Gemeines Kreuzkraut und Jakobskreuzkraut, Compositae.
Name:
Senécio vulgáris L. Gemeines Kreuzkraut. Französisch: Séneçon commun, herbe aux coitrons, toute venue; englisch: Common groundsel, grinsel, birdseed, chickenweed; italienisch: Cardoncello, calderugia; dänisch: Korsurt; polnisch: Starzec; russisch: Zeltusznik, Baranscyk; schwedisch: Korsört; tschechisch: Starček obecný; ungarisch: Aggófö.
Senécio jacobaea L. (= Jacobaea vulgaris Gaertn., = Senecio jacobaea L. var. typicus Beck). Jakobs-Kreuzkraut. Französisch: Herbe St. Jacques, séneçon Jacobée, fleur de Saint-Jacques, herbe dorée; englisch: Tansy ragwort, staggerwort, common ragwort, St. James wort; italienisch: Erba san Jacobo, Jacobea.
Verbreitungsgebiet
Weiteres Vorkommen: Nord -u. Mittelasien (bis Tibet und Baikalsee). Nordafrika. Eingeschleppt in der Arktis und in Ostasien. Eingebürgert in Abessinien. Südafrika. Nord-u. Südamerika. Australien.
Namensursprung:
Senecio ist angeblich vom lateinischen senex = Greis abgeleitet und wird schon bei Plinius als Pflanzenname (wahrscheinlich für Senecio vulgaris) verwendet, vielleicht wegen des frühzeitig sichtbar werdenden Pappus, vielleicht auch, weil bei Senecio vulgaris die Köpfe nach dem Ausfallen der Früchte an einen Glatzkopf erinnern. Dem entspricht wohl auch der deutsche Name Baldgreis. Der Name Jakobskraut bezieht sich auf die Blütezeit der Pflanze um Jakobi (25. Juli).
Volkstümliche Bezeichnungen (für Senecio vulgaris):
Kruzkrut, -wort, -wurtel (plattdeutsch), Krüzert (Westfalen), Kruizebôhm (Braunschweig), Krützblömke, -krüttche (Niederrhein), Kreuzwurzel (z. B. Rheinlande, Gotha), Kreuzkräutchen (Eifel), Kraitskraitek (Schlesien: bei Gleiwitz), Kreizkreitchen, Kritzelkrut (Lothringen). Auf den Standort an Ruderalstellen usw. gehen Dräckröwen = Dreckrüben (Westfalen), Schißmader (Thurgau), Hutschakraut = Krötenkraut (Riesengebirge), Krötengrås (Nordböhmen), Chrottechrut (Aargau), Stinken Hinnerk, stinken Jan Hinnerk, stolten Hinnerk (Oldenburg, Schleswig), lustgen Hinrik (Lübeck). Ab und zu wird das Kraut in der Volksmedizin zur Kühlung von geschwollenen Körperstellen (Dickkopp = geschwollener Kopf) verwendet, daher die niederdeutschen Benennungen Schwulstkrut (Mecklenburg), Dickkopp (z. B. Lübeck, Rotenburg a. d. Wümme), Dickkopp(s)krut oder -gras (plattdeutsch). Die Bezeichnungen Bei(n)brech (Aargau, Baden), Chnübrech = Kniebrech (Zürich) sollen daher rühren, daß „das Ausjäten des stark wuchernden Unkrautes soviel Arbeit mache, daß die Knie davon schmerzen“.
Verbreitungsgebiet
Senecio jacobaea L.:
In Nordamerika eingebürgert.
Botanisches:
Senecio vulgaris, eine ein- oder zweijährige 8-40 cm hohe Pflanze mit dünner spindelförmiger Wurzel, ist als Begleiter der Menschen heute in allen Erdteilen anzutreffen. Die wenigen verkehrt-lanzettlichen und buchtig-gelappten Blätter sind locker auf dem ästigen Stengel verteilt. Ihre hellgelben Blüten sind zu gedrängten Ebensträußen vereinigt. Senecio vulgaris ist fast das ganze Jahr hindurch blühend anzutreffen, da die Pflanze jährlich drei Generationen bildet, von denen die Herbstgeneration unter günstigen Umständen den Winter überdauern kann. Sie bevorzugt fruchtbare und ammoniakreiche Böden, auf denen sie oft in solchen Mengen auftritt, daß ein großer Teil davon angeblich infolge Lichtmangels verkümmert. In Wirklichkeit werden aber wohl auch hier wie beim Klee Wurzelausscheidungen als hemmende Ursache die Hauptrolle spielen. Das Parenchym der Blätter und Stiele enthält lösliche Phosphate.
Senecio jacobaea blüht vom Juni bis in den Herbst auf sonnigen Hügeln, an Rainen und Wegrändern. Die Pflanze ist meist zweijährig und perenniert wohl auch. Der Stengel, der oberwärts aufrechtästig ist, wird 30-100 cm hoch. Er ist meist violettrot und locker spinnewebig behaart. Die Blätter sind graugrün, die unteren leierförmig-fiederteilig und zur Blütezeit meist abgestorben. Die oberen Blätter sind fiederteilig, sitzend und am Grunde viellappig geöhrt. Die goldgelben Blütenköpfe bilden eine endständige, dichte, aufrechtästige Doldentraube.
Geschichtliches und Allgemeines:
Senecio (onigeron) ist bei den antiken Autoren schon als kühlendes und erweichendes Mittel, sowie gegen Leber-, Blasen- und Magenleiden genannt worden, jedoch handelt es sich wohl nie um die Spezies Senecio vulgaris. Im Mittelalter fanden die Laubblätter unter dem Namen Herba Senecionis Jacobaeae Verwendung als tonisches Mittel, zum Stillen von Krämpfen, bei Amenorrhöe, die nach Erkältungen auftritt, Hämoptise, Epistaxis und anderer Blutungen. 1831 wies Finazzi auf die Eigenschaft der Pflanze als Emmenagogum hin unter Bezugnahme auf zwei hysterische Patientinnen, die dadurch geheilt worden waren, daß sich nach Gebrauch von Seneciopulver die Menstruation eingestellt hatte.
Wirkung
In den homöopathischen Lehrbüchern wird zwar meist das goldgelbe Kreuzkraut, Senecio aureus, angeführt, doch ist das in Europa wachsende Kreuzkraut, Senecio vulgaris, diesem hinsichtlich seiner Inhaltsstoffe (Senecionin, Senecin, Inulin u. a.) und seiner Wirkung wohl gleichzustellen.
Lonicerus schreibt dem Kreuzkraut entzündungswidrige, geschwulstzerteilende und geschwürheilende Wirkung zu und läßt es bei „hitzigen magenschmertzen“, die durch „schärpffe der gallen entstanden“ sind, bei Geschwülsten der Mammae und Genitalien und bei Ulzera anwenden.
Außer der Angabe einer schmerzstillenden Wirkung weiß Matthiolus dem nichts hinzuzufügen, während Tabernaemontanus als weitere Indikationen Gelbsucht, Blutspeien und -brechen, Phthisis, Uterusblutungen, für äußerlichen Gebrauch Grind, Kropf, Harnwinde, Harntröpfeln, Podagra und Nervenschmerzen angibt.
Nachdem das Kreuzkraut längere Zeit in Vergessenheit geraten war, lenkte zuerst der Engländer Murrell wieder die Aufmerksamkeit darauf, indem er es als brauchbares Emmenagogum bei funktioneller Amenorrhöe a frigore und post partum empfahl. Einige Jahre später berichtete Bardet von 20 Fällen von Amenorrhöe und Dysmenorrhöe, in denen sich das Kreuzkraut bewährt hatte.
Dalché konnte an Hand von Untersuchungen eine gewisse Analogie bezüglich der hämostatischen Wirkung von Senecio mit der des Ergotins feststellen, die wahrscheinlich bedingt ist durch den progressiven Abbau der in den Pflanzenextrakten enthaltenen Amine. Diese werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit zu unwirksamen Endprodukten; die Wirkungslosigkeit der als Secale-Ersatz empfohlenen Pflanzenauszüge wie Senecio, Thlaspi bursa past. und Geranium wird deshalb vorwiegend vom Alter der betreffenden Präparate abhängig sein.
Nach Dalché kommt der Droge auch schmerzlindernde Wirkung zu; bei Dysmenorrhöe und Amenorrhöe, reflektorisch von Uterus und Adnexen ausgelösten nervösen Gastralgien und Verdauungsstörungen sah er gute Erfolge und konnte bei nicht zu weit vorgeschrittener Tuberkulose durch Senecio die Magenschmerzen beseitigen, so daß Appetit und Allgemeinbefinden günstig beeinflußt wurden.
Bunsch prüfte die Wirkung des alkoholischen Auszuges. In kleinen Mengen injiziert tritt eine allgemeine Erhöhung des Blutdruckes ein unter Zusammenziehung der peripheren Gefäße in der Intestinalregion, wobei die Herzkontraktionen sich vermindern. Große Gaben bewirken eine Umkehrung. Der Blutdruck wird erniedrigt, die Intestinalgefäße erweitert und die Peristaltik gehemmt.
Auch von Leclerc konnte die emmenagoge Wirkung bestätigt werden, die er besonders bei mangelhafter oder unregelmäßiger Menstruation anämischer und neuro-arthritischer Patientinnen sowie solcher, die an Leber- und Magenstörungen litten, erprobte. Entgegen den Erfahrungen verschiedener anderer Autoren sah er auch schmerzstillende Wirkung des Mittels bei Dysmenorrhöe.
Senecio jacobaea enthält die gleichen Wirkstoffe wie Senecio vulgaris.
Von homöopathischer Seite wird Senecio aureus als Frauen- und Unterleibsmittel empfohlen, während Senecio jacobaea bei Cerebral- und Cerebrospinalirritationen, Depressionen, Kopfschmerzen und ebenso wie Senecio aureus zur Regulierung der Menstruation Anwendung findet.
Verschiedene Senecio-Arten, wie S. burchelli, latifolius und ilicifolius u. a. führten zu Vergiftungen des Weideviehs mit hämorrhagischen Diarrhöen, Prolapsus ani, Kolik, Herzmuskellähmung, bei Pferden zu Verfettung der parenchymatösen Organe, beim Menschen traten vorwiegend leberzirrhotische Erscheinungen auf.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Äußerlich zu heilenden und schmerzstillenden Umschlägen.
Polen: Der frische Saft als Hämostatikum, bei Hämorrhoiden und Darmkatarrh.
Ungarn: Zur Zerteilung von Geschwülsten.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Senecio wird bei Amenorrhöe und Dysmenorrhöe verordnet. Wie Wurmb, Preßburg, mir mitteilte, konnte er durch Senecio- und Sulfurgaben eine seit 10 Jahren bestehende Amenorrhöe heilen. Weiter gibt man das Mittel bei Harndrang und -zwang, Cystitis, bei Diarrhöen in der Gravidität, Anämie, Chlorose, anämischen Kopfschmerzen, Diabetes mellitus und Herzklopfen.
Äußerlich findet das Kraut zu Auflagen als erweichendes, zerteilendes und die Eiterung förderndes Mittel Anwendung.
Angewandter Pflanzenteil:
Alle Literaturstellen nennen das Kraut als verwendet, so: Bock, Matthiolus, Lonicerus, Geiger, Thoms, Clarke, Schmidt, Heinigke.
Das HAB. läßt eine Essenz aus der frischen blühenden Pflanze ohne Wurzel von Senecio aureus, Senecio gracilis und Senecio jacobaea herstellen (§ 3). Senecio vulgaris wird nicht erwähnt.
An Stelle der amerikanischen Pflanzen werden zur Herstellung des „Teep“ die einheimischen Arten S. vulgaris und S. jacobaea benutzt, und zwar werden die frischen blühenden Pflanzen verwendet.
Dosierung:
Übliche Dosis:
1-3 g des Fluidextraktes (Leclerc);
2 g der Tinktur dreimal täglich ansteigend bis 15 g viermal täglich (Murrell);
40-60 g des Saftes (Dinand).
1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.
(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)
In der Homöopathie:
dil. D 1-2.
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.