Sellerie, Umbelliferae.
Name:
Apium gravéolens L. (= Seseli graveolens Scop., = Sium graveolens Vest, = Selinum graveolens E. H. L. Krause, = Céleri graveolens Britton, = Sison Ruta Brum. ? [Helosciadium Ruta DC., = H. rutaceum St. Lager, = Sison trifidus Burm. herb ex DC.], = Apium lobatum Gilib., = Sium Apium Roth, = Apium cellerie Gaertner, = A. maritimum Salisb., = Smyrnium laterale Thunb., = Apium decumbens Ecklon et Zeyher, = A. vulgare Bubani nec. Lam.). Echter Sellerie, Epf, Eppich. Französisch: Céleri, ache, ache des marais; englisch: Celery, wild celery, Smallage Parsley; italienisch: Apio, apio palustre, apio grande, sedano, sellino, senido, sesano, seleno del Tirolo, seleno tedesco, sellero; dänisch: Selleri; polnisch: Seler; russisch: Selderej; tschechisch: Celer obecný; ungarisch: Zeller.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Westasien, Nord-und Südafrika, Süd-und Nordamerika, Verwildert in Amerika, Neuseeland.
Namensursprung:
Bei Horaz und Plinius ist Apium der Name einer Doldenpflanze, die zur Herstellung von Kränzen gebraucht wurde (griechisch σλινον [selinon] bei Theophrast, Dioskurides u. a.), davon stammt das deutsche Wort Eppich ab. J. Hislensis (um 630) leitet apium (griechisch πιον [apion] vom lateinischen apex = Haupt ab, weil die antiken Triumphatoren mit der Pflanze bekränzt wurden. Nach anderer Auffassung soll das Wort mit dem griechischen πων [pion] = fett wegen der glänzenden Blätter der Sellerie zusammenhängen. Graveolens ist aus dem lateinischen gravis = schwer und olens = riechend gebildet. Das deutsche Wort Sellerie, das erst seit dem 17. Jahrhundert gebraucht wird, ist aus dem französischen céleri entstanden.
Volkstümliche Bezeichnungen:
Zelderie (Nordthüringen), Zell(n)er (Nordböhmen), Zeller(er) (bayerischösterreichisch), Zellerlin, Zellerich, Sällerli (Schweiz). Auf die vermeintliche aphrodisische Wirkung der Pflanze geht Geilwurz (Baden). An der Unterweser heißt die Pflanze Zoppenkrud = Suppenkraut.
Botanisches:
Sellerie ist eine alte Kulturpflanze. Gewöhnlich ist sie zweijährig. Die kahle Pflanze erreicht eine Höhe von 30-100 cm und ist gut charakterisiert durch den eigenartigen, durchdringenden „Sellerie“-Geruch, der sich auch beim Trocknen erhält. Die Wurzel ist spindelförmig, ästig und verholzt im zweiten Jahre. Bei den Kulturformen ist sie rundlich-rübenförmig und mehr fleischig und wird über faustgroß. Der Stengel ist kantig gefurcht, oft hohl und reichästig. Die Laubblätter sind dunkelgrün und glänzend, die Grundblätter gestielt, die ersten dreischnittig, die späteren fiederschnittig, ebenso die unteren Stengelblätter. Die kleinen, fast reinweißen Blüten bilden zahlreiche kleine Dolden. Die Teilfrüchtchen sind fast halbkreisrund und haben fünf Hauptrippen. Blütezeit: Juni bis Oktober.
Als wildwachsende Pflanze kommt Apium graveolens zerstreut an salzhaltigen Stellen (vor allem am Meeresstrande), auf Wiesen, in Sümpfen, an Ufern, Gräben, Straßen, an Zäunen und auf Ödland, meist aber in der Nähe menschlicher Siedlungen, vor. Allgemeine Verbreitung: Ganz Europa, Westasien bis Ostindien, Nord- und Südafrika, Südamerika. Auch sonst verwildert die Pflanze fast überall dort, wo sie angebaut wird.
Geschichtliches und Allgemeines:
Der Sellerie, der schon den alten Griechen und Römern bekannt war, ist nach Dioskurides ein gutes Mittel gegen den erhitzten Magen, Verhärtungen in den Brüsten und treibt, roh oder gekocht genossen, den Urin. Die Abkochung des Krautes und der Wurzel wirke tödlichen Giften entgegen; der Same sei stärker harntreibend und helfe besonders gegen den Biß von wilden Tieren und denen, die Bleiglätte genossen hätten. Auch Theophrast und Scribonius Largus loben ihn als harntreibendes Mittel bei Harnstrenge und Wassersucht. – Allgemein hieß es im Altertum und Mittelalter, daß die Pflanze Melancholie vertreibe und harntreibend wirke, daher sie Petrus de Crescentiis auch die „Sellerie des Lachens“ nennt. Nach Veleslavín (1596) sollen Wöchnerinnen sie nicht viel essen, da sie die Milchsekretion einschränkt.
Wirkung
Von Hippokrates wird der Sellerie als harntreibendes Mittel,
von der hl. Hildegard als magenreinigend,
von Paracelsus gegen Blähungen, Harngrieß und stinkende Schweiße empfohlen. Ob sie auch den Samen anwandten, ist nicht bestimmt festzustellen.
Dagegen schreibt Lonicerus, daß der „Epffich“-Samen diuretisch, emmenagog, gegen Blasen- und Nierensteine, Brustschwellungen stillender Frauen, Leber- und Milzleiden wirke, einen wohlriechenden Mund mache, Wunden säubere und täglich in der Kost genützt, die „verlorne farb“ wiederbringe.
Matthiolus läßt den Selleriesamen außerdem gegen „innerliche Verstopfung“, Gelbsucht und Blähungen anwenden.
Weinmann schreibt noch von der abortiven Wirkung der Wurzel, bezweifelt dagegen ihre aphrodisierende Kraft.
Den Samen zählt v. Haller zu den „erwärmenden“ Samen, die Wurzel schildert er als eröffnend, harntreibend und aphrodisierend.
Auch Osiander erwähnt Selleriewurzel bzw. -samen als diuretisches und aphrodisierendes Volksmittel, das noch heute in der Volksmedizin üblich ist.
Nach Leclerc gehen beim Trocknen der Pflanze ihre diuretischen Eigenschaften zum Teil verloren. Er hatte häufig gute Resultate mit der Verordnung eines Kaffeelöffels des Saftes der Pflanze bei Brightscher Nierenkrankheit.
In der Homöopathie werden die Samen gegen Harnverhaltung, Urtikaria, Otorrhöe, Kopfschmerzen und nervöse Unruhe gebraucht.
Der Selleriesamen enthält u. a. 2,5-3% ätherisches Öl mit Limonen. Phenol und Selinen.
Untersuchungen ergaben, daß die Wurzelknolle nicht bakterizid bzw. fungizid wirkt.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Steiermark: Gegen Rheumatismus und als Aphrodisiakum (Bauernsprichwort: Sellerie für den Bräutigam, Spargel für die Braut).
Ungarn: Zur Regelung der Verdauung, gegen Nierensteine und als Diuretikum.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Apium graveolens wird bei Retentio urinae verordnet. Ferner ist es indiziert als allgemeines Diuretikum, bei Blasen – und Nierenleiden aller Art, wie Harngrieß, Nephritis, Nephrolithiasis, Harnsäure, bei Hydrops, Gicht und Rheuma (hier auch äußerlich als Bad). Bei kardialem Hydrops konnte Rudolph allerdings nur selten gute Erfolge sehen.
Häufig wird der Sellerie auch bei Neurasthenie und Impotenz gegeben. Bei Hautkrankheiten wird er gegen Urtikaria, Flechten (Winter, München, nennt hier Psoriasis) und Perniones empfohlen. Weniger häufige Indikationen sind: Blähungen, Magenschwäche, Fluor albus, Amenorrhöe und Gonorrhöe. Außerdem empfiehlt Kalkowski Apium noch bei chronischem Lungenkatarrh, und Büchle gibt bei Brustkrämpfen mit Angstgefühl Apium im Wechsel mit Cichorium.
Apium graveolens wird gern im Teegemisch mit Petroselinum und Asparagus gebraucht.
Als Wechselmittel gegen Neurasthenie und Impotenz werden Kalium phosph. und Acid. phosph. genannt.
Angewandter Pflanzenteil:
Hippokrates nennt die Wurzel des Sellerie kräftiger als den Sellerie selbst.
Dioskurides, der von Kraut, Wurzel und Samen spricht, hält die Samen für am stärksten diuretisch wirkend.
Lonicerus erwähnt Kraut, Samen und Wurzel, gibt aber den Samen den Vorzug.
Auch Matthiolus bezeichnet die Wirkung der Samen als am stärksten.
Nach Geiger waren die Wurzel und die Früchte mit den Samen offizinell.
Er gibt an, daß die Samen nur noch sehr selten gebraucht würden.
Wie Schulz berichtet, werden in der Volksheilkunde Wurzel und Samen verwendet.
Als wirksamen Bestandteil der Präparate empfehle ich die im Herbst gesammelten frischen Samen, doch kann auch der rohe Wurzelsaft gebraucht werden.
Das „Teep“ wird aus den reifen Samen hergestellt. Die homöopathische Tinktur nach dem HAB. wird ebenso bereitet (§ 4).
Dosierung:
Übliche Dosis:
20-30 g des Saftes des Krautes (Dinand);
1 Kaffeelöffel voll des Saftes der Pflanze (Leclerc);
1 Teelöffel voll (= 1,3 g) der Samen zum kalten Auszug täglich.
1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Sem. Apii graveolentis eingestellt.)
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Als Diuretikum:
Rp.:
Sem. Apii graveolentis 30 (= Selleriesamen) D.s.: 1 Teelöffel voll mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken.Als Diuretikum (nach Dinand):
Rp.:
Succi Herbae Apii grav. 20-30 D.s.: Zweimal täglich 1 Eßlöffel.Als Diuretikum (nach Meyer):
Rp.:
Herbae c. Rad. Petroselini rec. (= Kraut und Wurzel der Petersilie) Rad. Apii grav. rec. aa 50 (= Frische Selleriewurzel) D.s.: Die ganze Menge mit 1 l Wasser abkochen und das Abkochwasser gut verkorkt aufbewahren. Davon täglich etwa 3 Tassen zu geben. _____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.