Wanzenkraut, Ranunculaceae.
Name:
Cimicifúga racemósa Bart. (= Actaea racemosa L., = C. serpentaria Pursh., = Macrotys actaeoides). Wanzenkraut, Langtraubiges Christophskraut, Nordamerikanische Schlangenwurzel, Schwarze Schlangenwurzel, Trauben-Silberkerze. Französisch: Actée à grappes; englisch: Black snake-root, black cohosh, bugbane, deerweed, rattleroot, rattlesnake root, rattleweed, richweed, squawroot; italienisch: Cimicifuga; tschechisch: Ploštičník.
Verbreitungsgebiet
Offizinell in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Namensursprung:
Cimicifuga ist aus dem lateinischen cimex = Wanze und fuga = Flucht in bezug auf die Feststellung, daß die Pflanze nie von Blattwanzen befallen wird, entstanden; racemosa vom lateinischen racemus = Traube weist auf die Anordnung der Blüten hin.
Botanisches:
Die bis 2 m hohe ausdauernde Pflanze ist im atlantischen Nordamerika und zwar vorwiegend im Blue Ridge-Gebirge (von Alabama bis Pennsylvanien) anzutreffen. Ihre aufrechten Stengel tragen große doppelt gefiederte Laubblätter mit spitzen tief gesägten Blättchen. Die kleinen weißlichen Blüten, die in sehr langen schmalen Trauben stehen, entwickeln Balgfrüchte. Blütezeit: Juli.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Pflanze wird seit langem von den Eingeborenen Nordamerikas als gutes Mittel gegen Schlangenbiß und zur Erleichterung der Entbindung geschätzt. Ende des 17. Jahrhunderts wurde sie botanisch zuerst von Morrison beschrieben, der ihr den Namen Christophoriana canadensis gab. 1743 empfahl Colden in einer schwedischen Zeitschrift die Wurzel in Kataplasmaform zur Zerteilung zirrhöser Geschwüre, worauf sie auch Linné als Actaea racemis longissimis in seine Materia medica aufnahm. Durch Garden, der sie bei Lungenschwindsucht rühmte, wurde sie im ärztlichen Gebrauch bekannt. Simpson, Varis, Davis u. a. nannten sie als Spezifikum bei Rheuma und Chorea, während Colvin und Knox für ihren Gebrauch als wehenanregendes Mittel eintraten.
Wirkung
In Amerika und England wird die Cimicifuga racemosa sehr häufig verwendet. Man verordnet sie dort bei Bronchialkatarrhen, Chorea, namentlich im Pubertätsalter, Rheumatismen, Neuralgien und wegen der ihr zugeschriebenen Wirkung auf den Uterus gegen Amenorrhöe, Dysmenorrhöe, neuralgische Uterus- und Ovarienbeschwerden, in der Geburtshilfe zur Einleitung von Uteruskontraktionen, Aufhaltungen von Blutungen, Erleichterung von Nachschmerzen nach der Entbindung, bei Puerperalmanie und Peritonitis, wobei sehr beachtliche Erfolge mit diesem Mittel erzielt wurden. Als Nervinum bei Delirium tremens und funktioneller Impotenz soll es sich gut bewährt haben, ebenso als Stomachikum, insbesondere bei Dyspepsie von Alkoholikern, bei Kardiopathien, namentlich schwachem und Fettherzen, hält es Potter für sehr wirksam und schreibt ihm digitalisähnliche Wirkung zu.
Dagegen fand Chauliaguet allerdings, daß die beiden Pflanzen nur die diuretische Wirkung gemeinsam haben. Nach ihm beruht die Cimicifugadiurese auf einer leichten vasomotorischen Beeinflussung der Bauchorgane, insbesondere des Nierengebietes.
Auf die ausgezeichnete Wirkung der Cimicifuga bei Ohrensausen machten zuerst Robin und Mendel aufmerksam. Weiter stellten sie eine günstige Beeinflussung der Schwere-, Völle- und Spannungsgefühle bei eitriger Otitis durch das Mittel fest.
Auch Arnheim empfiehlt es bei Ohrensausen, und Leclerc nennt es hier sogar das wirksamste Mittel, „ob das Ohrensausen nun von einer Verletzung des Hörapparates, oder aber von Rückwirkung nervöser Störungen auf den Hörnerven herrührt.“ Man erzielt die besten Erfolge, wenn man mit mäßiger Dosis (2 Kaffeelöffel voll der Tinktur täglich) beginnt und dann, wenn diese Dosis ohne Nebenerscheinungen vertragen wird, sie nach 2-3 Tagen auf 4, ja selbst 5 Kaffeelöffel steigert. Weiter schreibt Leclerc der Cimicifuga sehr gute Wirkung zu durch Besänftigung der nervösen Reizbarkeit und Störungen der Reflexerregbarkeit bei Chorea, bei Dystrophien im Bereiche des neurovegetativen Apparates, zur Bekämpfung von Spasmen während der Menstruation, zur Erleichterung der Entbindung und als schmerzstillendes Mittel bei Rheumatismus. Ähnliche Anwendungsweisen wie die oben erwähnten finden sich auch in der homöopathischen Literatur.
Eine Verwandte, die Cimicifuga foetida, wird in der japanischen Medizin seit Jahrhunderten als „Entgiftungs-, Entfieberungs- und Stärkungsmittel“ gebraucht.
Hutchinson konnte im Tierversuch durch Injektionen des Fluidextraktes Senkung des Blutdruckes, Nachlassen der Herzkraft und Verringerung der Herzschläge beobachten.
Große Gaben verursachen heftigen Kopfschmerz, Steifheit und Zittern der Glieder und starken Priapismus, wie Brainard in Selbstversuchen feststellen konnte.
Der Wurzelstock enthält in kleinen Mengen Hesperidinsäure, Salizylsäure, Methoxyzinnamonsäure, Gerbstoff und Zucker sowie Spuren eines alkaloidartigen Stoffes, ferner eine harzige Verbindung, das Racemosin oder Cimicifugin. Letzteres verursacht auf der Haut Rötung und Blasenbildung, innerlich Gastroenteritis, Dyspnoe und Delirien.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Cimicifuga ist ein ausgezeichnetes Mittel gegen Ohrensausen, das auch bei Otosklerose und Otitis media erfolgreich angewandt wird. So berichtet Runck, Ludwigshafen, von 6 Fällen von Ohrensausen, die zum Teil 1/2-1 Jahr durch Fachärzte behandelt worden waren, und die er mit Cimicifuga Oligoplex heilen konnte (Kurdauer 6 Wochen, längstens 3 Monate).
Einesehr bedeutende Rolle spielt das Mittel ferner auf dem Gebiete der Gynäkologie, wo es sich bei Dysmenorrhöe, Ovaritis, Metritis, Endometritis, Puerperalfieber mit Tobsucht und Geistesstörung, Menorhagien und bei Graviditäts- (auch bei Krämpfen) und Klimakteriumsbeschwerden sehr bewährt hat. Donner, Berlin, bezeichnet Cimicifuga als das erfolgreichste Mittel bei dem arthralgisch – myalgisch – neuralgischen Symptomenkomplex der Klimax und ähnlichen endokrinen Zuständen und gibt als Wechselmittel bei Patientinnen in der Klimax, die außerdem über Beschwerden, die durch organische Veränderungen bedingt waren, klagten, Sepia. Für die Dosierung bei Klimakteriumsbeschwerden ist zu beachten, daß bei vorwiegend somatischen Symptomen starke, bei nervösen Symptomen dagegen schwache Dosen verordnet werden. Geschätzt wird Cimicifuga auch als Geburtsmittel. Hier setzte Janke Cimicifuga mit Calc. fluorat. ein und konnte stets einen normalen Verlauf der Entbindung beobachten, selbst in Fällen, wo Fachärzte einen operativen Eingriff erwogen hatten. Beinervösen, rheumatischen und gichtischen Erscheinungen, insbesondere wenn diese durch Frauenleiden bedingt sind, ist Cimicifuga weiter indiziert. So gibt man es bei Kopfschmerzen*), auch mit Schmerzen im Augapfel und Scheitelkopfschmerz und vom Hinterkopf nach den Augen ausstrahlend, Migräne, Schlaflosigkeit, Hysterie, Melancholie, Neuralgien (insbesondere Gesichts-, Hinterkopf- und Eierstocksneuralgien), Rückenschmerzen, Ischias, Kopfgicht, Muskel-, Nacken- und Wanderrheumatismus. Bei Rheuma im Klimakterium konnte Schmidt, Burgstädt, keinen Erfolg mit der Verordnung sehen, doch treten einzelne Versager gegenüber den allgemein günstigen Resultaten zurück. Schließlich wird Cimicifuga seltener noch bei Delirien, Delirium tremens, Chorea und Angina pectoris angewandt und wird auch bei unregelmäßiger Herztätigkeit (Aussetzen des 3. und 4. Schlages) und rheumatischen Herzleiden genannt. Dilthey lobt es bei epidemischem Gesichtsstarrkrampf, und Busch wandte das Mittel bei Impfschäden (Lähmungen) im Wechsel mit Echinacea, Viola odorata, Arnica und Sarsaparilla an, während Finsterwalder es bei Stauungen in den Blutgefäßen im Teegemisch mit Vincetoxicum, Rosmarin, Tilia, Ruta, Santalum, Viola tricol. verordnet.
Cimicifuga wird oft als Einzelmittel oder auch als Oligoplex gegeben. Als Wechselmittel bei Frauenleiden können Pulsatilla und Caulophyllum zweckmäßig gewählt werden, während bei nervösen Störungen Gelsemium und bei rheumatischen Affektionen Rhus toxicodendron, Colchicum und Rhododendron angezeigt erscheinen.
*) Beispiel für die Anwendung:
(Nach Kiefer, „Allgemeine Homöopathische Zeitung“ 1923, S. 120.)
Fräulein L. M., 19 Jahre, Kontoristin, blaß, nervös, schläft schlecht; leidet viel an Kopfweh, besonders rechts auf dem Scheitelbein, dabei Zucken und Reißen im oberen Lid, aussetzend und wiederkommend. Conjunctiva im Anfall gereizt, Auge tränt. Als Kind viele Drüsen- und Augenentzündungen; später unreine Haut, entzündete Mitesser. Stuhl angehalten, Weißfluß, der die Geschlechtsorgane reizt. Schmerzen im Kreuz und links im Leib, Ovarium druckempfindlich. Durch gynäkologische Lokalbehandlung wird der Fluor zurückgedrängt mit dem Erfolg, daß alle Beschwerden verschlimmert werden. Cimicifuga, Magnesia carbonica und Calcarea carbonica machen die Kranke gesund.
Angewandter Pflanzenteil:
Verwendung finden das Rhizom und die Wurzeln (Potter, The Brit. Pharm. Codex, Dragendorff, Geiger, Zörnig).
Zur Herstellung des „Teep“ wird der frische Wurzelstock mit den Wurzeln gebraucht. Die homöopathische Essenz nach dem HAB. hat den gleichen Ausgangsstoff (§ 3).
Sammelzeit: Herbst.
Offizinell in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Dosierung:
Übliche Dosis:
0,5-1 g Rad. Cimicifugae (Brit. Pharm. Cod.);
0,5-4 g des Pulvers (Hager);
10 Tropfen des Fluidextraktes mehrmals täglich (Hager);
2-4 Teelöffel voll der Tinktur (Leclerc).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ vier- bis fünfmal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Rhiz. Cimicifugae.)
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.