Löffelkraut, Cruciferae.
Name:
Cochleária officinális L. (= C. Linnae Griewank pro parte, = Nasturtium cochlearia Krause, = Crucifera cochlearia Krause pro parte). Echtes Löffelkraut, Löffelkresse, Scharbockskraut. Französisch: Cranson, herbe aux cuillères, herbe au scorbut, cranson officinal; englisch: Spoonwort, scorbute-grass, scurvy grass; italienisch: coclearia; dänisch: Lägekokleare; litauisch: Krienas; norwegisch: Kokleare, Skörbukgress; polnisch: Warzęcha; russisch: Lozecznaja trawa: schwedisch: Skörbjuggsört; tschechisch: Lzičnik lékařský; ungarisch: Kanalfü.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Spitzbergen, Nowaja-Semlja, arktisches Nordamerika.
Namensursprung:
Cochlearia wird abgeleitet vom lateinischen cochlear = Löffel, unter Bezugnahme auf die Form der Grundblätter von Cochlearia officinalis.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Nach dem Standort heißt die Pflanze in Niederösterreich Quellenkräutl, nach ihrer (volks)medizinischen Anwendung Lung’nkreß.
Botanisches:
Die zwei- bis mehrjährige, bis 30 cm hohe Pflanze mit eiförmig bis rundlich, grobgezähnten saftreichen, glatten Blättern und weißen, wohlriechenden Blüten in etwas überhängender Traube ist hier und da in Sümpfen, an Quellen und Bächen Europas anzutreffen. Trotz der oben geschilderten Blätter (ohne jede Schutzeinrichtung) ist die Pflanze gegen Frost hochgradig unempfindlich. Kjellmann beobachtete, daß eine verwandte Art – 46° ohne Schaden ertrug. Ihre Unempfindlichkeit kann nur aus der spezifischen Konstitution des Protoplasmas erklärt werden. Cochlearia ist halophil, eine Sodapflanze. In ihrer Asche finden sich reichlich Sulfate. Blütezeit: Mai bis September.
Geschichtliches und Allgemeines:
Seit alters her gilt Cochlearia officinalis als eines der vorzüglichsten antiskorbutischen Mittel, das den Seefahrern sehr bekannt war und durch diese in der ganzen Welt verbreitet wurde. Auch der niederländische Botaniker Dodoens rühmt es als Antiskorbutmittel (Cruydeboek 1554) und nach ihm Cazin und Chaumeton. Moellenbock berichtet von guten Erfolgen, die er an einem Patienten bei einer Abmagerungskur erzielt hat. Auch gegen Krankheiten der Verdauungswege, Verschleimung der Luftwege, Hautausschläge, Krankheiten des Mundes und des Zahnfleisches, Rheumatismen, als desinfizierendes und schweißtreibendes Mittel fand es Anwendung. Man ließ frisch zerquetschte Pflanzen mit Zucker, die sogenannte „Conserva Cochleariae“, gären. Der so gewonnene Wein wurde bei Wassersucht und Rheumatismus getrunken. In der tierärztlichen Praxis wischt man mit dem Saft der Pflanze das Maul des Rindes bei Maul- und Klauenseuche aus. Aus dem frischen Kraut wird durch Destillation ein Spiritus bereitet, auch kann Soda daraus gewonnen werden. Im Norden wird das Löffelkraut auch als Gemüsepflanze verwendet oder als Zusatz zu Salat oder auf Butterbrot gegessen.
Wirkung
Matthiolus stellt das Löffelkraut bezüglich seiner Wirkung bei Scharbock an die Seite der Brunnenkresse.
Auch Weinmann ist das Löffelkraut als eine „überaus nützliche Artzney wider den Scharbock“ bekannt. Der von ihm zitierte Moellenbroccius will mit dem Spiritus Cochleariae, 20-30 Tropfen in Wein, Bier oder Milch, gute Erfolge bei Adipositas gesehen haben.
Woyts verordnete es gegen Kachexie, Hydrops, Amenorrhöe und Engbrüstigkeit.
v. Haller rühmt ihm antiskorbutische, blutreinigende, harntreibende und eröffnende Kraft zu und läßt es äußerlich bei Wunden und Geschwüren gebrauchen.
Von „seinen großen Heilkräften“ gegen Skorbut spricht auch Hecker, der es außerdem bei Verschleimung des Unterleibes, Asthma pituitosum, beginnenden Lähmungen, Rheuma, Flechten und Geschwüren verordnet.
Osiander nennt es als Volksmittel gegen Skorbut und Skrofulose, wobei es auch in der heutigen Volksmedizin noch Verwendung findet, die sich ferner auf Nasenbluten, Rheuma und Gonorrhöe erstreckt.
Clarus gibt als Indikation chronische Hautleiden und chronische Leberhyperämien an.
E. Meyer erklärt die diuretische Wirkung von Kraut und Wurzel aus der Reizwirkung der Senfölglykoside auf die Nierenepithelien. Nach ihm ist der frische Saft manchmal von guter antirheumatischer Wirkung.
Das Kraut enthält ein flüchtiges schwefelhaltiges, dem Senföl ähnliches Öl, Butylsenföl, das Entzündungen hervorrufen kann.
Die Wertbestimmung erfolgt durch Untersuchung auf den Gehalt an Senföl, welches durch Myrosinase bereits aus dem Glykosid Glycocochlearin entsteht. Die Silberzahl wurde in der homöopathischen Tinktur zu 0,024 gefunden. Der Senfölgehalt ist also in der Tinktur verhältnismäßig klein.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich gegen Skorbut, äußerlich gegen Hautausschläge.
Litauen: Der frische Saft des Rhizoms zu Einreibungen gegen Rheuma.
Norwegen: Als Vorbeugungsmittel gegen Skorbut. (Wird auch „Finnmarkskål“ – Finnmarks-Kohl – genannt, da die Leute in diesem nördlichsten Teil Norwegens innerhalb des Polarbezirks dieses „Skorbutgras“ in Fässer zum Wintergebrauch einmachen.)
Ungarn: Gegen Skorbut.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Infolge des reichen Vitamingehaltes (Vitamin C) eignet sich Cochlearia officinalis vorzüglich gegen Skorbut und zum Blutreinigungsmittel zu Frühjahrskuren. Auch bei Zahnfleischentzündungen mit Lockerung der Zähne, die nicht von Skorbut herrühren (z. B. Hg-Vergiftung, Paradentose), bei Mund- und Halsgeschwüren und septischer Angina hat sich Cochlearia, insbesondere als Gurgelwasser, bewährt, ebenso innerlich bei Dermatopathien wie chronischen Exanthemen und Ekzemen und bei Skrofulose. Ebenso ist es bei Erscheinungen wie Schwindel, Trägheit, Übelkeit und Ekel durch Schwanken und Erschütterung am Platze.
Als eröffnendes und harntreibendes Mittel ist es bei Blasenleiden, Wassersucht, auch Aszites, Ödemen, Nierenhypofunktion, Grießbildung, Harnverhaltung, Prostataaffektionen und veralteter Gonorrhöe indiziert und wird auch gelegentlich als Frauenmittel (Schleimanhäufungen im Unterleib, Perioden- und Unterleibsstörungen mit Herzschwäche) aufgeführt.
Endlich wird es noch bei Rheuma, Gicht und nach Dick bei Sexualleiden und Impotenz (hier im Wechsel mit Ambra) angewandt. Bei Kopf-und Zahnschmerzen, Ischias, Lumbago und Neuralgien erzielte Wittlich durch Breiumschläge Besserung.
Als Blutreinigungs- und Antiskorbutmittel wird oft der frische Saft gegeben, zum Teegemisch wären Nasturtium officinale und Glechoma hederacea zu empfehlen.
Als Diuretikum wirkt ein Teegemisch mit Juniperus und Equisetum arvense günstig.
Angewandter Pflanzenteil:
Matthiolus verwendet das Kraut.
v. Haller rühmt das frische, vor der Blütezeit gesammelte Kraut, die Samen hält er für noch schärfer.
Hecker nennt das frische Kraut.
Nach Geiger waren das frische Kraut und die Samen, Herba et Semina Cochleariae. offizinell. Das getrocknete Kraut hält er für unwirksam. Der aus den Samen hergestellte Löffelkrautgeist war nach seinen Angaben weniger flüchtig scharf als der aus den Blättern bereitete.
Zörnig gibt die Verwendung der Blätter der noch nicht zur Blüte gelangten Pflanze des ersten Jahres und die der Blätter und blühenden Stengel der zweijährigen Pflanze an.
Das HAB. nennt das frische, blühende Kraut (§ 3). Für besonders geeignet für die Zubereitungen halte ich das frische Kraut der einjährigen, kurz vor der Blüte stehenden Pflanze (Sammelzeit: Mai bis Juni), aus dem auch das „Teep“ hergestellt wird. Doch ist auch der Gebrauch der im Herbst gesammelten Samen nicht abzulehnen.
Herba Cochleariae ist offizinell in Holland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Rußland.
Dosierung:
Übliche Dosis:
50-100 g des Saftes (Leclerc);
15-30 g des Saftes (Hecker).
1 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)
In der Homöopathie:
dil. D 1-3.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Skorbut:
Rp.:
Succi Cochleariae off. rec. parat. 125 D.s.: Dreimal täglich 1 Teelöffel voll zu nehmen.Als Blutreinigungsmittel, bei Skorbut und Rheuma (Portug.):
Rp.:
Succi Cochleariae recent. 400 Succi Nasturtii offic. rec. 300 Succi Citri 300 Semper recent. parat. et filtr. D.s.: Dreimal täglich von jedem Saft 1 Eßlöffel zu nehmen.Bei Skrofulose und Rachitis (nach Kroeber):
Rp.:
Rhiz. Calami 10 (= Kalmuswurzel) Hb. Nasturtii (= Brunnenkressenkraut) Fol. Menyanth. trifol. aa 15 (= Fieberkleeblätter) Cort. Cinnamomi ceyl. (= Zimtrinde) Hb. Cochleariae (= Löffelkraut) Hb. Absinthii aa 20 (= Wermutkraut) C.m.f. species. D.s.: Zum Aufguß. Tagsüber schluckweise 2-3 Tassen trinken. Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 3 Teelöffel auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von TeemischungenGegen Kopf- und Zahnschmerzen und Neuralgien (nach Wittlich):
Man legt die zerquetschten Blätter von Cochlearia off. auf die leidenden Stellen auf.Bei Skorbut äußerlich (nach Dieterich):
Rp.:
Spiritus Cochleariae 25 Tincturae Spilanthis comp. 25 Tincturae arom. 12,5 Aetheris acetici 6,75 Acidi acetici (96%) 3,75 Acidi salicyli 2,50 Aqua dest. 50 Coccionellae 0,675 Olei Salviae 0,25 Olei Menth. pip. angl. (1,0) 0,25 Man erwärmt auf 66° und stellt einige Tage kühl. D.s.: Teelöffelweise dem Mundspülwasser zusetzen.Bei Paradentose als Gurgelwasser:
Rp.:
Hb. Cochleariae (= Löffelkraut) Hb. Salviae aa 30 (= Salbeikraut) M.f. species. D.s.: Abends 1 Teelöffel mit 1 Tasse Wasser kalt ansetzen, morgens zum Gurgeln verwenden und noch einmal mit Wasser übergießen und abends zum Gurgeln verwenden. _____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.