Stephanskörner, von Delphinum staphisagria, Stephanskraut, Ranunculaceae.
Name:
Delphínium staphiságria L. Stephanskraut, Läusesamen. Französisch: Dauphinelle, staphysaigre; englisch: Stavesacre; dänisch: Stefanskorn; italienisch: Stafisagria; polnisch: Ostróžka wszywa; russisch: Gnidnik; tschechisch: Stračka jedovatá (= Delphinium staphisagria); ungarisch: Tetüfü.
Verbreitungsgebiet
wird nachgetragen
Namensursprung:
Dem schon von Dioskurides für die Gattung gebrauchten Namen Delphinium liegt wohl die Ähnlichkeit der gespornten Blüte mit einem Delphin zugrunde; staphisagria ist aus dem griechischen σταφς (staphis) = getrocknete Weinbeere und γριος (agrios) = wild, scharfschmeckend zusammengesetzt. Läusesamen, in bezug auf die Verwendung gegen Ungeziefer.
Botanisches:
Das Stephanskraut ist eine zweijährige Staude, die 60-120 cm hoch wird. Der steife aufrechte, stielrunde, riefige Stengel ist zottig-abstehend behaart. Er verzweigt sich erst in der Nähe des Blütenstandes. Die Blätter sind wechselständig, handspaltig und die unteren langgestielt. Farbe: dunkelgrün, unterseits heller. Die Blüten bilden eine meist einfache, vielblütige Traube. Deckblätter dreiteilig oder dreizipflig. Die Blütenstiele sind abstehend-aufrecht, 3-6 cm lang, länger als die Blüte. Die Blüte besitzt fünf ovale, graublau oder tiefviolett gefärbte, außen flaumhaarige, innen kahle Kelchblätter mit grüner Spitze. Das dritte hintere Kelchblatt läuft in einen kurzen dicken Sporn aus. Form, Farbe und Zahl der Blumenblätter ist verschieden (bis acht). Staubblätter zahlreich, Fruchtknoten drei, rauhhaarig, grün, flaschenförmig, frei. Die reife Frucht besteht aus drei gelbbraunen, aufgeblasenen, bauchigen, zugespitzen, zottigen Balgkapseln, die sich auf der nach innen gelegenen Bauchseite öffnen. Die wenigen graubraunen Samen sind durch gegenseitige Deformation tetraedrisch. Blütezeit: Juni bis Juli.
Die Pflanze kommt vor an unfruchtbaren Berghängen Südeuropas, Kleinasiens, auf den Azoren und den Kanarischen Inseln. Sie wird als Zierpflanze hier und da gebaut. Beim Zerreiben verbreiten die Samen einen angenehmen Geruch. Sie besitzen einen äußerst scharfen, bitteren Geschmack. Obwohl alle Delphiniumarten eine hautreizende Wirkung haben und als giftverdächtig anzusehen sind, ist doch Delphinum staphisagria die einzige wirklich giftige Art dieses Genus.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Stephanskörner wurden bereits von den alten griechischen und römischen Ärzten zu verschiedenen Zwecken gebraucht. So führte Dioskurides ihre Verwendung gegen die Läusekrankheit, Jucken, Krätze, als Brechmittel und Mundspülwasser an. Bei den Römern hieß die Pflanze meist Pedicularia (pediculus = Laus), ein Name, der auf die allgemein übliche Benutzung zur Vertreibung von Läusen hinwies. Celsus wendet die Samen u. a. als Mittel gegen Wassersucht, Asclepiades als Kaumittel zur Beförderung der Salivation, Archigenes gegen Zahnschmerzen usw. an. Im Mittelalter wurde der Gebrauch der Droge fortgesetzt, Petrus de Crescentiis, der im 13. Jahrhundert lebte, berichtet von dem Einsammeln der Samen in Italien. Simon Januensis, der Leibarzt des Papstes Nikolaus IV., beschreibt sie „propter excellentum operationem in caputpurgio“. Im östlichen Mittelmeergebiet sollen die Stephanskörner in früheren Zeiten auch als Köder zum Betäuben der Fische verwendet worden sein. Wie Zaunick in seiner Schrift „Die Fischereitollköder in Europa vom Altertum bis zur Neuzeit“ berichtet, findet sich in der „Geoponica“ ein Tollköderrezept, das aus einer Anzahl von Würzlabiaten, darunter auch Thymus vulgaris, und 32 Drachmen Staphisagria, 100 Drachmen Gerstenmehl, ebensoviel Speltmehl und 16 Drachmen Weihrauch zusammengesetzt ist. Diese Mischung wurde mit Erde und Kleie vermengt und ins Wasser geworfen.
Wirkung
Von Lonicerus werden die Stephanskörner als resorptionsförderndes Mittel bei Hydrops, als Emetikum, Antiepileptikum und Emmenagogum verordnet; äußerlich finden sie – wie auch bei Bock und Matthiolus – Anwendung zur Heilung von Zahnschmerz und in Salbenform gegen Hautjucken, Räude und zur Tötung von Nissen und Läusen.
- Haller erwähnt ihre purgierende und emetische Wirkung, läßt sie aber therapeutisch nur noch als Staphisagria-Essig bei Zahnweh benützen.
Die Stephanskörner waren auch Weinmann infolge ihrer speicheltreibenden Eigenschaft als gutes Mittel bei Zahnschmerzen bekannt. Sonst erwähnt er nur noch den äußerlichen Gebrauch bei Krätze und als Läusevertilgungsmittel.
Auch Hecker hat ihre interne Anwendung aufgegeben und empfiehlt sie nur lokal gegen Läuse, vor allem aber – nach den Angaben Rauques – in Verbindung mit Opium als ein vorzügliches Mittel gegen Krätze.
Turnbull hatte Erfolge mit der Anwendung bei Neuralgien und sah außerdem noch eine günstige Beeinflussung der Zirkulation und der Diurese bei allen möglichen Krankheiten.
Bazin gab ein Extrakt der Samen mit gleichen Teilen Dulcamara-Extrakt bei chronischem Ekzem.
Nach Clarus wurde ein Infus der Stephanskörner zuweilen als Anthelmintikum benutzt, und das darin enthaltene Delphinin gab Albers bei Torpor des Gehirns und erhöhter Reizbarkeit des Rückenmarks, um die Sicherheit der Bewegung und die Lust zum Arbeiten zu vermehren.
Die Anwendung der Droge gegen Läuse hat sich bis heute erhalten; Präparate von Staphisagria werden auch bei Neuralgien empfohlen.
Die amerikanische Medizin verwendet Staphisagria-Salbe und -öl gleichfalls als Parasitizidum gegen Läuse und Krätzmilben, das Delphinin innerlich bei Asthma, Rheumatismus und Neuralgie, im letzteren Falle auch lokal in Salbenform.
In der Homöopathie wird Staphisagria geschwächten und nervös reizbaren Kranken bei akuten Leiden auf dyskrasischer Basis verordnet, so z. B. bei Augenliderkrankungen, Hypochondrie und Neuralgie infolge sexueller Störungen, Blasenaffektionen, Gicht, entzündlichen Erkrankungen der Mundhöhle, Zahnschmerzen usw.
Die Wirkung von Staphisagria beruht im wesentlichen auf ihrem Gehalt an Delphinin, Delphisin und einem anderen, noch nicht bestimmten Alkaloid.
Das Delphinin ähnelt dem Aconitin (vgl. Aconitum) und erzeugt schlaffe Lähmung der Herzmuskulatur, ist aber ohne Einfluß auf das Auge.
Die Beeinflussung der Gefäße durch Delphinin ist nach Sherck ungleich stärker als die durch Aconitin und beruht auf einer Wirkung auf das Rückenmark oder die peripheren Gefäßnerven, ist aber unabhängig vom Vasomotorenzentrum. Die durch Staphisagria beobachtete Atemnot ist nach Sherck außer auf Delphinin auch auf das andere, in Staphisagria enthaltene Alkaloid, das Staphisagrin, zu beziehen. Über die Wirkungen des Aconitins und Delphinins vgl. auch St. Mayer.
Äußerlich verursacht es starke Entzündung der Haut; die durch Staphisagria bewirkte Entfernung der Krätzmilben und deren Eier beruht also auf einer sekundären mechanischen Abschuppung der Haut.
Bei einem Hunde, dem man Stephanskörner verabreicht hatte, traten Würgen, Verlust des Bewegungsvermögens und der Stimme, Muskelzuckungen, unfreiwilliger Harnabgang, Diarrhöe, dann völlige Unempfindlichkeit, allgemeine Muskelschwäche und schließlich der Tod ein. Magen, Därme und andere Eingeweide waren entzündet.
Markwood stellte in den Samen von Staphisagria 35,05% ätherisches Öl und 1,30% Alkaloide fest.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Staphisagria wird fast ausschließlich von der Homöopathie verordnet, und zwar vorwiegend bei Erschöpfungszuständen des Nervensystems. Einzelindikationen sind: Neurasthenie mit Gedächtnisschwäche und Hypochondrie, sexuelle Neurasthenie mit Pollutionen und bei Prostataleiden, Gonorrhöe, Onanie (auch Gemütskrankheiten infolge von Onanie), Neuralgien, insbesondere der Ovarien (hier im Wechsel mit Apis, Belladonna und Cimicifuga), Melancholie, Hysterie, Fluor albus („Teep“ D 1) und Kopfschmerzen. Auch allgemeine Schwächezustände und Anfälligkeit, Blasenschwäche, Skrofulose, Drüsenschwellung, Haarausfall, Rheuma, nervöse Diarrhöen, habituelle Obstipation (bei post-operativer Darmlähmung bewährte sich Moll, Schopfingen, vielfach Staphisagria D 4 zusammen mit Opium D 6), Gastritis, Ulcus ventriculi und Trigeminusschmerzen lassen das Mittel angezeigt erscheinen.
Ein anderes recht wichtiges Indikationsgebiet für Staphisagria sind Augenliderkrankungen wie Hordeolum, Chalazion*) und Blepharitis. So heilte Pöller, Gevelsberg, eine Blepharitis auf skrofulöser Grundlage glänzend mit Staphisagria D 4 (dreimal 5 Tropfen), am zweiten Tage Sulf. jod. D 3 oder Ars. jod. D 4 (zweimal je 1 Messerspitze oder Tablette) und Aussetzen der Arzneien am dritten Tage, dann wieder Staphisagria usw.
Von Dermatopathien reagieren Pruritus, besonders der Kopfhaut, Kondylome, Ekzeme (bei nässenden Flechten am Nacken zieht Janke Vinca minor vor) und Crusta lactea gut darauf.
Ebenso leistet es gute Dienste bei Zahnschmerzen infolge von Karies, bei Stomakake und Wucherungen in der Mundhöhle.
Als Wechselmittel können China, Thuja occidentalis und Chamomilla gewählt werden.
+) Beispiel für die Anwendung:
(Nach Gescher, „Deutsche Zeitschrift für Homöopathie“ 1932, S. 5.)
Sch., Hedwig, 51 Jahre alt, kommt wegen Magenbeschwerden, Ptosisgefühl. Bekommt Staphisagria D 6. (23. 7. 1931.) Ich entdecke auch ein kleinerbsengroßes derbes Chalazion, nachdem ich mich bereits für Staphisagria entschieden hatte. Patientin gibt an, diese „Warze“ schon jahrelang zu besitzen. Beim Besuch am 2. 9. 1931 ist das Chalazion verschwunden und bis zum 7. 1. 1932 nicht wieder erschienen.
Angewandter Pflanzenteil:
Nur Bock und Matthiolus erwähnen neben der Verwendung der Samen auch die der Wurzel bzw. des Krautes.
Sonst finden sich nur Angaben über die Samen, so bei: Lonicerus, v. Haller, Hecker, Clarus, Potter, Thoms, Kobert usw.
Das HAB. schreibt zur Bereitung der Tinktur die vorsichtig getrockneten reifen Samen (§ 4) vor. Zur Herstellung des „Teep“ werden die möglichst frischen, reifen Samen verwendet.
Semen Staphisagriae ist offizinell in Holland, England, Belgien, Frankreich, Portugal, Griechenland, Rumänien, Vereinigte Staaten von Amerika und Mexiko.
Dosierung:
Übliche Dosis:
1 Tablette der Pflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 1% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,0025 g Sem. Staphisagriae.)
In der Homöopathie:
dil. D 3-4.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt, doch cave größere Dosen, siehe Wirkung.
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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.