Sandsegge, Cyperaceae.
Name:
Cárex arenária L. (= C. spadicea Gil., = C. intermedia Urv., = Vignea arenaria Rchb.). Sandsegge, Sandriedgras. Französisch: Salsepareille d’Allemagne; englisch: Sedge; dänisch: Sand-Star, Bakkegräs; italienisch: Carice; norwegisch: Star. Stargress, Storr; polnisch: Czarny perz, Turzyca; tschechisch: Ostřice písečná; ungarisch: Sás.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Sibirien. Nordamerika.
Namensursprung:
Carex von carere = kratzen oder χερω (cheiro) = schneiden, wegen der kieselsäurehaltigen, scharfen Blattränder; arenaria = auf Sand wachsend.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Da die Pflanze wie die Quecke weit umherkriechende Ausläufer besitzt, wird sie zum Unterschied von dieser in der Altmark groten Pägen, in Mecklenburg grot Quecke genannt.
Botanisches:
Das im Küstengebiet von fast ganz Europa und Nordamerika verbreitete ausdauernde, 15-30 cm hohe Gras entwickelt bis zu 10 m weit kriechende Rhizome, deren Spitzen Erdbohrern gleichen, von aromatisch-terpentinartigem Geruch. Der dreikantige Stengel ist oberwärts scharf rauh, die Spreiten sind schmal, starr und rinnig. In etwas überhängender, Ährenartiger Rispe stehen am Grunde die weiblichen, oben die männlichen Blüten. Die Fruchtknoten erscheinen häufig tintenschwarz durch die Sporen eines Pilzes (Cintractia caricis), der sie oft völlig zerstört. – Als gesellig wachsende Pflanze gedeiht die Sandsegge vorwiegend auf sandigen Plätzen, Dünen und Flugsand, die sie durch ihre Ausläufer mit befestigt, namentlich an der Ost- und Nordseeküste, in sandigen Kiefernwäldern und Heiden. Blütezeit: Mai bis Juni.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Riedgraswurzel ist seit 1754 als Heilmittel bekannt, als man sie in der Mark Brandenburg in Verbindung mit der Kletten-, Hauhechelwurzel und Guajakrinde bei der Syphilis an Stelle der teueren ausländischen Sarsaparillawurzel gebrauchte. Auch A. Tissot schreibt von ihr, daß sie stärkende und gelind abführende Wirkung habe. Es erschienen zwei Dissertationen: Meier, Dissertat. de Carice arenaria (Frankof. ad Viadr. 1772) und Merz, Dissertat. de Caricibus quibusdam medicinalibus sarsaparillae succedaneis (Erlangen 1784).
Wirkung
In den mittelalterlichen Kräuterbüchern läßt sich die Sandsegge nicht feststellen. In der Folgezeit scheint sie sich aber rasch eingebürgert zu haben und ist zu einem beliebten Heilmittel geworden, von dem Hecker sagt, daß es unstreitig weit wirksamer als die Sarsaparille sei. Er verwandte es als Ableitungsmittel auf die Haut bei venerischen Leiden und bei chronischen Hautkrankheiten.
Clarus bezeichnet die Sandsegge als ein die Haut- und Harnausscheidung förderndes Mittel, das wie die Sarsaparille bei sekundärer Syphilis, chronischen Hautleiden, Gicht und Rheuma gebraucht werde.
Von den zeitgenössischen ärztlichen Schriftstellern gibt Bohn die gleichen Indikationen an, denen er noch Siechtum und Quecksilberkuren, Erkrankungen der Drüsen und der Leber zufügt, während Eckstein und Flamm das Mittel bei Koliken, Blähungen, Magendarmkatarrh, chronischen Leberkongestionen, Diabetes, Ödemen, Lungentuberkulose und als Expektorans gebrauchen lassen.
Bei Gicht, Urämie, Amenorrhöe, als Diaphoretikum und zu Frühjahrskuren wird Carex arenaria von Meyer angewandt.
Nach Leclerc kann das gleichzeitig diuretisch und diaphoretisch wirkende Infus mit Nutzen zur Behandlung Gichtkranker herangezogen werden.
Die Volksmedizin schätzt die Sandsegge als Blutreinigungsmittel bei Hautleiden, insbesondere Ausschlägen, Flechten, Geschwüren (auch venerischer Art), Verschleimung der Brust, der Verdauungs- und Harnwege, bei Gicht und Podagra und bei chronischem Bronchialkatarrh.
In der lettischen Volksmedizin wird ein spirituöser Auszug als Mittel gegen das sogenannte „Sichüberhobenhaben“ und gegen Dysmenorrhöe verwendet.
Das Kraut der Sandsegge enthält 0,04% Asparagin, die Wurzel Spuren eines ätherischen Öls, etwas Harz, Schleim und Spuren von Saponinen; Stengel und Blätter enthalten Kieselsäure.
Kroeber zählt Carex arenaria zu den Saponindrogen, da Abkochungen der Droge (1 : 100) nach 12 Stunden eine deutliche, wenn auch nur teilweise Hämolyse erkennen ließen.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Italien: Als Diaphoretikum.
Rußland: Als Ersatz von Sarsaparilla.
Ungarn: Bei Magen-, Darm-, Gebärmutter-, Leber- und Milzleiden.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Carex arenaria gehört zu den schwach wirkenden Heilpflanzen. Wenn man auf dem Standpunkt steht wie Kofler, daß die Saponine, wie die der Sarsaparilla und anderer Pflanzen, bei der Syphilis die Quecksilber- und Arsenkur weitgehend unterstützen, dann ist die Sandsegge nur als äußerst schwach wirkende Saponindroge zu bezeichnen. Ihre Empfehlung bei diesen Krankheiten beruht wahrscheinlich auf sonstigen noch nicht bekannten Inhaltsstoffen.
Carex arenaria hat sich als Ableitungsmittel auf die Haut und Diaphoretikum, bei chronischen Dermatopathien, auch venerischer Basis, Lues und Mercurialismus bewährt. Ferner ist es angezeigt bei: Rheuma, Arthritis urica, Podagra, Blähungen, Kolik, Leberkongestionen, Magendarmkatarrh, chronischer Verstopfung, Bronchialkatarrh, Lungentuberkulose, Pleuritis, Stirnhöhlenkatarrh (Bachem, Frankfurt, konnte hier die günstige Wirkung an etwa 100 Fällen feststellen; dagegen konnte ich allerdings keinerlei Erfolg beobachten) und Bauchwassersucht.
Zu Teemischungen werden Sarsaparilla, Bardana, Viola tricolor u. a. empfohlen.
Angewandter Pflanzenteil:
Zwar wird nicht immer klar auseinandergehalten Wurzel und Wurzelstock, aber wenn es z. B. heißt: „Verwendet wird die Wurzel, diese ist lang, kriechend“, so ist eben der Wurzelstock, das Rhizom, gemeint. So stimmen alle Literaturquellen darin überein, daß von Carex arenaria nur das Rhizom verwendet wird. Friedrich bemerkt dazu ausdrücklich, daß der Wurzelstock am wirksamsten im ersten Frühling sei. „Getrocknet“, so schreibt er, „hat er wenig Wirksamkeit mehr, daher er auch wohl weniger angewendet wird, als er verdient.“ Auch Zörnig und Thoms geben als Sammelzeit das Frühjahr an. So dürften die Rhizomata Caricis arenariae am besten im März bis Mai gesammelt werden. Auch das HAB. führt die Pflanze nicht an.
Das „Teep“ wird aus den frischen, im zeitigen Frühjahr gesammelten Wurzelstöcken zubereitet.
Dosierung:
Übliche Dosis:
2 Teelöffel voll (= 5,2 g) des Rhizoms zum kalten Auszug täglich.
1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ viermal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Hautleiden und Stirnhöhlenkatarrh:
Rp.:
Rhiz. Caricis arenariae 30 (= Sandseggenwurzelstock)
D.s.: 2 Teelöffel mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken.
Bei Hautleiden und venerischen Krankheiten (nach Hecker):
Rp.:
Rhiz. Caricis aren. conc. 60 (= Sandseggenwurzelstock) D.s.: Mit 750 g Wasser einkochen bis auf 375 g, durchseihen. Mehrmals tägl. 1 Tasse trinken.Als Diaphoretikum (nach Kroeber):
Rp.:
Flores Tiliae (= Lindenblüten) Flores Sambuci (= Holunderblüten) Hb. Violae tricol. aa 20 (= Stiefmütterchenkraut) Rhizom. Caricis aren. 40 (= Sandseggenwurzelstock) C.m.f. species. D.s.: 1-2 Eßlöffel mit 1-2 Tassen Wasser aufkochen. Warm mit Honig trinken.Bei Syphilis als Adjuvans (nach Meyer):
Rp.:
Hb. Cardui bened. (= Kardobenediktenkraut) Fol. Salviae (= Salbeiblätter) Lign. Guajaci (= Pockholz) Rad. Arctii lappae aa 10 (= Klettenwurzel) Rhiz. Caricis aren. (= Sandseggenwurzelstock) Ligni Sassafras (= Fenchelholz) Radic. Sarsaparillae aa 20 (= Sarsaparillawurzel) C.m.f. species. D.s.: 2. Eßlöffel mit 3 Tassen Wasser bis auf 2 Tassen einkochen. Diese morgens täglich warm trinken.Zur Frühlingskur (nach Friedrich):
Rp.:
Rhiz. Caricis aren. 60 (30) (= Sandseggenwurzelstock) Rad. Tritici rep. 30 (= Queckenwurzel) D.s.: Mit 500 g Wasser wenige Minuten kochen. Inzwischen bereitet man Weinsteinmolken, indem man in 500 g Milch, sobald sie zu kochen beginnt, 1-2 Messerspitzen präparierten Weinstein wirft. Die klaren Molken mischt man mit der gleichen Menge Wurzeldekokt. Diese Mengen im Laufe eines Tages (früh nüchtern, mittags 2 Stunden nach dem Essen, abends vor dem Schlafengehen) kalt oder lauwarm trinken, u. U. mit Zucker. Kur 4 bis 6 Wochen durchführen. _____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.