schwere Vergiftung zeigt sich durch Präkordialangst, Schwindel, Benommensein, Delirien, Konvulsionen und Kollaps, in einigen Fällen trat schwere Hirnhauthyperämie auf. Für die Colchicum- bzw. Colchicinvergiftung ist eine Latenzzeit von mehreren Stunden charakteristisch. Die Annahme von Schmiedeberg und Jacobj, daß das Colchicin im Organismus zu dem giftigen oder mindestens giftigeren Oxydicolchicin oxydiert werden muß, wird durch Versuche von Vollmer gestützt.
Auch an Menschen sind öfters Vergiftungen durch Colchicum beobachtet worden (vielfach auch durch die Nichtbeobachtung der kumulativen Wirkung [von Beyer als Sensibilisierung aúfgefaßt] veranlaßt), und zwar hauptsächlich durch Colchicumsamen, die ja, wie oben erwähnt, einen bedeutend höheren Colchicingehalt aufweisen als die Knollen. Die Vergiftungserscheinungen – choleraähnlicher Brechdurchfall, aufsteigende zentrale Lähmung – ähneln nach Fühner den im Tierversuch festgestellten. Das Bewußtsein der Vergifteten bleibt bis zum Tode erhalten. Besonders empfindlich gegen Colchicum und Colchicin sind nierenkranke Patienten. So beschreiben Suffet und Trastour den Fall eines gichtkranken Patienten, der nach einer Gesamtdosis von 3 mg Colchicin starb und bei dessen Sektion atrophische Zirrhose beider Nieren festgestellt wurde. Nach Mairet und Combenale wirkt diese Dosis beim normalen Menschen nur diuretisch, während die purgierende Dosis etwa 5 mg beträgt. In der älteren Literatur werden eine ganze Reihe von Colchicumvergiftungen beschrieben. Siegesbeck berichtet von 2 Kindern, die beim Spielen mit den Samenbehältnissen eine ganze Menge der ihnen ziemlich süß schmeckenden Samen genossen hatten. Sie fühlten sich auf einmal sehr krank und erbrachen heftig, wobei eine Menge Samen aus dem Magen entleert wurde. Das eine Kind starb, während das andere geheilt werden konnte. Brandt und Ratzeburg erwähnen den Fall zweier Knaben, von denen der eine nach dem Genuß von unreifen Colchicumsamen nach 24 Stunden, der andere nach 36 Stunden starb. Doch auch Vergiftungen mit den Knollen und den Blüten sind öfters beobachtet worden, so soll z. B. ein Kind, das eine Colchicumblumenabkochung als Purgiermittel erhielt, an den Folgen gestorben sein. Über weitere Vergiftungen vgl. auch Heger, Jerabek und Vignati, O. Mezger und W. Heeß, R. Zeynek und F. Haurowitz.
Überdie homöopathische Wirkungsweise der Herbstzeitlose schreibt Hahnemann: „Wenn es auch nicht die vielen Erfahrungen von Störck, Marges, Planchon …. und anderer versicherten, daß die Herbstzeitlose eine Art Wassersucht geheilt habe, so würde diese Kraft der genannten Wurzel schon von ihrer Eigenschaft, verminderte Absonderung eines feuerroten Harns mit stetem Harndrang, vor sich zu erregen (wie nächst Störck auch de Berge sah) leicht herzuleiten seyn, – sehr sichtbar aber ist das von Göritz durch die Zeitlose geheilte hyperchondrische Asthma und die von Störck durch die gehobene Engbrüstigkeit mit (wie es schien) Brustwassersucht verbunden, in der Tendenz der Herbstzeitlose, Schweratmigkeit und Asthma vor sich hervorzubringen, gegründet, dergleichen de Berge von ihr bemerkte.“
Nach den Angaben der modernen homöopathischen Literatur wird Colchicum außer bei gichtischen und rheumatischen Affektionen besonders in solchen Fällen gern angewandt, wenn der Gelenkrheumatismus oder die Gicht auf das Herz überspringt und rascher Verfall mit Dyspnoe, Oppression, Bauchschmerzen und Angst, alle Symptome schlimmer nachts, auftreten. Stauffer nennt es hier ein gutes Herzmittel. Weiter wird es gebraucht bei Erkrankungen des Magen- und Darmtraktus, wie Dysenterie und subakuter Proktitis mit viel Schleimabgang und bei hartnäckigen Diarrhöen, die von starker Übelkeit begleitet sind. Auch bei außerordentlich quälendem Singultus mit Übelkeit schon infolge des Geruches der Nahrung oder starkem Erbrechen als Folge von Magenkarzinom wird es erfolgreich gegeben.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Colchicum hat sich ausgezeichnet bei Gicht bewährt. Mit sehr gutem Erfolge wird es auch bei rheumatischer und gichtischer Endo – und Perikarditis, subakutem und chronischem Muskel – und Gelenkrheumatismus verordnet. Hierzu teilt Mühlschlegel, Stuttgart, mit, daß er bei subakuter Gicht besonders im Herbst deutliche Erfolge sah, während bei Polyarthritis rheumatica nur in etwa einem Drittel der Fälle Besserung eintrat. Dagegen schreibt Weiß, Frankenthal, daß er wieder bei Gicht keine positiven Resultate hatte. Trotz dieser vereinzelten Mißerfolge und Einschränkungen kann man Colchicum mit Recht als eines unserer besten Gicht- und Rheumamittel bezeichnen.
Ferner ist Colchicum auch bei anderen Leiden, bei denen eine gesteigerte Diurese erforderlich ist, wie Hydrops, auch Anasarka, Scharlachnephritis und Cystopathien mit stinkendem Urin (hier im Wechsel mit Acid. benz.) am Platze.
In kleinen homöopathischen Dosen wird es bei hartnäckigen Diarrhöen mit Nausea, Typhus, Herbstruhr mit Koliken, Blähungen mit Stuhldrang und großer Schwäche, und nach Winter, München, bei Enteritis rheumatica angewandt.
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung verschiedener Heilpflanzen bei:
Angewandter Pflanzenteil:
Dioskurides, Matthiolus, Bock warnen vor dem innerlichen Gebrauch der giftigen Wurzel (Zwiebel, Knolle).
Paracelsus und Bock kennen die äußerliche Anwendung der Wurzel. v. Haller empfiehlt den Gebrauch der jungen, getrockneten Wurzel (Zwiebel) gegen Brustleiden.
Störck gebrauchte die Zwiebel.
Nach Geiger war die Wurzel, Radix Colchici offizinell, doch wurden auch die Samen und Blüten als sehr wirksam empfohlen.
Williams, Ipswich, empfahl der längeren Haltbarkeit wegen die Samen, die 1826 in die englische Pharmakopöe aufgenommen wurden.
The Brit. Pharm. Codex nennt Zwiebel (Knolle), Samen und Blüten, Hager und Zörnig die von wild wachsenden Pflanzen vorsichtig getrockneten Samen und die von den Stengelresten, den braunen Hüllen und Wurzeln befreiten, sorgfältig getrockneten Knollen (Zwiebeln). Außerdem wird noch der seltenere Gebrauch der frischen Knollen erwähnt.
Das HAB. läßt eine homöopathische Urtinktur aus den frischen, im Frühjahr gesammelten Knollen (sog. Zwiebeln) (§ 1), eine zweite aus den reifen Samen (§ 4) herstellen. Auch das „Teep“ wird in zweifacher Form bereitet, und zwar eins aus frischen, im Spätsommer (Juli, August) vor der Blütezeit gesammelten Knollen, das zweite aus den im Juni gesammelten Samen.
Bulbus Colchici ist offizinell in England, Portugal, Rumänien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Semen Colchici ist in fast allen Ländern offizinell.
Dosierung:
Übliche Dosis:
0,1-0,2-0,3 g Bulbus Colchici mehrmals täglich (Klemperer-Rost);
0,008-0,15-0,25 g Sem. Colchici (Klemperer-Rost);
10-20-40 (!) Tropfen Tinct. Colchici e sem. mehrmals täglich (Hager, Klemperer-Rost).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ Colchici e bulbo oder „Teep“ Colchici e sem. drei- bis viermal täglich.
(„Teep“ Colchici e bulbo ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Bulb. Colchici oder bei einem Gesamtalkaloidgehalt der frischen Pflanze von 0,2%, bezogen auf Trockensubstanz, 0,25 mg Colchicin. „Teep“ Colchici e sem. ist auf 10% eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Sem. Colchici.)
In der Homöopathie:
dil. D 3-4.
Maximaldosis:
0,2 g pro dosi, 0,6 g pro die Pulv. Colchici e sem. (Internat. Vorschl.);
2 g pro dosi, 6 g pro die Tinct. Colchici e sem. (DAB. VI); dagegen 1 g pro dosi, 3 g pro die Tinct. Colchici e sem. (Helv.);
0,002 g pro dosi, 0,005 g pro die Colchicinum (DAB. VI).
Rezeptpflichtig:
Semen Colchici, Tinctura Colchici e sem., Colchicinum. Die obengenannten Ausgangsstoffe sind auch in den homöopathischen Zubereitungen bis einschließlich D 3 rezeptpflichtig.
Rezepte:
Als Antirheumatikum: Liqueur Laville (mod. v. Vers.):
Rp.:
Rhei Ø Zingib. Ø aa 3 Cardamoni Ø Guajaci Colchici e sem. aa 10 D.s.: Zweimal täglich 1/2 Teelöffel voll.Bei Gicht (nach Loewe):
Rp.:
Colchicini 0,02-0,03-0,05 Extr. et succ. Liquirit. q. s. f. pil. Nr. XXX. D. ad vitr. nigrum. S.: Je nach Empfindlichkeit des Patienten bei den ersten Anzeichen des Anfalles einige Tage lang zwei- bis viermal täglich 1 Pille bis zum Auftreten von Durchfällen, oder aber am 1. Tage 4, am 2. Tage 3, am 3. Tage 2 usw. Pillen (1 Pille = 1 mg Colchicin).Oder (nach Klemperer-Rost):
Rp.:
Tinct. Colchici 10 Tinct. Aconiti 3 Tinct. Opii crocatae 2 M.d.s.: Drei- bis viermal täglich 15-30 Tropfen. Unter Verschluß zu halten.Bei Rheuma und Gicht (nach Hager):
Rp.:
Tinct. Colchici semin. 15 Sirupi Sacchari 85 M.d.s.: 1-2 Teelöffel drei- bis viermal täglich.Bei Gicht und Rheumatismus (nach Kroeber):
Rp.:
Bulb. Colchici (= Herbstzeitlosenzwiebel) Rad. Bryoniae aa 10 (= Zaunrübenwurzel) Rad. Gentianae (= Enzianwurzel) Flor. Chamomillae aa 20 (= Kamillenblüten) Hb. Betonicae 40 (= Betonienkraut) M.f. species. D.s.: Zum Dekokt. Tagsüber schluckweise 1-2 Tassen. Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 1 Teelöffel auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von TeemischungenAls Antirheumatikum Oxymel Colchici (Pharm. Sax. et Austr.):
Rp.:
Acetum Colchici 10 Mellis depur. 20 Eindicken. D.s.: Dreimal täglich 1/2 Teelöffel. _____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.