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Hafer, Gramineae

Name:

Avéna satíva L. Saathafer, Haber, Hafer. Französisch: Avoine; englisch: Oats; italienisch: Avena; dänisch: Havre; litauisch: Aviža; polnisch: Owies; russisch: Owios; tschechisch: Oves setý; ungarisch: Zab.

Verbreitungsgebiet

Weiteres Vorkommen: Fast überall.

Namensursprung:

Avena ist der Name des Kulturhafers und des Wilden Hafers bei den Römern. Die Etymologie ist nicht ganz sicher; nach einer Erklärung wird das Wort vom sanskritischen avi = Schaf (avena also gleich Schafgras), nach einer anderen vom sanskritischen avasa = Nahrung abgeleitet. Die oberdeutsche Form Haber (althochdeutsch habaro) wird gewöhnlich mit dem Namen des Bockes im Angelsächsischen (häfer) und im Altnordischen (hafr) in Verbindung gebracht, und dieses Getreide dann als Nahrung des Bockes bezeichnet. Jedoch ist diese Erklärung unsicher. Die Form „Hafer“ ist aus dem niederdeutschen Haver, das dem altsächsischen havoro entspricht, entstanden. Die altnordische Form ist hafri. Grimm hat nachgewiesen, daß der Name des Hafers sich in fast allen europäischen Sprachen mit dem des Bockes berührt. Demnach wurde der Hafer als Futter des Ziegenbocks bezeichnet.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Im bayerisch-österreichischen Dialekt wird das Wort meist als Habern, im Plattdeutschen als Hauwe ausgesprochen. Auf Ostfriesland heißt der Haber Biwen, Bifen, in Schwaben auch Hyllmann. Die Rispe des Habers heißt in Niederösterreich Had’l, in Tirol (Defereggental) Hattl, in Oberhessen Schnade, bei Bremen (Oberneuland) Bâeen; ebendort werden die Grannen des Habers Aiën, Ainen genannt. Im Thurgau (Schweiz) nennt man die Spelzen Helbe, Helber.

Botanisches:

Dieses 60-100 cm hoch werdende Kulturgras wird fast überall als Pferdefutter und Nährmittel angebaut. Es verlangt guten Boden und kommt zuweilen auf Schutt und an Wegen verwildert vor. Seine Stengel sind am Grunde verzweigt, oberwärts unverzweigt, aufrecht und kahl. Die etwa 15-30 cm langen, lockeren Rispen tragen meist zwei-, seltener dreiblütige Ährchen. Die Deckspelze der oberen oder beider Blüten ist unbegrannt, die Ährchen hängen nach der Fruchtreife herab. Blütezeit: Juni bis August. Hafer gehört zu den Pflanzen, die den Boden besonders stark versäuern. Der im Haferfeld gern als Unkraut auftretende Ackersenf entsäuert den Boden wieder. Ich konnte in Versuchen feststellen, daß Haferpflanzen, die mit Senf zusammen aufgewachsen waren, keine Vergilbung und Bräunung der Blattspitzen zeigten wie die unkrautfrei gewachsenen Kontrollen.

Geschichtliches und Allgemeines:

Im alten Griechenland scheint der Hafer nur wenig bekannt und geachtet gewesen zu sein. Theophrast schreibt, daß nächst dem Spelt der Hafer den Boden am meisten aussauge, weil er viel Halme und Wurzeln habe. Aegilops und Hafer seien fast wild und als Kulturpflanzen nicht zu betrachten. Ähnlich war es auch in Italien, denn Virgil, Columella und Plinius erwähnen ihn in gleicher Weise. Plinius berichtet außerdem noch, daß die Germanen den Hafer säten und keinen anderen als Haferbrei äßen, und daß Hafermehl mit Essig gegen Muttermale örtlich verwendet werde. Dioskurides gebrauchte Haferkörner zu Umschlägen und zu einem Brei gegen Durchfall, den aus ihnen bereiteten Schleim gegen Husten.

In Deutschland war der Hafer früher ein Hauptnahrungsmittel und wurde bis zum 16. Jahrhundert auch zur Bierbereitung gebraucht. In der Volksmedizin wird ein Hafertrank als nervenstärkend und kühlend gerühmt, eine Abkochung von Haferstroh mit Kandiszucker oder Honig wird als Hustenmittel empfohlen. Auch im Thurgau (Schweiz) wird ein Tee aus „Haferstrau“ als Mittel gegen Influenza und Husten getrunken.

Wirkung

Bei Paracelsus wird der Hafer als hervorragendes Nahrungsmittel erwähnt.

Der Hortus Sanitatis schildert nur die Anwendung des Hafermehles zu Pflastern bei Geschwülsten, Verhärtungen, Fisteln und Impetigo und als Kosmetikum.

Auch Lonicerus hält es für „sonderlich gut für die Fistel“, das außerdem den Bauch stopfe, nähre und – gebrannt und mit Honigwasser getrunken – steten Husten lindere.

Gegen die Räude und den Grind kleiner Kinder kennt Matthiolus nichts Besseres als ein Bad in Haferstroh-Absud.

Der früher häufig verordnete Loewersche Hafertrank bestand aus Hafer, rotem Sandelholz und Zichorienwurzel, die in Wasser gekocht wurden und denen nach dem Durchseihen Spießglanzsalpeter und Zucker zugefügt wurden. Man trank diese Mischung zu 1/2 oder einem ganzen Pfunde täglich bei schleichenden und hektischen Fiebern, Gicht, Nierenschmerzen, Hypochondrie, Skorbut und a. m..

Auch Hufeland schätzte einen Hafertrank bei Phthisis.

Friedrich empfiehlt den Loewerschen Hafertrank als blutreinigend gegen Exantheme, Ulzera, Rheumatismus, rheumatische Fieber und Krampfhusten.

Clarus kennt die Anwendung der Hafergrützabkochung bei Schleimhautkatarrhen des Darmkanals, der Respirations- und der Harnorgane und den äußerlichen Gebrauch zu Kataplasmen.

Sehr häufig erwähnt der Pfarrer Kneipp den Hafer und das Haferstroh. So ist nach ihm bei vielen Leiden der Haferschleim das beste Linderungs- und Ernährungsmittel, z. B. bei Brust-, Hals- und Magenleiden. Haferstrohbäder sollen bei Gicht und Grieß- und Nierenleiden helfen. Bei diesen Krankheiten soll auch der Haferstrohtee gute Dienste leisten. Zu große Mengen von Haferschleim sollen Kolik und starke Diarrhöe erzeugen.

In der tschechischen Volksmedizin wird nach Veleslavín Hafersuppe gegen Husten und Durchfall gebraucht. Äußerlich wird der Hafer bei Nierenleiden, Geschwülsten, das Hafermehl als Kosmetikum, das Haferstroh als Bad gegen Krätze und grindige Kopfhaut der Kinder gebraucht. Bei Krätze wird nach dem Waschen mit Haferstrohaufguß die befallene Stelle mit Holzasche bestreut. Der Haferstrohaufguß wird auch gegen Husten und alle Lungenkrankheiten getrunken. Bei inneren Schmerzen wird ein Leinensack mit heißen, gerösteten Haferkörnern aufgelegt.

In der amerikanischen Medizin findet eine Tinktur aus Hafer Verwendung als Nerventonikum bei Chorea, Epilepsie, Insomnie, nervöser Erschöpfung, Alkoholismus und während der Opiumentwöhnung. Allerdings wird die Wirksamkeit in letzterem Falle von sachverständigen Beobachtern stark bezweifelt.

Als Kräftigungsmittel bei nervöser Erschöpfung wird die Essenz auch von Dahlke, Stauffer und Schmidt genannt.

Die im Sanatorium Küppelsmühle in Bad Orb mit Avena sativa (homöopathische Tinktur und Frischpflanzenverreibung „Teep“) angestellten Versuche als Sedativum ergaben nach Loben so gute Resultate, daß fast alle Schlaf- und Beruhigungsmittel durch Avena ersetzt wurden.

Hafer findet als Nahrungsmittel in der modernen Diabetesbehandlung große Beachtung. Bei azidosegefährdeten Diabetikern werden sogenannte Hafertage eingelegt.

Nach Kobert steigert ein im Hafer enthaltenes Alkaloid, Avenin, die neuro-muskuläre Reizbarkeit; durch reichlichen Hafergenuß werden Pferde psychisch exzitiert und berauscht. Von anderer Seite wird jedoch das Vorhandensein dieses Avenins bestritten und nur das Alkaloid Trigonellin wie auch in der Fruchtschale ein Vanillinglykosid als vorhanden erklärt.

Von mir angestellte Versuche ergaben, daß der Preßsaft von jungen grünen Haferpflanzen Mäuse schon nach Injektionen von geringen Mengen tötete. In der Literatur werden nur Saccharose, Secalose, Vitamine, Fructose, Glucose, Albuminoide usw. als Bestandteile genannt. Vor kurzem haben Boas und Steude in Avena sativa Saponin nachgewiesen. Diese Autoren beziehen die Wirkungen des Hafers auf den Saponingehalt.

Im Haferstroh, das neuerdings auch als kieselsäurehaltige Droge empfohlen wird, fand Gaudard 2,05% Gesamtkieselsäure.

Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Avena sativa wurde festgestellt, daß Peroxydase und Katalase im „Teep“-Präparat erhalten waren, während die Katalase in der homöopathischen Tinktur nicht nachweisbar und die Peroxydase schwächer als im „Teep“-Präparat war.

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Haferschleim als Magenstärkungsmittel; das Destillat des Hafermehls mit Honigwasser gegen Husten; äußerlich Hafermehl gegen Geschwülste.

Italien: Gegen Hämorrhoiden.

Litauen: In Honig gekochte Haferkörner bei Dyspepsie.

Steiermark: Gegen Obstipation.

Ungarn: Äußerlich gegen Grind.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Der Hafer spielt als Nahrungsmittel in der Krankenbehandlung eine besondere Rolle. Bei azidosegefährdeten Diabeteskranken legt man sogenannte Hafertage ein. Haferschleimsuppen werden gern gegeben für Rekonvaleszenten nach schweren Erkrankungen, bei Appetitlosigkeit, bei Diarrhöen, besonders der kleinen Kinder, auch bei Brust- und Halsleiden tut eine Haferschleimsuppe gute Dienste.

Die Tinktur aus dem grünen Hafer wird angewandt als gutes Tonikum bei allgemeinen Erschöpfungszuständen. Sie wird vielfach mit Erfolg verordnet: bei Neurasthenie, auch sexueller Neurasthenie, Schlaflosigkeit, besonders als Folgen von geistiger Überarbeitung, bei Appetitlosigkeit, besonders nach Grippe, bei nervöser Diarrhöe, Dyspepsie, Impotenz, Pollutionen, ferner bei Bronchitis, Tussis und Pertussis.

Von verschiedener Seite wird auch die Anwendung von Avena als vorteilhaft bei der Morphinentziehung und Tabakentwöhnung bezeichnet. So schreibt J. Albrecht, daß er zwei Opiumsüchtige und drei Morphinisten mit Avena sativa Ø (fünfmal täglich 15 Tropfen in heißem Wasser) geheilt habe. Eine weitere Nachprüfung wäre zweckmäßig.

Müller, Donaustauf bei Regensburg, nennt Avena sativa als Antidot bei Alkoholvergiftung.

Auburtin, Güstebiese, rät von einer Verwendung der Urtinktur ab, da dieselbe oft unangenehm empfunden würde. Meiner Meinung nach wirken die Verdünnungen jedoch zu schwach. Als Wechselmittel wurden u. a. Passiflora, Lupulinum und Valeriana empfohlen.

Sehr gelobt wird auch die äußerliche Anwendung in Form von Haferstrohbädern. So werden bei Rheuma, Lumbago, Lähmungen, tertiärer Syphilis und Leberkrankheiten zweckmäßig Vollbäder genommen. Bei Enuresis helfen heiße Bäder. Gegen Ischias, Unterleibsschwäche und -spasmen, Grieß- und Steinleiden (hier wechselnd mit Zinnkraut oder Heublumen) werden Sitzbäder, bei Exanthemen, Lichen, Wunden, Kopfgrind, Perniones, erfrorenen Gliedern und Augenleiden Lokalbäder angewandt. Schließlich dienen Fußbäder von Haferstroh mit nachfolgender Einpackung zur Behebung von chronisch kalten Füßen und zur Stärkung der Füße.

Angewandter Pflanzenteil:

In der älteren Literatur werden nur die Samen erwähnt. Für die Gewinnung der Arzneien hat sich aber als vorteilhafter die frische, blühende Pflanze erwiesen.

Dafür finden sich Angaben bei Schmidt, Clarke und Kroeber.

Zum Ausgangspunkt für die Herstellung des „Teep“ wird ebenfalls die frische, blühende Pflanze genommen. Auch die Urtinktur nach dem HAB. wird so gewonnen (§ 1).

Dosierung:

Übliche Dosis:

1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)

In der Homöopathie:

Ø fünfmal täglich 15 Tropfen in heißem Wasser.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei nervösen Erschöpfungszuständen als Folge von schweren Krankheiten und Schlaflosigkeit:

Rp.:

Avenae sativae Ø 10
D.s.: Dreimal täglich 15 Tropfen in heißem Wasser.
Bei Schlaflosigkeit abends 20 Tropfen.

Bei Gicht, Rheuma und Flechten (als Bad) (nach Kneipp):

1-2 Pfund Haferstroh werden mit mehreren Litern Wasser 1/2 Stunde lang gekocht.
Der Absud wird dem Bade zugesetzt.

Für Rekonvaleszenten (nach Kneipp):

1 l Hafer wird sechs- bis achtmal mit frischem Wasser gewaschen, dann in 2 l Wasser soweit eingekocht, daß die Hälfte verbleibt.
In diesen Absud verrührt man 2 Eßlöffel voll Honig, läßt die Mischung noch einige Minuten kochen und seiht dann ab.

Bei Schwächezuständen (nach Pfleiderer):

1 Eßlöffel voll Hafergrütze bzw. Haferflocken in 1/2 l Wasser eine Viertelstunde stehen lassen, mit Zucker und Zitronensaft versetzen und schluckweise trinken.

Als Diuretikum (nach Walser):

Rp.:

Stram. Avenae. (= Haferstroh)
Hb. Equiseti (= Schachtelhalmkraut)
Fruct. Juniperi (= Wacholderbeeren)
Rad. Sambuci ebuli (= Attichwurzel)
Fol. Ribis nigri  aa  20 (= Schwarze Johannisbeerblätter)
C. subt. m. f. species.
D.s.: 15 g auf 1/2 Liter Wasser, morgens und abends 1 Tasse trinken. Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 5 Teelöffel auf 2 Glas Wasser
vgl. Zubereitung von Teemischungen
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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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