Eibisch, Malvaceae.
Name:
Althaéa officinális L. Eibisch, Heilwurz, Sammetpappel. Französisch: Guimauve sauvage, bourdon de Saint Jacques; englisch: Marsh-mallow, white mallow, moorish mallow; italienisch: Bismalva, benefischi, malvavisco, malvaccioni, altea dänisch: Läge-Stokrose, Altäa; litauisch: Ybiške; norwegisch: Stokkrose; polnisch: Prawoślaz; russisch: Proswirniak, Altiej; tschechisch: Proskurník, ibišek; ungarisch: Ziliz, fehérmályva.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Eingeschleppt in Nordamerika (Salzmarschen von Massachusetts, New-Iork v. Pennsylvanien.) In Deutschland vielfach kultiviert Im westl. Mittelmeergeb. v. Atlantischen Europa eingebürgert.
Namensursprung:
Der Name Althaea ist abgeleitet vom griechischen άλδανω (aldaíno) = fördern, unter Hinweis auf die Heilkräfte der Pflanze. Das Wort Eibisch, das bereits im Althochdeutschen auftritt, ist aus dem griechisch-lateinischen „ibiscum“ entlehnt.
Volkstümliche Bezeichnungen:
In der Schweiz wird „Eibisch“ als Ibisch, Ibsche, Ispe, Ibschge, Ibste, Hübsche usw. ausgesprochen. Gar sonderbare Verwandlungen erleidet das Wort „Althaea“ im Volksmunde. In der Pfalz und in Sachsen wird ein Altthee, alter Tee, in Oberösterreich sogar eine „alte Eh“ daraus.
Botanisches:
Die in allen Teilen schleimhaltige kali- und salzliebende, filzig behaarte, ausdauernde, 1-1 1/2 m hohe Staude besitzt breit-eiförmige, ungleich gekerbt-gesägte, schwach drei- bis fünflappige Blätter. Die am oberen Stengelteil achselständigen Blüten werden von einem filzigen, grünen doppelten Kelch und fünf rötlichweißen Blumenblättern gebildet. Die Pflanze bewohnt feuchte Wiesen und Viehweiden, Hecken und Gräben Europas und ist auch oft an Jaucheplätzen zu finden. In Nordamerika ist sie in die Salzmarschen der Ostküste eingedrungen.
Blütezeit: Juli bis September.
Geschichtliches und Allgemeines:
Bei den antiken Autoren wird Althaea oft erwähnt, ob sich die Angaben aber wirklich auf Althaea officinalis beziehen, ist unsicher. Theophrast beschreibt seine Althaea mit gelben, Dioskurides mit rosenroten Blüten. Hippokrates rühmte sie hauptsächlich als Wundmittel und verordnete eine Abkochung der Wurzel. Dioskurides, dessen Althaea nach Fraas unsere Althaea officinalis ist, empfahl ihre Anwendung bei Harnverhaltung, Durchfall, Steinleiden, inneren Verletzungen, Nervenschmerzen, Bienenstichen, Zahnschmerzen usw. Alexander Trallianus empfahl hauptsächlich die Heilkraft der Samen. Die in Wein gekochte Wurzel wurde bei Gelenkaffektionen als Breiumschlag gebraucht. Im Mittelalter war die Anwendungsweise ungefähr dieselbe. Albertus Magnus (12. Jahrhundert) nennt den Eibisch als ein erweichendes, lösendes und Eiterungen zur Reife bringendes Mittel.
Wirkung
Bei Paracelsus fand der Eibisch als abszeßerweichendes und -reinigendes Mittel Anwendung.
Lonicerus rühmt die Wurzel als Expektorans und Diuretikum, gegen innerliche Verletzungen infolge Schlag, Stoß oder Fall, äußerlich als geschwürerweichendes Mittel, gegen Brandwunden, das aus der Wurzel gebrannte Wasser gegen Rote Ruhr, Blutharnen und zur Reinigung der Blase. Die gleichen Indikationen gibt Matthiolus an, der aber „innerliche Versehrung der Brust und der Lungen“ besonders hervorhebt und die Wurzel auch bei Harnträufeln und schmerzhaftem Urinieren, als nachgeburtstreibendes Mittel, äußerlich zu Mutterzäpfchen und gegen Zahnweh anwenden läßt.
Nach v. Haller wird die Eibischwurzel namentlich bei Blasen- und Harnleiden gelobt.
Hecker verwendet Althaea mit denselben Indikationen wie Gummi arabicum: bei Erkrankungen der Respirations- und der Harnorgane, Diarrhöen, Wechselfieber usw., äußerlich zu Augenwässern, Gurgeltränken, erweichenden, beruhigenden Umschlägen, zu Inhalationen bei Stockschnupfen und schmerzhaften Hämorrhoiden. Bei Blasensteinoperationen könne man ein Althaeadekokt in die Blase spritzen.
Einer besonderen Wertschätzung erfreute sich der Eibisch bei Hufeland, der ihn in allen Stadien der Lungenerkrankungen anwandte und der auch eine Mitteilung des Stadtphysikus Oswald veröffentlichte, wonach Althaea als krampflinderndes Mittel bei Kindbettfieber gebraucht wurde.
Als Volksmittel bei Ruhr, Blutspeien, Harnbrennen und Sublimatvergiftung wird der Eibisch von Osiander genannt.
Noch heute dient die Wurzel der Volksmedizin als beliebtes Mittel bei Darm- und Bronchialkatarrhen, Cystitis, Gonorrhöe und Fluor albus.
Auch Leclerc empfiehlt sie zum Gurgeln bei Halsentzündungen, zum Erweichen von Geschwüren und als Zusatz zu Einläufen bei Enteritiden. In der englischen Medizin wird Althaea nur selten als erweichendes und auflösendes Mittel gebraucht.
Kneipp schreibt: „Eibischtee wird sehr viel gebraucht bei Erkältungen. Ich bin für denselben nicht besonders eingenommen, da er meinen Erwartungen zu wenig oder nicht entsprochen hat. Schon beim Sieden erhält man eine schlütterige (zähe) Masse, die nach verhältnismäßig kurzer Zeit schleimig wird und so – was in der Tat auch vorkommt – den Appetit nehmen und verderben muß. Derlei Medizinen empfehle ich nie.“ Das ungünstige Urteil von Kneipp ist wohl dadurch bedingt, daß er den Tee sieden ließ. Heute wissen wir, daß gerade die Schleimstoffe führenden Tees nicht aufgekocht werden dürfen, sondern kalt zubereitet werden müssen. Zu diesen gehört besonders der Eibisch.
Die Eibischwurzel enthält als hauptsächlichste wirksame Bestandteile u. a. etwa 35% Schleim, 37% Stärke, 11% Pectin, 4% Betain, 1,25% fettes Öl und bis 2% Asparagin.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Italien: Diarrhöe, Dysenterie, Enteritis und Hautentzündung.
Litauen: Husten und Augenleiden (äußerlich).
Polen: Husten.
Steiermark: Husten und Hautkrankheiten (Bäder).
Ungarn: Lungen- und Darmaffektionen, Ruhr, Katarrhe, Kopfschmerzen, Augen- und Ohrenleiden, Nierensteine, Abszesse.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Althaea officinalis ist ein beliebtes Unterstützungsmittel bei katarrhalischen mit starker Schleimabsonderung verbundenen Reizzuständen der Respirationsorgane. Man gibt es also bei Husten, auch Pertussis, Bronchial- und Lungenkatarrhen, Heiserkeit, Asthma bronchiale und Tbc. mit Hämoptoe.
Weiter erstreckt sich die Wirkung von Althaea auf entzündliche und katarrhalische Affektionen des Urogenitalapparates und des Darmtraktus, so daß man es bei Cystitis, Incontinentia urinae, schmerzhaftem Urinieren, Fluor albus, Gonorrhöe, Enteritis, Diarrhöe, Dysenterie und Cholera infantum verordnet. Auch Nephrolithiasis, Ulcus ventriculi und duodeni und Appetitlosigkeit zählen zu den Indikationen des Mittels.
Äußerliche Anwendung findet es als Mund- und Gurgelwasser und als Kataplasma bei Entzündungen der Augen und Haut und bei Verbrennungen. Auch soll das Wurzelgeschabsel ein gutes Mittel zum Aufziehen und Reifenlassen von Furunkeln und Karbunkeln sein und der Pechsalbe an Wirkung gleichkommen.
Althaea wird meist im Teegemisch, und zwar vorzugsweise mit Farfara, Cetraria islandica, Salvia, Plantago lanceolata, Equisetum und Thymus vulgaris verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Hippokrates rühmt Althaea als Wundmittel und verordnet die Abkochung der Wurzel.
Dioskurides verwendet die. Wurzel gegen eine ganze Anzahl von Krankheiten, nennt daneben die grünen Früchte unter teilweise gleichen Indikationen, die Blätter als Wundheilmittel.
Alexander Trallianus rühmte besonders die Heilkraft der Samen.
Plinius benützt die Wurzel als Umschlag gegen Gelenkaffektionen.
Lonicerus nennt Wurzel, Samen und Kraut.
Bei Bock steht die Anwendung der Wurzel im Vordergrund.
Nach v. Haller wurden in den Apotheken hauptsächlich die Blätter, daneben die Wurzeln als erweichendes Mittel gebraucht.
Hecker spricht von dem Gebrauch der Wurzel.
In der neueren Literatur (Potter, Hager, Marfori-Bachem u. a.) wird fast nur die Wurzel erwähnt.
Nach Zörnig werden die Biüten ähnlich wie die Wurzel und Blätter als Volksmittel gegen Katarrh und Husten angewandt.
Die Verwendung der Wurzel in erster Linie geht vermutlich auf den größeren Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen (Schleim) zurück.
Die Wurzeln sollen nach Schimpky im Spätherbst oder im Frühjahr gesammelt werden, am zweckmäßigsten von zweijährigen oder älteren Pflanzen.
Radix Althaeae ist offizinell in allen Staaten außer England. Folia Althaeae ist offizinell in Deutschland, Österreich, Schweiz, Ungarn, Holland, Belgien, Rumänien, Jugoslavien.
Die homöopathische Urtinktur hat die frische Wurzel zum Ausgangsstoff (§ 3). Aus dieser wird auch das „Teep“ gewonnen.
Dosierung:
Übliche Dosis:
4 Teelöffel voll (= 17,2 g) täglich zum kalten Auszug.
1 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Rad. Althaeae eingestellt.)
In der Homöopathie:
Ø bis dil. D 1, dreimal täglich 10 Tropfen.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Bei Tussis, Heiserkeit und Bronchialkatarrh:
Rp.:
Rad. Althaeae conc. 100 (= Eibischwurzel) D.s.: 4 Teelöffel voll mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken.Species pectorales DAB. VI (Brusttee):
Rp.:
Rad. Althaeae conc. gross. 16 (= Eibischwurzel) Rad. Liquiritiae conc. gross. 6 (= Süßholzwurzel) Rhiz. Iridis conc. gross. 2 (= Veilchenwurzel) Fol. Farfarae conc. gross. 8 (= Huflattichblätter) Flor. Verbasci conc. gross. 4 (= Wollblumen) Fruct. Anisi cont. 4 (= Anis) M.f. species. D.s.: 4 Teelöffel auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von TeemischungenBei Bronchitis der Kinder (nach Rost-Klemperer):
Rp.:
Sir. Althaeae 50 Oxymellis Scillae 5 Aqu. Foeniculi 50 M.d.s.: Zweistündlich 1 Teelöffel.Als Korrigens im Expektorans (nach Meyer):
Rp.:
Rad. Saponariae Rad. Polygalae amarae aa 15 F. decoct. 180 Sirup. Althaeae ad 200 M.d.s.: Dreistündlich 1 Eßlöffel voll.Spec. puerperales (Kindbett-Tee) (nach Hager):
Rp.:
Flor. Verbasci conc. (= Wollblumenblüten) Sem. Melonis cont. aa 10 (= Melonensamen) Rhiz. Graminis conc. (= Queckenwurzel) Rad. Liquiritiae conc. 20 (= Süßholzwurzel) Rad. Althaeae conc. 40 (= Eibischwurzel) M.f. species. D.s.: 4 Teelöffel auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von TeemischungenAls Emolliens (Species Althaeae Pharm. Austr. VIII):
Rp.:
Fol. Althaeae 55 (= Eibischblätter) Rad. Althaeae 25 (= Eibischwurzel) Rad. Liquiritiae 15 (= Süßholzwurzel) Flor. Malvae 5 (= Malvenblüten) M.f. species. D.s.: 4 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser vgl. Zubereitung von Teemischungen _____________________________________ Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938 Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.