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Gemeine Waldrebe, Ranunculaceae.

Name:

Clemátis vitálba L. Gemeine Waldrebe. Französisch: Clematide des haies, herbe aux gueux, viorne, vigne blanche, berceau de la Vierge; englisch: Old man’s beard, traveller’s joy, virgins-bower; italienisch: Clematide, vitalba, viorna.

Verbreitungsgebiet

Weiteres Vorkommen: Nordamerika. Kultiviert im !X!brigen Deutschland.

Namensursprung:

Clematis; siehe Clematis recta, vitalba von vitis = Rebe und albus = weiß, wegen der weißen Blüten dieses Schlinggewächses.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Viele volkstümliche Bezeichnungen sind abzuleiten vom althochdeutschen liela, mittelhochdeutschen liele = vitis alba (weiße Rebe). So: Lelum (Nahegebiet), Lieln (Salzburg), Lählen (Siebenbürgen), Liele, Jele (Schweiz), Liere, Lierach (österreich) usw. Auf die strickartigen Stengel deuten hin: Waldstrick (Salzburg), Bergrebe (Schwaben), Teufelszwirn (Bayern-österreich), Deuwelsranken (Braunschweig) usw. Rauchholz (Schweiz), Räucherli (Schweiz), weil die Knaben gern die trockenen Stengel rauchen, und Narrenholz (Tübingen), weil sie davon Schwindel bekommen.

Botanisches:

Die Gemeine Waldrebe ist ein ausdauernder Strauch mit kräftigem, knotigem Wurzelstock. Die klimmenden Stengel, die bis zu 3 cm dick und bis 5 m lang werden können, verholzen im Alter. Sie sind kahl, in den oberen Teilen flaumig und vielkantig. Die gegenständigen Laubblätter sind gestielt und unpaarig gefiedert. Sie bestehen aus drei bis fünf langgestielten, länglich-eiförmigen Blättchen. Die Blattstiele sind rankend. Die Blüten stehen in mehr oder weniger reichblütigen Trugdolden. Die Blüten, die schwach nach Weißdorn duften, sind lang gestielt. Sie bestehen aus vier langen, schmalen, weißfilzigen, milchweißen, abstehenden oder zurückgebogenen Blütenhüllblättern und zahlreichen Staubgefäßen. Fruchtknoten zahlreich. Aus diesen entwickeln sich die rotbraunen, eiförmigen, flaumigen Nüßchen, die von dem federig-zottigen verlängerten Griffel lang geschwänzt erscheinen, so daß der Strauch im Herbst wie mit Federbüschen bedeckt aussieht. Blütezeit Juni bis September.

In Süd- und Mitteleuropa sowie in Nordamerika ist der Kletterstrauch heimisch. Hier ist er nicht selten in feuchten Wäldern, Gebüschen, Hecken und Auen, an Waldrändern, wo er an verschiedenen Bäumen und Sträuchern emporklimmt. Da die Waldrebe zur Bekleidung von Lauben benutzt wird, ist die Pflanze hier und da verwildert und eingebürgert. Diese einheimische Liane klettert mit Hilfe ihrer auf Berührungsreize empfindlichen Blattstiele. Da die Honigblätter fehlen, spendet die Blüte den Besuchern nur Blütenstaub.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Waldrebe wurde schon im Altertum zu medizinischen Zwecken verwendet. So schreibt Dioskurides von ihren Heilkräften: „Ihre Frucht, fein gestoßen mit Wasser oder Honigwasser getrunken, führt Schleim und Galle nach unten ab. Die Blätter als Umschlag vertreiben Aussatz.“ Die mittelalterlichen Kräuterbücher (vgl. unter Wirkung) bringen ähnliche Indikationen. Die Stengel und Blätter wurden unter dem Namen Stipites et Herba Clematidis silvestris in den Offizinen geführt. Der mittlere gelbe Teil der Rinde wird in Luzern gesotten und dient dann zu den sogen. „Vollenschübeln“, d. h. zum Zusammenbinden der Grasbündel, welche zum Seihen der Milch in die Holztrichter gelegt werden.

Wirkung

Matthiolus behandelt die Clematis tertia, unsere Pflanze, zusammen mit der Clematis altera, der Italienischen Waldrebe (C. viticella L.) und sagt von ihrer Wirkung, daß „der samen zu Pulver gestoßen / treibt den Phlegmatischen Schleim und Gallen durch den Stuhlgang / Die Bletter zerstoßen und aufgelegt / etzet die Haut auff und ziehen auß die böse verdorbene Nägel an den Fingern“.

Bock schreibt: „Dise Reben werden bey uns nit vil in der artzney genützt.“ Als Wirkung nennt er aber doch unter Berufung auf Dioskurides und Serapio, daß die in Meerwasser gesottene Wurzel die Wassersucht „ausführen“ solle. Die Flecken und Makeln auf der Haut, wie Flechten und Zittermäler, werden durch äußerliche Verwendung der Pflanze vertrieben.

Orfila setzt die verschiedenen Clematisarten in ihren Wirkungen gleich.

Hecker ist der Meinung, daß Clematis vitalba nach Geschmack, Geruch und Wirkung auf den menschlichen Körper und wahrscheinlich auch in ihren chemischen Bestandteilen mit denen der C. recta übereinstimme. Er zitiert Wendt, der die Pflanze bei rheumatischem Kopfweh, eingewurzelter Lustseuche und skrofulöser Schärfe nützlich befunden habe. Ehemals sei die Pflanze angewendet worden bei Quartanfieber, Wassersucht und äußerlich bei rheumatischen, gichtischen Schmerzen sowie bei Krätze.

Der Ansicht, daß C. vitalba in „ihren medizinischen Tugenden“ denen der C. recta nahe stehe, ist auch Geiger.

Beim Verarbeiten von frischem Kraut von Clematis vitalba und anderen anemoninhaltigen Pflanzen in einer Fleischmaschine entsteht eine fast unerträgliche Atmosphäre, welche Nasenschleimhaut und Augen zu starkem Niesen bzw. Tränenfluß reizt.

Nach einer von Muszynski veröffentlichten Mitteilung von Wolanski benutzen die Neger des Kongogebietes die frische Wurzelrinde oder einige frische Blättchen und Blüten der Gemeinen Waldrebe als Kopfschmerzenmittel, indem sie die Pflanzenteile zerreiben, mit wenig Wasser befeuchten und je einige Tropfen des zwischen den Blättern ausgepreßten Saftes in die Nasenlöcher bringen. Bei Nachprüfung dieser Anwendung fand Wolanski, daß selbst der heftigste Migräneanfall sich auf diese Weise in einigen Minuten beseitigen ließ. (Nach den mir zur Verfügung stehenden botanischen Unterlagen erscheint mir das Vorkommen von Cl. vitalba im Kongogebiete fraglich. Verf.)

Schulz, der die Wirkung von C. recta ausführlich bespricht, erwähnt von C. vitalba nur, daß man sie nicht mit jener verwechseln dürfe.

Clematis vitalba enthält u. a.: Anemonin, Caulosaponin (= Leontin), Clematitol (= Clematitin), das Stigmasteringlucosid, Cerylalkohol, Myricylalkohol, Behensäure, Melissensäure, Sitosterin, Trimethylamin.

Die Blüten von Clematis vitalba wirken nicht bakterizid bzw. fungizid. In der homöopathischen Tinktur konnte Anemonin nicht aufgefunden werden. Bezüglich des Saponingehaltes wurde in der homöopathischen Tinktur ein hämolytischer Index von 1 : 20 festgestellt.

L. Kofler und W. Aufermann (Pharmakognostisches Institut Innsbruck) fanden, daß beim Trocknen bei 70° die hämolytische Wirkung von Clematis vitalba nicht mehr feststellbar ist. Sie bleibt jedoch nachweisbar, wenn man die Pflanze im Schatten und in der Sonne trocknet. Doch auch in diesem Fall sinkt sie von 280 der frischen Pflanze auf 190 bzw. 170.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Die Waldrebe wird von Cartier (Hom. Metropolitan Hospital, New-York) als ein Hauptmittel bei Ulcus cruris (innerlich und äußerlich angewandt) bezeichnet. Auch die Angabe von Wolanski, daß sich selbst der heftigste Migräneanfall durch Clematis vitalba beseitigen lasse, verdient Nachprüfung.

Angewandter Pflanzenteil:

Samen und Blätter werden von Matthiolus erwähnt. Bei Bock finden sich Angaben über die Verwendung von Wurzel und Blüten neben der des Saftes der Pflanze. Geiger nennt Radix, Folia et Stipites als früher offizinell. Zur Herstellung des „Teep“ werden die frischen Blätter benutzt. Homöopathische Essenz nach dem HAB.: Frische Blätter.

Dosierung:

Übliche Dosis:

1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ zwei- bis dreimal täglich.

(Die „Teep“ -Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Fol. Clematidis vitalbae.)

In der Homöopathie:

dil. D 2, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt, doch Vorsicht bei größeren Dosen.

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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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