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Tollkirsche, Solanaceae.

Name:

átropa belladónna L. (= Belladonna trichotoma Scop., = B. baccifera Lam.). Tollkirsche. Französisch: Belladonne, morelle furieuse, bouton noir; englisch: Banewort, deadly nightshade, dway-berries, great morel; italienisch: Belladonna; dänisch: Giftig Galnebär; polnisch: Pokrzyk, Wilcza jagoda; russisch: Krasawka, Wolczja jagoda; tschechisch: Rulík slomocný; ungarisch: Nadragulya.

Verbreitungsgebiet

Wiki: Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Skandinavien, West- und Südeuropa und den Balkan über Kleinasien bis nach Nordafrika und den Iran. In Deutschland gilt die Schwarze Tollkirsche in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland, dem östlichen Teil Nordrhein-Westfalens, Hessen, Thüringen und Süd-Niedersachsen als verbreitet. Zerstreute Vorkommen sind in Süd-Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt belegt. Als Neophyt mit seltenem Auftreten gilt die Schwarze Tollkirsche in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. In Österreich ist die Schwarze Tollkirsche in allen Bundesländern häufig vertreten. In der Schweiz gilt sie besonders in der Bergstufe als ziemlich verbreitet. Geringere Vorkommen werden in den westlichen Zentralalpen und der Alpensüdflanke verzeichnet.

Weiteres Vorkommen: Nordafrika.

Namensursprung:

Belladonna ist der Name der Tollkirsche bei Matthiolus und Clusius. Belladonna kommt vom italienischen bella donna = schöne Dame, und rührt wohl daher, daß die Pflanze als kosmetisches Mittel benutzt wurde, um eine Pupillenerweiterung (Atropinwirkung) hervorzurufen. Tollkirsche bezieht sich auf die giftigen Eigenschaften der kirschenähnlichen Beeren. Atropa, von τροπος (átropos) = unabwendbar, wegen der Giftwirkung. Atropos hieß eine der Parzen, die den Lebensfaden abschneidet.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Tollkraut, -beere, -kirsche (alle Ausdrücke auch mundartlich vorkommend), Deiwelskersche (Nahegebiet), Teufelskirsche (Nassau), Deuf’lsbeer, -kerschen (Niederösterreich), Tüfelsberi (Schweiz), Teufelsgückle = -auge (Elsaß). In den Benennungen Judenkiässe = -„kirsche“ (Westfalen), Judenkersch’n (Salzburg) erscheint der „Jude“ zur Bezeichnung des Gefährlichen, Giftigen. Beißende oder vom Volke für giftig gehaltene Tiere erscheinen in: Wolfsbeer(e) (Niederösterreich, Schwaben, Schweiz), Wolfschriasi = -„kirsche“ (St. Gallen), Chrotte(n)-Blume, -Beeri (Schweiz). Auf die Farbe der Beeren beziehen sich Tintenbeer (Oberösterreich), Schwarzber (Niederösterreich). Bennedonne (Göttingen) stellt eine Verstümmelung aus „Belladonna“ dar.

Botanisches:

Die krautartige, ausdauernde Pflanze bevorzugt Laubwälder und kommt vor allem auf Schlägen und Weiden, auf humosem Boden vor. Der Stengel, der bis 1,50 m hoch wird, ist stumpfkantig und stark verästelt, besonders oben feindrüsig behaart. Die elliptisch- oder eiförmigen, zugespitzten Blätter sind ganzrandig und stehen am Stengel und an den Hauptästen wechselständig, an den übrigen Ästen gepaart, und zwar so, daß dann das eine um die Hälfte kleiner ist. Die einzeln stehenden, gestielten, hängenden Blüten haben eine glockig-röhrige Blumenkrone, die außen braunrot-violett, innen schmutziggelb gefärbt und purpurn geadert ist. Die Frucht ist eine kugelige, etwa kirschgroße Beere, anfangs grün, später glänzend schwarz, mit violettem Saft und vielen nierenbis eiförmigen Samen. – In Deutschland kommt die Pflanze im mittleren und südlichen Teil zerstreut bis häufig vor, im nördlichen ist sie seltener. In Österreich ist sie verbreitet, in der Schweiz ziemlich verbreitet. Auch im übrigen Europa kommt sie fast überall vor. Ebenso ist sie in Nordafrika zu finden und geht in Kleinasien bis zum Kaukasus und Persien. In Nordamerika ist sie eingeführt. – Die großen, verhältnismäßig zarten Blätter kennzeichnen die Tollkirsche als Schattenpflanze. Indem die kleinen Blätter in den Lücken der größeren stehen, wird ein Blattmosaik geschaffen, das eine volle Ausnutzung des vorhandenen Lichtes gestattet. Die für den Menschen giftigen Beeren werden von den Vögeln gefressen und so die Samen verbreitet. Das Wachstum und die Inhaltsstoffe lassen sich durch Zusammenpflanzen mit Galega, Artemisia vulgaris fördern und durch Zusammenpflanzen mit Sinapis alba stark hemmen.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die in Mitteleuropa fast allgemein bekannte Tollkirsche finden wir im Altertum nur mit einiger Sicherheit in der „Mandragoras“ des Theophrast. Es ist nicht wahrscheinlich, daß der „Strychnos manikos“ des Dioskurides unsere Atropa belladonna ist. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erwähnt sie Benedetto Rimo in seinem „Liber de simplicibus“, und 1552 bringt L. Fuchs eine gute Abbildung von ihr in seinem Kräuterbuch. Gesner (16. Jahrhundert), der sie Solani genus silvaticum nennt, empfiehlt den Sirup der Beeren als Schlafmittel und gegen die Ruhr. Doch blieb der allgemeine Gebrauch der Tollkirsche noch recht lange auf die äußerliche Anwendung, besonders auf die Behandlung von Augenentzündungen, beschränkt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erkannte ihr Melchior Friccus in seinem „Tractatus medicus de virtute venenorum“ einen narkotischen Einfluß, ähnlich dem des Opiums, zu. Alberti, Timermann, Darlue und van den Block rühmten sie als Mittel gegen den Krebs, Boerhaave gegen den Krampfhusten der Kinder, jedoch waren ihre Beobachtungen rein empirischer Natur. Von den ausländischen Autoren des 19. Jahrhunderts haben sich zuerst Brown Sequard, V. Hones, Trousseau und Meuriot mit der physiologischen Wirkung und der therapeutischen Anwendung auf wissenschaftlicher Basis beschäftigt. – Belladonna gehört zu denjenigen Giftgewächsen, die am häufigsten zu Vergiftungen Anlaß gegeben haben. Namentlich die hübschen Beeren verleiten nicht allein Kinder, sondern auch erwachsene Personen zu ihrem Genuß. Schon die mittelalterlichen Väter der Botanik wissen von Vergiftungsfällen zu berichten. Matthiolus beschreibt einen Fall, wo „etliche Knaben / so dise beeren für Weinbeere gegessen haben / gestorben sind.“ Die Schotten sollen sich der Belladonna einmal bedient haben, um die Dänen, welche einen Einfall in ihr Land machten, im Schlafe überraschen zu können. Sie mischten den Saft unter Bier und Wein, welche Getränke sie in die Hände der Dänen fallen ließen. Diese tranken ohne Argwohn, verfielen in einen Zustand der Betäubung und wurden wehrlos von den Schotten überfallen. – Ende des 18. Jahrhunderts wurden von der österreichischen Regierung mehrere Zirkulare über Vergiftungen mit Belladonna erlassen, in denen auch die Pflanze genau beschrieben und vor ihrer Gefährlichkeit dringend gewarnt wurde. In dem einen Falle handelte es sich um eine schwangere Frau und vier Kinder, die durch den Genuß von Tollkirschen erkrankt waren. Zwei der Kinder starben im Verlauf von 14-16 Stunden, die übrigen drei Personen konnten mit großer Mühe gerettet werden. Als beste Gegenmittel wurden Brechmittel, Essig und ein starkes Dekokt von Althaea genannt. – In Mexiko werden verschiedene atropinhaltige Pflanzen, wie z. B. Belladonna, Stramonium und Hyoscyamus unter der gemeinsamen Bezeichnung „Talóachi“ von den Eingeborenen als gutes Gegengift gegen Fliegenpilzvergiftung gebraucht. Die Giftigkeit der Belladonna-Beeren scheint in den tropischen Ländern nachzulassen. So werden in den heißen Teilen Sinaloas die Tollkirschen als verdauungsförderndes, wenn auch dem Gaumen nicht sehr zusagendes Obst straflos gegessen. Die Blätter werden auch in Mexiko geraucht, wobei vier Blätter auf einmal schon Irrsinn hervorrufen sollen. Zur Erzeugung des Rauschzustandes werden anscheinend Stramoniumblätter bevorzugt. Mit Paprika versetzt werden sie auch gekaut. Näheres vgl. Reko, Magische Gifte 1936, Stuttgart, und Heil- und Gewürzpflanzen, Bd. XV, S. 64, München 1933. – Als Volksmittel wird die Tollkirsche häufig in Osteuropa verwandt. So dient sie in der Bukowina als Abortivum. Der Siebenbürger Sachse verwendet gegen Gicht „drei dünne Scheibchen der Zauberpflanze Matreguna in Wein gekocht und bei abnehmendem Licht auf dreimal getrunken“. Diese Matreguna ist vielleicht unsere Tollkirsche, da sie bei den Rumänen auch „Matregema“ heißt. In Rumänien und Böhmen werden ihr große Zauberkräfte zugeschrieben. Das Atropin wurde im Jahre 1831 von Mein und unabhängig davon von

Geiger und Hesse 1833 entdeckt. Die großen Erfolge, die in den letzten Jahren mit der Belladonnakur bei Lähmungszuständen (Parkinsonismus) durch den bulgarischen Bauern Raeff erzielt wurden, veranlaßten die Königin Elena von Italien, diesem das Rezept für 4 Millionen Lire abzukaufen.

Wirkung

Von Paracelsus wird die „Cerabella“, womit er wohl die Tollkirsche meint, als wahnsinnigmachendes Mittel geschildert.

Auch Lonicerus und Matthiolus weisen auf die einschläfernde, in größeren Dosen aber „doll und unsinnig“ machende Kraft der Tollkirsche hin.

v. Haller erwähnt außer dieser tollmachenden Wirkung auch die Heilkraft des Krautes bei äußerlicher Anwendung gegen Krebs, namentlich der Brust, wie dies besonders von dem Urbacher Oetinger in seiner Disputation „de Belladonna“ beschrieben sei.

Als purgierendes, diaphoretisches, schmerz- und krampfstillendes Mittel wird Belladonna von Hecker angeführt, der sie vorwiegend bei Nerven- und Gemütskrankheiten gebrauchen läßt: als Prophylaktikum gegen Hydrophobie, bei Melancholie namentlich infolge Amenorrhöe, bei Epilepsie und Chorea (zur Erleichterung und Minderung des Leidens), gegen Pertussis im 2. und 3. Stadium, bei Lähmungen, insbesondere Hemiplegie und Amaurosis Schwangerer. Besonders aber rühmt er die innerliche und äußerliche Anwendung der Folia Belladonnae gegen Karzinom der Mammae, des Uterus und der Lippen wie auch gegen zirrhöse Verhärtungen des Magendarmkanals, weiter den Gebrauch bei chronischen Exanthemen, venerischen Krankheiten (fressenden Ulzera), hartnäckiger Gicht und Ischias.

Auch von Hufeland wird Belladonna häufig verwandt, und zwar meist als Antispasmodikum und Gehirnmittel.

In der gleichen Eigenschaft verwendet sie Clarus, namentlich bei Pertussis und psychischen Neurosen; bei Neuralgien und Entzündungen, insbesondere Angina tonsillaris, macht er von ihrer schmerzstillenden Wirkung Gebrauch.

Als Antiepileptikum wurde Belladonna u. a. von Lussana, Volonterio, Crosio, Lange, Maresch, Scholz und Azaria erfolgreich benutzt.

Trousseau, Cowdell, Joachim, Griffith u. a. empfehlen sie gegen Harninkontinenz, besonders Enuresis nocturna infantum. Einreibung der Regio hypogastrica mit Belladonnasalbe erwies sich Bretonneau als nützlich bei Hyperemesis gravidarum. Mit Kalomel zusammen wurde Belladonna gegen Cholera empfohlen. Nach Brend leistete Belladonna als Antigalaktagogum bei drohenden Brustabszessen gute Dienste.

Von Ringer wird sie als schweißhemmendes Mittel, z. B. bei Rachitis, genannt.

v. Ferray berichtet über Sekretminderung, Anfallskupierung und anhaltende Besserung bei Bronchialasthma durch Atropinbehandlung.

In der Kinderpraxis sah Breitmann sehr gute Erfolge mit Atropinmethylobromat bei exsudativer Diathese der Kinder, insbesondere nässenden Ekzemen nach Beseitigung der verursachenden Stoffwechselstörungen; auch bei Bronchitis chronica, Bronchopneumonie und Verdauungsstörungen infolge der exsudativen Diathese.

Bei katarrhalischer Tracheitis und Bronchitis verordnete Laqueur den Belladonnaextrakt wegen seiner sekretionshemmenden Wirkung.

Sehr häufig werden Atropin und Scopolamin zur Bekämpfung der Sekretionen und Erzielung einer ruhigeren Narkose vor Ätherinhalationen gebraucht. In Kombination mit Morphin ist Atropin sehr empfehlenswert zur Bekämpfung der eventuellen Brechwirkungen des Morphins und wird besonders bei Koliken viel angewendet.

Nach Bansi eignet sich Belladonna zur konservativen Behandlung der Hirschsprungschen Krankheit.

Schulz rühmt verdünnte Belladonnatinktur bei frischer einfacher Angina, bei wiederholtem, profusem Nasenbluten und bei Obstipation mit Schmerzen in der Lebergegend und im Colon ascendens.

Nach Jellinek bewährte sich Belladonna in Verbindung mit Barbitursäure bei Ulcus ventriculi et duodeni, arteriosklerotischer Hypertonie und Koronarsklerose, auch bei Dauerdarreichung.

Zweig empfiehlt zur Schmerzlinderung von Ulcus ventriculi et duodeni Belladonnasuppositorien.

U. a. schildert Ochsenius einen Fall von Pylorospasmus, in dem Atropin augenblickliches Aufhören des Erbrechens und weiterhin Gewichtszunahme bewirkte.

Kisch berichtet von dem günstigen Einfluß des Atropins auf spastische Obstipation.

Bei Tabesschmerzen empfehlen Roasenda und Garetto intravenöse Injektionen von Atropin in der Dosis von 0,0005-0,0015-0,0002 g. Durch eine Atropininjektion von 0,003 g konnte Lokre einen eingeklemmten Bruch reponieren. Eine vorangegangene Injektion von 0,0004 g Atropin und 0,001 g Adrenalin hatte sich als ungenügend erwiesen. Belladonnasuppositorien haben sich auch bei Dysmenorrhöe, Adnexitis und vor allem zur Erleichterung der Geburt (Erweiterung des Muttermundes bewährt.

Klotz verwendet Belladonna zur Verhütung von Fehlgeburten bei Frauen, die den Typ vegetativer Dystonie darstellen, und zwar gibt er das Mittel an den Tagen, an denen die Frauen während der Schwangerschaft ihre Regel haben würden.

Nach Kulenkampff und Schroeter bewährte sich Atropin bei Trigeminusneuralgie.

Bei Scharlach und erythematösen Ausschlägen halten Peyre-Porcher, Hochstetter und van Holsbeek Belladonna für indiziert.

U. a. berichtet Fontana von der Heilung eines symptomatischen Diabetes insipidus mittels Atropin.

Auf den sonstigen therapeutischen Gebrauch des Atropins, über den eine sehr umfangreiche Literatur entstanden ist, kann hier nicht näher eingegangen werden.

Als eines der wichtigsten Mittel, die zur direkten internen Behandlung von Hautkrankheiten gehören, wird Belladonna von Jeßner angeführt. Leclerc erklärt Belladonna für ein Heilmittel „par excellence“ bei Muskelspasmen, Krämpfen des Afters, Urethers, der Vagina und des Uterus. In gleicher Weise übt es einen guten Einfluß auf die Krämpfe der respiratorischen Wege wie Keuchhusten, nervöses Asthma, Larynx- und Glottiskrämpfe aus. Als krampfauflösendes Mittel leistet es gute Dienste bei der Reflexübererregbarkeit, wie sie sich zeigt bei Incontinentia urinae, Priapismus und Spermatorrhöe. Weiter erwähnt er als Indikationen Galaktorrhöe, Speichelfluß, Schweiße der Phthisiker, Hyperchlorhydrie des Magens, gastrische Krisen, spastische Obstipation. Bei den trockenen Koliken der Enteritis mucomembranacea leistet sie nach ihm mehr als Opium.

Die „bulgarische Kur“:

Der „Erfinder“ und Vertreiber der sogenannten bulgarischen Kur, Iwan Raeff in Chipka, Bulgarien, propagiert durch Zeitungsinserate seine Kur in kleinen Pappschachteln, die von dem Magazin „Bilka“, Kloster Chipka, versandt werden. In diesen Packungen findet man einige Stückchen verschieden großer, zerschnittener Wurzeln, die die Aufschrift tragen Racine Nr. 1, ferner einige Päckchen schwarzen Pulvers mit der Bezeichnung Poudre Nr. 2, eine Packung erbsengroßer Pillen „Pilules“ Nr. 3 und einige Stückchen einer aromatischen Wurzel, bezeichnet mit Racine Nr. 4. Die Kur galt als Geheimmittel. Erst durch die tatkräftige Unterstützung der Königin Elena von Italien, die Medizin studiert hat, wissen wir, woraus die einzelnen Substanzen bestehen. Durch verschiedene Analysen, z. B. die von Nikoloff u. a., war schon bekannt geworden, daß es sich im wesentlichen um Belladonna handelt. Racine Nr. 1 sind Stücke von Belladonnawurzel, Nr. 2 ist Tierkohle, Nr. 3 ist Brotteig mit Muskatnuß und manchmal Holzspänen, Nr. 4 sind Wurzelstücke von Acorus calamus. Die Originalanweisungen lauten: 30 g von Nr. 1 sind mit Nr. 2 für 10 Minuten in 600 ccm herbem Weißwein aufzukochen; von diesem Dekokt werden täglich steigend löffelweise die Kranken gefüttert. Einige Stunden nach Verabreichung soll eine Pille Nr. 3 geschluckt werden, in der Zwischenzeit soll ein winziges Stückchen von Nr. 4 längere Zeit gekaut werden. Durch die Untersuchungen von Tocco, dem Direktor des pharmakologischen Institutes zu Messina, wurde festgestellt, daß bei der der Vorschrift entsprechenden Zubereitung des bulgarischen Dekoktes der wichtigste Anteil, das Atropin, fast vollkommen zerstört wird. Wenn demnach diese Kur trotzdem noch wirkt, so müssen nach H. Selzer, Rom, dessen Ausführungen ich hier im Wesentlichen folge, noch andere Stoffe im Dekokt vorhanden sein, die in ihrer Gesamtheit den bisher bekannten aktiven Prinzipien der Reindarstellung überlegen sind. Zu den einzelnen Zusätzen bemerkt Selzer, daß der Weißwein gut geeignet sei, weil er weniger starke Ausfällungen gebe als Rotwein. Die Tierkohle führe beim Kochen zur Bindung der freiwerdenden Alkaloide. Wozu die Muskatnußpillen dienen sollten, wäre noch unerklärlich. Hingegen sei die Anweisung, Kalmuswurzel zu kauen, sicherlich gegeben, um die auftretende Trockenheit im Munde zu verringern. Auf Veranlassung der italienischen Königin sind in Italien mehrere große Krankenstationen zur Nachprüfung der Wirksamkeit der bulgarischen Kur eingerichtet worden, so in Rom, Bari, Mailand, Trin, Bologna und Triest. Auch in Deutschland wurde im August 1937 eine Königin-Elena-Klinik in Kassel eröffnet, um die in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten Erfahrungen der italienischen Kliniken auszuwerten.

Die vorgeschriebenen Anweisungen werden ziemlich genau befolgt. Von dem Dekokt wird den Postenzephalitikern als Anfangsdosis 5 ccm abends vor dem Schlafengehen gegeben. Man steigert täglich um 1 ccm. Hat man 10 ccm erreicht, so unterteilt man die Gesamtmenge: mittags vor dem Essen, nachdem der Kranke mindestens drei Stunden nüchtern war, verabreicht man die Hälfte, abends ebenso den Rest. Hat man nach langsamem Ansteigen die Tagesmenge von 20 ccm erreicht, so unterteilt man diese, indem man morgens um 5 Uhr einen Teil, mittags einen zweiten und abends die Hauptmenge gibt, so daß die lästige Trockenheit dann weniger stark empfunden wird. Im Durchschnitt erreicht man Maximaldosen von 60 ccm täglich. Einzelne italienische Ärzte, wie Panegrossi, gehen bis 100 ccm.

Die Frage der Qualität der Belladonna spielt eine besondere Rolle. Neuerdings wurden auch in Italien gewachsene Belladonnawurzeln verwendet. Bevorzugt wird eine gewisse Species und ein bestimmter Teil der Wurzel. Im allgemeinen werden 40 ccm vom Patienten vertragen, ohne daß Abmagerung und Blässe und starkes Ermüdungsgefühl sich geltend machen. Die Dosis soll demnach nach Möglichkeit individualisiert werden. Die Kur dauert mindestens 2 Monate. Die Haupterfolge sind schon nach drei Tagen zu verzeichnen, besonders hartnäckige Symptome, wie Beschwerden in der Deambulation, Blickkrämpfe, Tremoren, verschwinden erst nach 4-5 Monaten. Die Kur gilt als völlig unschädlich, wenn die Vorschriften genau innegehalten werden. Sie unterscheidet sich von der Römer schen Atropinkur ganz wesentlich. Römer ließ anfangs 3 Tropfen einer 0,5%igen Atropinlösung nehmen, eine Dosis, die täglich um 2 Tropfen erhöht wurde, bis eine weitere Besserung nicht mehr erkennbar war. Sowie die Kur abgesetzt wurde, genügten 24 Stunden, um das ganze verschwunden geglaubte Krankheitsbild in voller Stärke wieder aufleben zu lassen. Dasist bei der bulgarischen Kur grundsätzlich anders. Nach Aussetzen der Kur sind nur mit wenigen verschwindenden Ausnahmen Rückfälle zu beobachten. Die Kranken können eine Wiederholungskur in regelmäßigen Abständen durchführen. Auch nach jahrelanger Anwendung treten keine Beschwerden auf. Ebensowenig ist im Laufe der Zeit eine Gewöhnung an die Kur oder eine Abnahme der Wirkung zu befürchten. Man kann auch die Patienten in ambulanter Behandlung weiter belassen. Während der Kur wird eine vorwiegend lakto-vegetabilische Kost gegeben. Fleisch, Alkohol, Kaffee, Tabak und Gewürze werden vermieden. Zweimal täglich werden die Patienten massiert und zu regelmäßigen Gymnastikübungen angehalten. Etwaige Gewichtsverluste werden durch Stärkungsmittel (Leberpräparate, Lebertran) ausgeglichen.

Die Begleiterscheinungen bestehen in Hitzegefühl im Gesicht, Mydriasis und Trockenheit im Munde. Die aus der Atropinkur bekannten Vergiftungserscheinungen, wie Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Delirien und Pulsstörungen werden jedoch bei dieser Kur niemals beobachtet. Auch die von Sigismund bei chronischen Atropingaben beobachtete Atonia gastrointestinalis, die bis zum paralytischen Ileus führen kann, ist bei der bulgarischen Kur niemals beobachet worden.

Wieviel Milligramm Gesamtalkaloide täglich bei einem Patienten erforderlich sind, ist individuell verschieden. Im allgemeinen überschreitet man in Italien niemals die Grenze von 10 mg, während Römer bis 24 mg gab. Man geht mit dieser Gesamtalkaloidmenge, wenn man zu hoch gegangen ist, so weit zurück, bis man die für den Patienten optimale Dosis gefunden hat. Die ersten und eindeutigsten Besserungen zeigen sich in dem Verschwinden der Hypertonie des Muskelsystems. Das bewegungslose Gesicht, der starre Blick verschwinden fast vollständig. Der Gesichtsausdruck wird inhaltlicher und ist nicht mehr maskenhaft. Die Aphonie, die durch die Hypertonie der Stimmbänder bedingt ist, wandelt sich in normale Stimmbildung um. Die charakteristische Haltung der Postenzephalitiker verliert sich in 2-3 Monaten. Die Ticks, die Mitbewegungen der Zunge werden immer geringer, verschwinden aber nur selten völlig. Hingegen verschwinden ganz der gestörte Speichelfluß, der Tränenfluß, das krankhafte Schwitzen, die Gefäßspasmen, also alle anderen Erscheinungen des gestörten vegetativen Nervensystems. Die unwillkürlichen Bewegungen sind besser beeinflußbar als die Blickkrämpfe. Noch hoffnungsloser sind die Sprachstörungen. Der charakteristische parkinsonistische Tremor verschwindet, wie sich herausstellte, je nach der Qualität des Belladonnaauszuges mehr oder weniger. Ferrannini beobachtete, daß mit Dekokten der italienischen Gesamtbelladonnawurzel bessere Resultate in der Behandlung des Tremors auftreten als mit der bulgarischen Abkochung. Die psychischen Störungen sind am wenigsten beeinflußbar. Insbesondere ist es bisher niemals gelungen, die Charakteranomalien, wie Perversion und Unmoralitäten, verschwinden zu lassen.

In Deutschland beobachtete Baldauf an der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster, Pfalz, daß die Anwendung der Ganzpflanze in Form von Verreibungen frischer Belladonnawurzeln, also nicht von Auszügen, zur Behandlung der Postenzephalitis außerordentlich geeignet ist. Verwendet wurden „Teep“-Zubereitungen in Kapseln, dreimal täglich 1 Kapsel von Radix Belladonnae „Teep“. Die Patienten sind bei dieser Behandlung ganz begeistert. Nur die auftretende Trockenheit im Munde wirkt störend, sie läßt sich vielleicht durch Herabgehen mit der Dosis noch weiter mildern. Im allgemeinen kann man sagen, daß etwa 25% der Fälle völlig geheilt werden, 40% wieder bis zur Arbeitsfähigkeit gebessert und der Rest nur gebessert wird. Diese Zahlen wurden nach der Anwendung von Auszügen gewonnen. Man kann vermuten, daß bei der Anwendung besonders gut geeigneter Wurzelverreibungen noch ein weiterer Prozentsatz von Kranken geheilt werden kann, zumal, wie schon mitgeteilt und wie weiter unten dargelegt wird, durch die Erhitzung sehr viele Wirkstoffe der Pflanze vernichtet werden.

Als Kontraindikationen für die bulgarische Belladonnakur haben zu gelten: Starker körperlicher und geistiger Verfall, krankhafte Veränderungen des Herzens, der Leber und Nieren. In Italien werden diejenigen Fälle von Postenzephalitis nicht behandelt, bei denen sich das parkinsonistische Krankheitsbild noch in der Entwicklung befindet, bei denen also noch kein statischer Zustand eingetreten ist.

Ganz allgemein sind Belladonnakuren nur mit großer Vorsicht bei Infektionskrankheiten und in dem Zustande der Hypertension wie bei Angina pectoris und Arteriosklerose (Ch. Fiessinger anzuwenden.

Im Übrigen scheint er auch sonst zu schwanken. Di Mattei fand in der Radix und in dem Rhizom einen Alkaloidgehalt von 0,44%, Ferrannini dagegen 0,80%. Der durchschnittliche Gesamtalkaloidgehalt der Wurzel beträgt nach Wehmer 0,5%. Bei meinen Anbauversuchen konnte ich durch geeignete Düngung und durch Anbau mit einer geeigneten Begleitpflanze den Alkaloidgehalt bis auf 1,3% erhöhen.

Anwendung in der Homöopathie:

Über die homöopathische Wirkung der Belladonna äußert sich Hahnemann folgendermaßen:

„Auch heilt die Belladonna Arten von Manie und Melancholie (Evers, Schmucker, Schmalz und Münch [Vater und Sohn] mittelst ihrer inwohnenden Kraft, besondere Arten von Wahnsinn zu erzeugen, dergleichen Rau, Grimm, Hasenest, Maya, Mardorf, Hoyer, Dillenius und andere aufgezeichnet haben. – Schlagfluß, wie Evers bei Schmucker bezeugt, und Lähmung sogar der Sprach- und Schlingorgane (Selle) hat dieses Kraut geheilt, weil es nicht nur einen schlagflußähnlichen Zustand (J. J. Wagner, Porta, Ehrhardt), sondern auch insbesondere Lähmungen der Sprach- und Schlingorgane (Sauvages, Hasenest, Rau, Wagner, Lottinger, Buchave, Manetti) für sich zu erregen pflegt.“

In der heutigen Homöopathie wird sie in erster Linie bei akuten und fieberhaften entzündlichen Erkrankungen (besonders auch bei zerebralen Störungen der Hochfieberkranken), bei akuter Manie, Epilepsie, Krampfparoxysmen, lähmungsartigen Zuständen, akuten Neuralgien, Keuchhusten, Gallenstein- und Nierenkoliken, Dysmenorrhöe und als Kopfschmerzmittel verwendet.

Bei Magenkrampf anämischer Mädchen bezeichnet Stauffer sie als ein herrliches Hilfsmittel.

Inhaltsstoffe:

Die wesentlich wirksamen Bestandteile der Belladonnablätter sind die Alkaloide Hyoscyamin und Atropin, die flüchtigen Alkaloide Methylpyrolin, Methylpyrolidin, Pyridin und ein Diamin, ferner Leucatropasäure und Chrysatropasäure, Cholin, Phytosterin, Asparagin und Labenzym. Auch die Wurzeln enthalten Hyoscyamin und Atropin, ferner Scopolamin, Duboisin, Atropamin, Atropasäure, Phytosterin und Labenzym. Belladonna enthält lebend hauptsächlich Hyoscyamin. Wird sie in üblicher Weise getrocknet, so entsteht die racemische Verbindung, das Atropin. Versuche zeigten, daß der Alkaloidgehalt der Wurzel nachts etwas geringer ist, auch wurde festgestellt, daß die Gegenwart von Artemisia vulgaris in der Belladonnakultur den Alkaloidgehalt der Belladonna erhöht.

Pharmakologisches:

Die Hauptwirkung des Atropins ist eine peripher hemmende Wirkung auf die parasympathischen Nervenendigungen. Daraus ergibt sich eine Abschwächung des Tonus und der Bewegungen der Organe mit glatter Muskulatur, an denen der Parasympathikus Förderungsnerv ist. Verschiedene Autoren stellten allerdings demgegenüber das Atropin als ein Ermüdungsgift der sympathischen Nervenendigungen hin. Es schwächt die Drüsentätigkeit und bewirkt eine Hemmung aller Sekretionen. Arima und Metzner beobachteten an der Speicheldrüse zuerst Schleimhauttrockenheit, dann „paroxen Speichelfluß“, bei dem einerseits vergrößerte Alveolen, auf der anderen Seite Verkleinerung und Schrumpfung der Alveolen vorhanden waren. Den nach Gaben von 1 : 10 000 verdünntem Atropin auftretenden Speichelfluß hält Blume für reflektorisch bedingt (Wirkungsumkehr! Verf.).

Die Atropinwirkungen auf den Darm sind zum Teil gegensätzliche: bald, nämlich am atonischen Darm, vom Auerbach-Plexus aus erregend, bald von ihm oder den Vagus- und Pelvicusendigungen aus beruhigend – letzteres, wenn die Bewegungserregung durch parasympathische Gifte oder Hormone (Pilocarpin, Cholin) unterhalten wird. Denn die Wirkungen des Pilocarpins, Eserins, Arecolins sowie auch die des als Cholin bzw. Acetylcholin erkannten Darmhormons werden schon durch minimale Atropinmengen aufgehoben. Die Magen-Darmsekretion wird – wie alle anderen – vermindert, und darin liegt wohl die Ursache für die bei chronischer Vergiftung eintretende Appetitlosigkeit und Abmagerung.

Die Herzaktion wird durch Vagushemmung nach einer kurzen Verlangsamung beschleunigt, der arterielle Blutdruck gesteigert. Durch starke Kapillarerweiterung entsteht Hautrötung; die Körpertemperatur wird erhöht. So beobachtete Munns nach Verabreichung von 0,00006 g Atropin Temperatursteigerung bis 41°, sogar bis 42,7°. Diesen Fieberanfällen gesellten sich Auftreibungen des Abdomens hinzu. In kleinen Dosen führt Atropin zu Hyperämie, in stärkeren zu Hypoglykämie. Es beeinflußt auch die Kolloidabsonderung der Schilddrüse.

In Kombination mit Morphin und Äther wirkt Atropin ebenso Narkose fördernd wie Scopolamin.

Auf das Gehirn wirkt es in größeren Dosen stark erregend.

Toxikologisches:

Die Tollkirschenvergiftung ist charakterisiert im Anfang durch Rauheit, Trockenheit und Kratzen in Mund und Kehle, quälenden Durst, Heiserkeit, Nausea, Schlingbeschwerden, dann Unmöglichkeit zu schlucken, zuerst Pulsverlangsamung, dann Beschleunigung, Herzklopfen, Kopfweh, Schwindel, gesteigerte Reflexe, heftige Aufregung mit hastigen Bewegungen, Zittern und schwankendem Gang, Delirien mit Halluzinationen, plötzliche Wahnsinnsanfälle, denen Krämpfe, zentrale Lähmung und Stupor folgen. Schließlich treten Kollaps, Koma mit äußerst beschleunigter Atmung und Asphyxie ein. Die Harnentleerung kann stocken, aber auch unwillkürlich erfolgen; auch Albuminurie wurde beobachtet. Im Auge ruft Atropin, das am meisten gebräuchliche Mittel der Augenheilkunde, in größeren Dosen Pupillenerweiterung (beim Menschen ist im Alter die durch Atropin bewirkte Pupillenerweiterung geringer als in der Jugend), katarrhalischfollikuläre Bindehautentzündung, Lidentzündung und Ekzem hervor, auf der Haut Quaddeln, Bläschen, Petechien, skarlatinöse Exantheme und Erytheme. In Speiseröhre, Magen und Dünndarm verursacht es hämorrhagisch-entzündliche Affektionen, u. U. Ulkusbildung. Mit dem Delirium geht eine starke Überproduktion auf psychomotorischem Gebiet einher. Vergiftungen mit Tollkirschen sind sowohl in der älteren als auch in der neueren Literatur öfters beschrieben worden. So berichtet Murray von vier Kindern, die sich an Tollkirschen satt gegessen hatten. Nach kurzer Zeit verfielen sie in Delirien, hatten heftigen Durst und Brechreiz. Dann stellten sich Zähneknirschen und Konvulsionen ein. Die Augenlider waren verzogen, die Pupille vollkommen unbeweglich, das Gesicht rot und aufgetrieben. Die Kinnladen waren zusammengedrückt und das Schlucken kaum möglich. Der Magen reagierte nicht auf eine Dosis Brechweinstein. Endlich gelang es durch Reizen des Schlundes mit einer Feder und wiederholte Dosen von Brechweinstein Erbrechen hervorzurufen; zugleich wurde eine Mischung von Essig, Honig und Wasser gegeben. Darauf ließ die Raserei nach, das Gesicht wurde blaß und kalt, ebenso die Hände, der Puls klein, hart, schnell. Durch Klistiere wurde die Ausleerung einer Menge zerquetschter Beeren zustande gebracht. Am dritten Tage befanden sich die Kinder wieder leidlich, auch die länger andauernde Blindheit wurde zuletzt noch behoben.

Loewe beschreibt den Selbstmordversuch eines Mädchens, das nach eigener Angabe 6 Beeren der Belladonna gegessen hatte. Es zeigte sich das typische Bild eines Deliriums mit phantastischen Sinnestäuschungen, doch blieb ein gewisser Konnex mit der Wirklichkeit erhalten. Von Interesse war die lange Dauer der Pupillenstörungen, die etwa 14 Tage lang bestehen blieben. Keine Pupillenstörungen zeigten sich dagegen bei der Vergiftung mit dem Tee von Radix Belladonnae, den ein Patient irrtümlicherweise an Stelle von Klettentee getrunken hatte.

über weitere Belladonna- bzw. Atropinvergiftungen vgl. Chamberlain und Pitkin, H. A. Schmitz, Zeynek und Stary, O. Geßner, F. Kanngießer.

Beyer gelang es, Mäuse durch Vorbehandlung mit Belladonna gegen die sonst tödliche Dosis dieser Droge festzumachen. Serum belladonnarefraktärer Tiere schützte auch andere Tiere vor der Vergiftung.

Betrifft Haltbarmachung:

Nach R. Dietzel kann die Forderung des DAB., daß Lösungen, die Scopolaminhydromid enthalten, nicht erhitzt werden dürfen, auch auf die übrigen Tropaalkaloide ausgedehnt werden, da diese sich in gleicher Weise durch Erhitzung verändern. Bemerkenswert ist, daß gewisse empirisch gefundene, unschädliche Stoffe die Zersetzungsgeschwindigkeit der Scopolaminlösungen hemmen. Zur Stabilitätserhöhung eignen sich höherwertige Alkohole, wie Dulcit und Mannit, von denen letzteres in der Technik bereits angewandt wird.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Rad. Belladonnae ist ein spezifisches Heilmittel bei Postenzephalitis der Parkinsonschen Krankheit. Man gibt sie entweder in der Form, wie sie in dem Abschnitt die „Bulgarische Kur“ dargestellt ist, oder als Frischwurzelverreibung in Form von „Teep“ (in steigenden Dosen bis 3 Kapseln täglich). Mit dieser Zubereitung wurde auch eine gute Wirkung gesehen bei Paralysis agitans. In einem schweren Fall von Stridor, bei dem alle Heilmittel, die nur möglich waren, vergeblich angewandt worden waren, zeigte sich nach wenigen Dosen von „Teep“ eine völlige Heilung.

In geringeren Dosen werden Fol. oder Rad. Belladonnae-Zubereitungen und Atropin angewandt bei Krampf und krampfartigen Zuständen, wie Epilepsie, Chorea, Enuresis nocturna, Hyperemesis gravidarum, Keuchhusten, Bronchialasthma, Hirschsprungscher Krankheit, Tympanitis, spastischer Obstipation, Dysmenorrhöe, Magenkrämpfen, Gallen- und Nierensteinkoliken, Pylorospasmen, Tabes. Weiter leisten sie gute Dienste bei übermäßigen Schweißen, bei der inneren Behandlung von Hautkrankheiten, Neuralgien und migräneartigen Kopfschmerzen. Die Zusammenstellung dieser Indikationen zeigt, daß im wesentlichen alle Störungen des vegetativen Nervensystems und alle Krankheiten, die auf Grund solcher Störungen manifest werden, sich von Belladonna günstig beeinflussen lassen. Als eine Sonderindikation sei die von Schultzik, Breslau, genannt, der Belladonna bei Nikotinvergiftung mit gutem Erfolge anwendet. Zum Augenspiegeln wird neuerdings das Homatropin bevorzugt, vgl. Rezepte.

In der Homöopathie sind die Indikationen im wesentlichen dieselben, da die Anwendung in der Schulmedizin ebenfalls auf der umkehrenden Wirkung basiert. Belladonna gehört zu den sogenannten Polychresten, d. h. zu den viel angewendeten Heilmitteln der Homöopathie.

Belladonna wird hier bei allen akuten Fiebern und Entzündungen im Anfangsstadium verordnet. Die Hauptsymptome sind: Deliriumneigung, hohe Temperatur, erweiterte Pupillen, hämmernde Kopfschmerzen und hochrote Gesichtsfarbe. Belladonna wird hier meistens im Wechsel mit den organspezifischen Mitteln gegeben, und zwar wird es vor Beginn der Eiterung bei Entzündungen eingesetzt. Besonders günstige Resultate wurden bei der glatten Form des Scharlachs erzielt, ferner bei akuten Halsbeschwerden mit starkem Hitzegefühl, Angina (sämtliche Formen einschließlich Diphtherie im Wechsel mit Mercurius cyanat. Oligoplex), akuter Cystitis, Mastitis, Erysipel, Phlegmonen, Appendizitis, Otitis media usw. (Bei Otitis media bei Rötung des Trommelfelles ohne Vorbuchtung lobt es Langhoff im häufigen Wechsel mit Ferr. phosph. D 2.) Als Zwischenmittel bei Lungentuberkulose mit Fieber bringt die Tollkirsche nach Schmitz oft deutliche Wendung zur Besserung.

Weiter ist Belladonna ein hilfreiches Mittel bei Migräne, kongestiven Kopfschmerzen und Sinusitis („Teep“ D 4), auch ist sie gut bei Schlaflosigkeit und frischen Neuralgien.

Als krampfstillendes Mittel ist Belladonna auch in der Homöopathie beliebt, so gibt man es hier bei denselben Indikationen wie oben, also bei Pertussis, Asthma und allen spastischen Erscheinungen des Vagusgebietes, insbesondere denjenigen des Magen-Darmtraktus, auch bei spastischer Obstipation, Hyperemesis gravidarum, bei Oesophagospasmus, krampfartigen Herzbeschwerden, Blasenspasmen, Gallenkoliken und bei allen anderen Koliken (Magen, Darm, Leber, Niere, Uterus, insbesondere Dysmenorrhöe). Auch bei Ulcus ventriculi et duodeni bei gleichzeitig erhöhter Erregbarkeit des Vagussystems hat sie sich bewährt.

Bei Apoplexie (hier meist als Prophylaxe) und Lähmungen, insbesondere solchen des Blasenschließmuskels (Incontinentia urinae) wird Belladonna mit Erfolg gegeben. Bei starker Transpiration und bei Basedow ist Belladonna weiter angezeigt, ebenso bei foetiden Menorhagien plethorischer Mädchen und Frauen. Von verschiedener Seite wird auch darauf aufmerksam gemacht, daß durch den Gebrauch die ausbleibende Periode älterer Frauen wieder einsetzt und Wollustgefühle auftreten. Auch klimakterische Beschwerden mit erhöhtem Blutdruck sind eine gute Indikation. Schließlich wird auch das Mittel noch gegen Augenleiden (Gefühl, als ob die Augen voller Sand wären), gegen chronischen Alkoholismus und Karies dentium genannt.

Alle 2 Stunden 1-2 Tropfen des Extraktes sind nach Dieterich ein ausgezeichnetes Mittel gegen Seekrankheit.

Als Wechselmittel bei fieberhaften und entzündlichen Erkrankungen werden oft Aconitum, Bryonia und Mercurius cyanatus genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

Matthiolus erwähnt nur die Wirkung der Beeren.

v. Haller nennt Beeren, Wurzeln und Blätter.

Geiger empfiehlt die im Frühling gesammelte Wurzel und die zur Blütezeit geernteten Blätter. Er ist der Meinung, daß das Atropin in den Blättern reichlicher vorhanden ist.

Hufeland führt nur die Wurzel an.

Clarus kennt Wurzel und Kraut als offizinell.

Nach Friedrich soll die ganze Pflanze vor der Blütezeit gesammelt werden. Dragendorff gibt den Gehalt der Blätter und älterer Wurzeln an Atropin als sehr ähnlich an und erwähnt ihn auch von den Beeren.

Nach Zörnig sollen die Blätter zur Blütezeit von wildwachsenden, zwei- bis vierjährigen Pflanzen und die Wurzeln blühender Pflanzen von gleichem Alter verwendet werden.

Buchheister und Ottersbach bezeichnen als gebräuchlich die Blätter und die Wurzel. Diese können von mehrjährigen Pflanzen zur Blüte- und Fruchtzeit, jene beim Beginn der Blüte geerntet werden.

Dinand läßt die ganze Pflanze nehmen.

Leclerc spricht nur von den Blättern.

Marfori-Bachem führen Blätter und Wurzel an, ebenso Wasicky.

Die Angaben von Hager entsprechen denen von Zörnig.

Schmidt empfiehlt die frische Pflanze zur Zeit der beginnenden Blüte.

Meine Prüfung der verschiedenen Pflanzenteile auf biologischem Wege hat zu folgendem Ergebnis geführt: Vor der Blüte ist das Belladonnakraut am wirksamsten. Diese Wirksamkeit läßt während der Samen- und Fruchtbildung nach. Die unreifen Früchte sind noch wenig wirksam; sobald sie reif sind, werden sie höchst wirksam, wogegen die Wirkung des Krautes stark nachläßt. Sie beträgt zu dieser Zeit etwa den 50. Teil der Wirkung des Krautes vom Monat vorher. Die Tinktur aus den reifen Beeren erreicht nicht ganz die Heilkraft der Tinktur aus dem Kraut vor der Blüte.

Das HAB. läßt zur Herstellung der homöopathischen Essenz die frische Pflanze ohne Wurzel, zur Zeit der beginnenden Blüte gesammelt, verwenden.

Das Belladonna-„Teep“ wird aus der frischen Pflanze ohne Wurzel, die vor der Blütezeit gesammelt ist, hergestellt. Daneben wird aus der frischen, im Frühjahr oder Herbst gesammelten Belladonnawurzel, und zwar aus den als wirksam erkannten Teilen dieser Wurzel einer bestimmten Species ein zweites „Teep“ hergestellt, genannt Rad. Belladonnae „Teep“.

Folia Belladonnae sind offizinell in allen Staaten mit Ausnahme Japans. Radix Belladonnae ist offizinell in Österreich, Schweiz, England, Ver. Staaten von Nordamerika, Spanien, Portugal, Rumänien, Argentinien, Venezuela, Mexiko und Chile

Dosierung:

Übliche Dosis:

0,05-0,1-0,2 g Fol. Belladonnae ein- bis zweimal täglich (Rost-Klemperer);

0,15-0,2 g Fol. Belladonnae (Leclerc);

0,25-0,5-1 g der Tinktur aus den Blättern in Tropfen (5-10-20 Tropfen), in Pulver mit Milchzucker angerieben (Klemperer-Rost);

0,01-0,02 g des Extraktes zwei- bis dreimal täglich;

0,01-0,03 g des Extraktes eine Stunde vor dem Frühstück und vor dem Mittagessen bei nervöser Dyspepsie (Klemperer-Rost);

30 g der Wurzel auf 600 ccm Weißwein als Dekokt, in steigenden Dosen bis zu 60 ccm des Dekokts täglich bei Parkinsonismus (Selzer), vgl. S. 681.

1 Tablette Rad. Belladonnae „Teep“ forte à 0,25 g enthält 1 mg Atropin. Man verordnet bei Parkinson im allgemeinen steigend bis zu 6, höchstens 7 Tabletten täglich. Daneben wird noch ein Rad. Belladonnae „Teep“ mite hergestellt, bei dem 1 Tablette à 0,25 g 0,1 mg Atropin enthält. Patienten, die noch kein Atropin bekommen haben, verabreicht man zunächst „Teep“ mite in derselben steigenden Dosierung.

1 Tablette Hb. Belladonnae „Teep“ dreimal täglich.

Bei einem Gesamtalkaloidgehalt der frischen Pflanze von 0,8%, bezogen auf Trockensubstanz, enthält 1 Tablette Belladonnae „Teep“ (aus frischem Kraut) D 2 zu 0,25 g 0,02 mg Gesamtalkaloide, berechnet als Hyoscyamin.

0,00003-0,001 g Atropinum sulfuricum in Pillen oder Pulvern (Klemperer-Rost).

Zur subkutanen Injektion werden meistens höhere Dosen gegeben, so bei Seekrankheit 0,002-0,003 g; bei Ileus spasticus gibt man sogar bis 5 mg Atropinum sulfuricum (Klemperer-Rost),

Kinder scheinen für große Belladonnagaben sehr tolerant zu sein. Nach Leclerc hat ein Kind von 3 Jahren bis 40 Tropfen der Tinktur und ein Mädchen von 13 Jahren bis 120 Tropfen vertragen, während ein Erwachsener schon nach 6 Tropfen schwere Störungen des Allgemeinbefindens zeigte.

In der Homöopathie:

dil. D 5-3, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

0,2 g pro dosi, 0,6 g Fol. Belladonnae täglich (DAB. VI);

0,05 g pro dosi, 0,15 g täglich des Extraktes (DAB. VI);

0,1 g pro dosi, 0,4 g täglich Rad. Belladonnae (Erzgb.);

0,1 g pro dosi, 0,3 g täglich Rad. Belladonnae (Helv.);

1 g pro dosi, 3 g täglich Tinct. Belladonnae (0,05% Alkaloide) (Helv.);

0,5 g pro dosi, 1,5 g täglich Tinct. Belladonnae (Erzgb.);

1 g pro dosi, 3 g täglich Tinct. Belladonnae e herba recente (Erzgb.);

0,001 g pro dosi, 0,003 g täglich Atropinum sulfuricum (DAB. VI);

0,001 g pro dosi, 0,003 g täglich Homatropinum hydrobromicum (DAB. VI).

Rezeptpflichtig:

Fol. Belladonnae (ausgenommen in Pflastern und Salben und als Zusatz zu erweichenden Kräutern), Extractum Belladonnae (ausgenommen in Pflastern und Salben), Tinctura Belladonnae, Atropin und seine Salze, Homatropin und seine Salze.

Die obengenannten Ausgangsstoffe sind auch in homöopathischen Zubereitungen bis einschließlich D 3 rezeptpflichtig.

Rezepte:

Bei Spasmen, insbesondere des Magen- und Darmtraktus (nach Trendelenburg):

Rp.:

Extracti Belladonnae 0.45
Mass. pil. q. s. f. pil. No. XXX
D.s.: Dreimal täglich 1-2 Pillen zu nehmen.

Bei Tenesmus, Gastralgien und Dysmenorrhöe (nach Arzneiverordnungsbl. d. dtsch. Arzneimittelkommission):

Rp.:

Extr. Belladonnae 0,02-0,03
Olei Cacao 2
M.f. suppos. d. tal. Dos. Nr. VI.
S.: Ein- bis dreimal täglich ein Zäpfchen.

Zur Ruhigstellung der Iris, zur Vermeidung der Synechien der Iris und zur Zerreißung gebildeter Synechien (nach Trendelenburg):

Rp.:

Atropini sulfur. 0,1
Aquae dest. ad 10
M. d. ad vitr. nigr.
S.: Augentropfen, dreimal täglich 1 Tropfen (mit je 0,0005).
Cave Glaukom oder Glaukomverdacht und lang fortgesetzte Behandlung.

Bei Keuchhusten (nach Rost-Klemperer):

Rp.:

Extr. Belladonnae 0,3
Aq. dest. 100
Sir. Ipecacuanhae 25
Vini stibiati 10
M.d.s.: Dreimal täglich 1-2 Teelöffel.

Pulvis anasthmaticus fumalis (nach Crevoisier):

Rp.:

Fol. Belladonnae
Fol. Digitalis
Fol.Stramonii
Fol. Salviae Kalii nitrici  aa  (part. aequ.) 10
D.s.: Räucherpulver.

Zur Pupillenerweiterung beim Augenspiegeln (nach Trendelenburg):

Rp.:

Homatropini hydrobrom. 0,1
Aquae dest. ad 10
M. d. ad vitr. nigr.
S.: 1 Tropfen (mit je 0,0005) zum Einträufeln.

Bei Hämorrhoiden (nach Rost-Klemperer):

Rp.:

Extr. Belladonnae 2
Lanolini ad 20 M.f. ungt.
D.s.: äußerlich.
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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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