Königin der Nacht, Cactaceae.
Name:
Céreus grandiflórus Mill. (Cactus grandiflorus L.) Königin der Nacht. Französisch: Vierge à grandes fleurs, ciège à grandes fleurs; englisch: Large flowered torch thistle, night blooming cereus; dänisch: Nattens Dromming; italienisch: Cacto grandifloro; polnisch: Królowa nocy; russisch: Carica noczi; ungarisch: Kaktusz.
Verbreitungsgebiet
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Namensursprung:
Cactus kommt von Kaktos, dem von Theophrast gebrauchten Namen für eine dornige Pflanze; grandiflorus = großblütig in bezug auf die große Blüte. Cereus wird vom lateinischen cera = Wachs, Kerze abgeleitet, da die getrockneten, mit Öl getränkten Stämme von einzelnen Vertretern der Gattung Cereus den Eingeborenen als Fackeln dienen.
Botanisches:
Cereus grandiflorus gehört zu den als Zierpflanzen beliebten Kakteenarten. Die Heimat der Stammsukkulente sind die regenarmen Gegenden Mexikos. Die Pflanze wurzelt im Boden und treibt einen schlangenförmig kriechenden oder auch kletternden, fünf- bis sechskantigen, ästigen Stengel, der 10 m und länger werden kann. Er ist grün und trägt an den vorspringenden Längsrippen Areolen mit vier bis acht Stacheln. Auch zahlreiche Luftwurzeln entspringen an ihm. Die wundervollen großen Blüten sind außen elfenbeingelb und innen schneeweiß und duften nach Vanille. Sie stehen einzeln und sind von zahlreichen schmallinealen spitzen Kelchblättern umgeben. Die Kronenblätter sind lanzettlich. Die Blüten beginnen zwischen 7 und 8 Uhr abends sich zu öffnen. Nach einer Stunde sind sie dann völlig entfaltet. Die leicht aufwärts gebogenen Staubbeutel strecken sich den erwarteten Blütenbesuchern zur Abholung des Blütenstaubes entgegen. Mit dem ersten Morgengrauen beginnt die Blüte wieder rasch zu verwelken. Die Frucht ist eine mit Stacheln besetzte Beere von der Größe eines Gänseeis und von orangegelber Farbe. Zahlreiche winzige Samen sitzen in dem weißen Fruchtfleisch verteilt. Berührt man die Knospe vor dem Aufblühen, so öffnet sie sich nicht. Im Gewächshaus blüht Cereus grandiflorus im Juni bis Juli.
Geschichtliches und Allgemeines:
Auf die Wirkung des Cactus grandiflorus als Herzmittel wurde zum ersten Male von Rubini aus Neapel und seiner Frau im Jahre 1864 hingewiesen.
Wirkung
In ihrer mexikanischen und zentralamerikanischen Heimat wird der Saft der Pflanze gegen Cystitis, Febris intermittens, Atemnot, Hydrops, als Vermifugum und äußerlich als hautreizendes Mittel bei Rheumatismus usw. angewandt.
In die Therapie der Herzkrankheiten wurde Cactus grandiflorus zuerst von Rubini eingeführt.
Anwendung findet es nach Potter als Herzanregungsmittel bei funktionellen Störungen des Herzens, die mit Anämie, Neurasthenie, Dyspepsie, Nikotinvergiftung, Exophthalmie, sexueller Erschöpfung, Fiebern und Pseudo-Angina pectoris verbunden sind. Da es nicht wie Digitalis die Diastole verlängert, wird es vorwiegend empfohlen bei komplizierter Aorten-Regurgitation (Zurückströmen des Blutes bei Herzklappenfehlern), Der Brit. Pharm. Codex sieht allerdings diese Herzwirkung des Mittels als zweifelhaft an.
Jones bezeichnete den Kaktus als die Herztätigkeit kräftigend und die Blutzirkulation vermehrend, Aulde als Stimulans und Regulator der Herztätigkeit, Engstad als Spezifikum bei Angina pectoris.
Letztere Wirkung wurde von Williams und Hills bestätigt, die das Mittel auch bei Herzstörung nach Exzessen in venere, übermäßigem Tabak- und Alkoholgenuß, Morbus Basedowii und Aorteninsuffizienz verwandten, während es bei Mitralinsuffizienz und Herzerweiterung nicht so gute Dienste wie Digitalis oder Strophanthus leiste.
v. Zelenski erzielte gute Erfolge bei zu langsamer Resorption von Pleura-Exsudaten, bei Herzschwäche und unkompensierten Aortenklappenfehlern, wobei es Ödeme, Dyspnoe und Arhythmie behebt; während unkompensierte Mitralklappenfehler weniger beeinflußt werden.
Als eins der vorzüglichsten Herzmittel, richtige Indikationen vorausgesetzt, bezeichnet Curtin den Kaktus und empfiehlt ihn bei Herzschwäche nach Infektionskrankheiten, bei Morbus Basedowii, Influenza, bei Asthma cardiale, kombiniert mit Nitroglyzerin bei älteren Leuten, die an Herzschwäche, Dyspnoe und Asthma leiden, und schließlich bei erhöhter Erregbarkeit des Herzens, wenn Aneurysmen vorliegen und Digitalis nicht ratsam ist.
Bei Dysmenorrhöe mit Herzschwäche lobt Stauffer die Zuverlässigkeit des Mittels.
Cactus D 3 ist nach Wizenmann bei Herzmuskelschwäche und damit einhergehenden Stauungen und deren Folgen indiziert.
Mißerfolge, die wahrscheinlich durch Verabreichung nicht einwandfreier Droge entstanden sind, wurden nur von Hatcher und Bailey berichtet. Das in den Blüten enthaltene Cactin wirkt digitalisartig.
Myers, der es physiologisch untersuchte, stellte seine stimulierende Wirkung auf Herz, Blutdruck und die motorischen Zentren des Rückenmarkes fest.
Die Auswertung nach der zeitlosen Methode ergab 140 FD pro Gramm Droge. Bei diesen Auswertungen wurde als Nebenbefund noch folgendes festgestellt: Tiere, die annähernd tödliche Dosis erhalten hatten, lagen häufig völlig reaktionslos im Glas, so daß man sie für tot hielt. Bei der Sektion zeigte sich in manchen Fällen, daß das Herz noch schlug. Läßt man Frösche, die reaktionslos sind, deren schwacher Herzschlag aber bei eingehender Beobachtung an der Brusthaut noch festzustellen ist, 24 Stunden in reichlich frischem Wasser liegen, so ist oft zu beobachten, daß sie sich erholen. Diese Erscheinung ist aber nicht allein typisch für Cactus, sondern man findet sie auch bei Aconitin in bestimmten Dosen, und von Fühner wurde sie für Coniin beschrieben. Am Warmblüter (Meerschweinchen) verursacht Cactus 1 : 1000 bis 1 : 40 000 intrakutan keine Nekrose. Der Test am isolierten Froschherzen ergab folgendes Resultat: Cactus 1 : 1000 (= D 3) rief schwache negativ inotrope Wirkung hervor (an einem Herzen, das vorher mit verschiedenen Pharmaka behandelt worden ist, wurde nach D 3 auch Herzstillstand, durch Waschen reversibel, festgestellt). Stärkere Verdünnungen riefen keine erkennbare Wirkung hervor. 4‰ Cactus-Lösung bewirkte eine deutliche Verminderung der Hubhöhe. Diese ist durch Auswaschen mit Frosch-Ringer stets reversibel. In vielen Fällen findet sich eine mehr oder minder ausgesprochene Vergrößerung der Hubhöhe nach dem Waschen (positiv inotrope Wirkung). Auch wenn die 4‰ige Lösung an einem bereits ermüdeten Herzen Stillstand bewirkt, ist dieser durch Waschen mit Frosch-Ringer stets zu beseitigen. Die Hubhöhe ist ebenfalls dann meist etwas größer als vor der Behandlung. Bei häufiger Wiederholung der Behandlung des gleichen Herzens mit Cactuslösung wurde bei unverminderter oder vergrößerter Hubhöhe deutliche Verminderung der Frequenz nach dem Auswaschen mit Frosch-Ringer beobachtet.
Cactus grandiflorus entfaltet eine besondere Wirkung am geschädigten Herzen, wie wir im Tierversuch zeigen konnten.
Isolierte Froschherzen erhielten in Ringer-Lösung 20% Alkohol. Es tritt dabei fast momentan Herzstillstand ein. Nach halbstündiger Einwirkung wird der Alkohol durch Ringer-Lösung ersetzt und anschließend das Herz durch häufiges Erneuern der Ringer-Lösung etwa zehn- bis zwölfmal innerhalb 30 Minuten ausgewaschen. Der Herzstillstand hatte also vor der Cereusanwendung jeweils über eine Stunde bestanden. Es gelingt nun, diese schweren Schädigungen durch Gaben von Cereus (bei diesen Versuchen wurde ein nach Völkerbundsvorschrift hergestellter Auszug von Cereus „Teep“ verwendet) bei Dosierungen innerhalb bestimmter Grenzen zu beseitigen. Die geringste noch wirksame Menge betrug bisher 0,008 mg Cereus; auf wasserfreie Pflanze berechnet. Bisweilen sind aber Dosen bis zu 0,04 mg Cereus erforderlich. Bei einigen Versuchen konnte auch durch Cereus die Herzfunktion nicht wieder belebt werden. Es ist anzunehmen, daß in solchen Fällen die Schädigung schon zur vollständigen Abtötung der Zellen geführt hatte. Bemerkenswert erscheint noch, daß die Herzfunktion nach Anwendung von Cereus oft sogar besser ist als vor der Schädigung (größere Amplitude bei normaler Frequenz). Die Erholung kann plötzlich erfolgen in unmittelbarem Anschluß an die Cereusgabe, oder auch – besonders bei zu geringer Dosis – ganz langsam ansteigend. Vielleicht spielt hier, abgesehen von der Dosierung, auch die individuelle Resistenz des Gewebes eine Rolle.
Die Versuche werden noch fortgesetzt und erweitert, insbesondere um Klarheit über die Natur der Wirkstoffe zu erlangen.
Isoliertes Froschherz (Straub). Schädigung durch 20% Alkohol in Ringer-Lösung; durch Auswaschen nicht zu beseitigen. Wiederbelebung durch Cereus 0,008 mg.
Sharp und Hoseason konnten keine Alkaloide oder Glykoside in Cactus grandiflorus auffinden, wohl aber seine diuretische Wirkung bestätigen.
Demgegenüber geben Bonnet und Bay-Tossier die spurenweise Anwesenheit von Alkaloiden und Heffter und Gröber die Anwesenheit geringer Glykosidmengen an.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Cactus grandiflorus ist ein gutes Herzentgiftungsmittel. Daher ist die Anwendung bei Herzerkrankungen angezeigt, falls diese auf eine Intoxikation zurückzuführen sind. In diesem Sinne wendet man Cactus an bei organischen und funktionellen Herzleiden, Herzklappenfehlern (Auburtin, Güstebiese, sah eine ausgezeichnete Dauerwirkung bei langer, aber nicht täglicher Verordnung), Herzmuskelschwäche, Herzpalpitationen, Herzneurosen mit Schlaflosigkeit, Herzbeschwerden durch Basedow, bei Arhythmia perpetua (nach Putensen, Hof), bei Herzkrämpfen durch Nikotinvergiftung (Büchle gibt hier im Anfall D 2 im Wechsel mit Spigelia und Nux vomica), und Myo- sowie Perikarditis. Als Symptom ist bei allen diesen Leiden „das Konstriktionsgefühl um Herz und Brust“ charakteristisch. Bei Hypertonie und bei Roemheldschem Symptomenkomplex (hochstehendes Zwerchfell mit Angst und Stichen in der Herzgegend, Tympanie des Magens) verordnete Pöller, Gevelsberg, D 1 im Wechsel mit Crataegus Ø bis D 2 mit ausgezeichnetem Erfolge und erzielte nach 2-4 Monaten Heilung.
Besonders häufig wird es bei verschiedenen Formen der Angina pectoris empfohlen. So verordnet Donner, Berlin, es gern bei Angina pectoris nervosa, besonders in der Klimax, mit Gesichtskongestionen. Doch stehen hier auch einer großen Anzahl positiver Erfahrungen einige negative gegenüber. Z. B. hatte Eulberg, Buer, mit höherer Verdünnung (D 6) einmal einen sehr guten Erfolg, dann aber mehrere Versager, während Ensinger, Haltingen, bei Herzleiden, insbesondere Angina pectoris, zwar Besserung, aber keinen andauernden Erfolg konstatieren konnte. Beim akuten Angina pectoris-Anfall ist Cactus grandiflorus nicht ausreichend, am besten hilft dann ein Bestreichen des Brustbeins mit frischem Redskin.
Auch als Uterusmittel, besonders bei Dysmenorrhöe mit Herzschwäche, bei Gelenkrheumatismus, der aufs Herz übergreift, bei Asthma, insbesondere nervosum (hier nach Friedländer im Wechsel mit Cicuta virosa) und Arteriosklerose wird Cactus genannt und ist auch bei Krampf- und Keuchhusten versucht worden.
Als Wechselmittel können Spigelia, Crataegus, Kalmia, Camphora, Platina, Arnica und Essentia aurea (Goldtropfen) empfohlen werden.
Beispiel für die Anwendung:
(Nach Volk, „Hippokrates“ 1930, Heft 5/6.)
Wegen seines Herzleidens invalider Schreiner; seit fünf Monaten besonders morgens und abends entzündete und juckende Gesichtshaut; Atemnot beim Gehen, schon nach 100 Schritten Druck am Herzen, Ziehen im linken Arm, besonders auf der Stirn abschilfernde rote, streifige, fleckige und erhabene Stellen. Puls sehr hart, regelmäßig, gleichmäßig, Herz nach links vergrößert. Blutdruck maximal 220 Quecksilber, faßförmiger Brustkorb, Bauch o. B., Urin o. B. – 5. 5. Sulfur D 4, Cactus grandiflorus D 1 dreimal täglich 5 Tropfen in einem Teelöffel Wasser. 13. 5. Hautbefund gebessert. 31. 5. Hautbefund wesentlich gebessert, Patient fühlt sich wohler, die Atemnot hat nachgelassen. 23. 6. Hautbefund: Vollkommene Heilung, Blutdruck 190, keine Atemnot, selbst nach weitem Spaziergang seit Monaten zum erstenmal zufrieden.
Angewandter Pflanzenteil:
Dragendorff nennt den Saft, Potter die Stengel.
Nach The Brit. Pharm. Codex werden die Schößlinge und Blüten gebraucht.
Auch Zörnig führt die Stengel und Blüten an.
Für die Bereitung der Arzneimittel eignen sich am besten die jungen frischen Stengel und Blüten (Sammelzeit Juli), aus denen auch das „Teep“ hergestellt wird. Die homöopathische Urtinktur nach dem HAB. hat den gleichen Ausgangsstoff (§ 3).
Herba Cacti grandiflori ist in Mexiko offizinell.
Im Ergänzungsbuch zum DAB. werden Flores Cacti aufgeführt.
Dosierung:
Übliche Dosis:
30 Tropfen des Fluidextraktes dreimal täglich (Zelenski);
1,2-1,8 g der Tinktur mehrmals täglich (Potter).
2 Tabletten der Frischpflanzenverreibung „Teep“ viermal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Cacti grandiflori.)
In der Homöopathie:
dil. D 1, dreimal täglich 10 Tropfen.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Prüfung am Gesunden:
6 Prüflinge nahmen auf meine Veranlassung Cactus „Teep“ in steigenden Dosen (von „Teep“ D 2 bis „Teep“ 0). Auch bei Cactus „Teep“ 0, 3 Kapseln an einem Tage (= 1 g Pflanzensubstanz) traten bei keinem Prüfling irgendwelche Erscheinungen auf, auch der Puls zeigte sich unbeeinflußt. Das Mittel ist demnach in diesen Dosen gut verträglich.
_____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.